Der Geruch des Todes. Cat Warren

Der Geruch des Todes - Cat Warren


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Vögel) weit unterlegen ist“, schreib John Bradshaw 2011.

      So kommt es, dass die Nase des Hundes in der Wissenschaft bis heute oft unterschätzt wird, obwohl sie sich zugleich in der Öffentlichkeit wachsender Beliebtheit erfreut. Eine Studie ergab beispielsweise, dass die Leistung der Testhunde, zwischen dem auf Stoffstreifen vorbereiteten Geruch von eineiigen und zweieiigen Zwillingen zu unterschieden, zwischen „Okay“ und „Mittelmäßig“ lag. An der Aufgabe, zwischen eineiigen Zwillingen zu unterscheiden, die im selben Haushalt lebten und sich gleich ernährten, scheiterten sie kläglich. Die Studie kam zu eindeutigen Ergebnissen, was die Grenzen des hündischen Geruchssinns betraf.

      Diese Art Studien sind es, die William „Deak“ Helton, Kognitionspsychologe an der University of Canterbury in Neuseeland und Gebrauchshundeexperte, irritieren. Experimente wie die Zwillings-Unterscheidungsstudie, meint er, seien, als würde man Bachelor-Studierende in einen Flugsimulator setzen, ihre Leistung untersuchen und daraus Schlüsse zur Leistung ausgebildeter Piloten ziehen. Man muss gar nicht auf die Geschichte des erfahrenen Piloten Chester „Sully“ Sullenberger hinweisen, der die Notlandung eines US-Airways-Fluges auf dem Hudson River durchführte, um zu erkennen, dass Deak recht haben könnte.

      “Wir brauchen mehr Studien an fertig ausgebildeten Hunden“, sagt Deak. „Das Problem dabei ist natürlich, dass diese Hunde wahrscheinlich bereits im Einsatz und darum zu wertvoll sind.“ Die Forschung an Familienhunden sei nicht nutzlos, fügt er hinzu, aber man müsse sich bewusst machen, dass weder die Nasen noch die kognitiven Fähigkeiten dieser Hunde entsprechend trainiert und aufgebaut seien.

      Die Zwillingsunterscheidungsstudie hat ein Happy End: Eine Gruppe Wissenschaftler und Ethologen in Tschechien − der Wiege der Forschung zu den kognitiven Fähigkeiten des Hundes − beschloss, eine weitere Studie zur geruchlichen Unterscheidung eineiiger Zwillinge durchzuführen. Die Wissenschaftler arbeiteten mit ausgebildeten Spürhunden, und ihre Studie aus dem Jahr 2011 zeigt, dass gut trainierte Deutsche Schäferhunde problemlos und korrekt zwischen den Geruchsprofilen eineiiger Zwillinge unterscheiden können − und zwar sogar, wenn diese im selben Haushalt leben und dasselbe essen.

      Wenn wir sie entsprechend trainieren und einzusetzen wissen, können Hunde so gut wie alles finden, wonach uns der Sinn steht. Sie sind in der Lage, kleinste Mengen zahlreicher Stoffe aufzuspüren. Eine Studie aus dem Jahr 2006, die allerdings nur eine sehr kleine Versuchsgruppe umfasst, zeigt, dass Hunde 1 bis 2 ppb n-Amyl-Azetat, eine nach Bananen riechende Lösung, aufspüren können. Das entspricht einem Tropfen Wasser in 20 olympischen Swimmingpools!

      Übrigens ist es nicht immer so, dass Hunde wesentlich geringere Konzentrationen erschnüffeln können als Menschen: Larry Myers beschäftigt sich seit 1982 mit der wissenschaftlichen Erforschung der Spürhundenase. Er hält es zwar für albern, zu messen, welche Rassen oder Spezies die besten Nasen haben oder auch nur die menschliche mit der Hundenase zu vergleichen, konnte aber der Versuchung nicht widerstehen, ein paar schnelle, informelle Experimente durchzuführen, in der er die Nasen seiner Labormitarbeiter denen der Hunde gegenüberzustellen. Er testete eine Gruppe Mitarbeiter und Hunde mit Azeton, einem Lösungsmittel, das sich in jedem Labor findet. „Meine Labormitarbeiter konnten es in niedrigerer Konzentration riechen als die Hunde“, berichtet Myers. Bei Eugenol hingegen, einer stark nach Gewürznelken riechenden Verbindung, die er jeweils im Pretest einzusetzen pflegt, bevor er aufwändigere Geruchsexperimente mit den Hunden durchführt, reagierten die Hunde bereits auf ein Millionstel jener Konzentration, welche seine Labormitarbeiter wahrnahmen.

      Die Ammenmärchen rund um die Hundenase beschränken sich nicht auf die Konzentration des Geruchsstoffes: Auch von einem direkten Zusammenhang zwischen Anzahl der Geruchsrezeptorzellen und Riechfähigkeit ist immer wieder die Rede. Als ich begann, Nasenliteratur zu lesen, klassifizierte ich die Nase des Deutschen Schäferhundes niedriger als die des Bloodhounds, jedoch höher als jene der meisten anderen Rassen. In den entsprechenden Tabellen war Solos Nase zwar sehr gut, nicht aber ausgezeichnet. Die meisten Bestseller der Hundeliteratur verbreiten das Gerücht, dass die Riechfähigkeit eines Hundes umso besser sei, je mehr Rezeptorzellen seine Nase habe: „Der Dackel beispielsweise hat circa 125 Millionen Geruchsrezeptorzellen, der Foxterrier 147 Millionen und der Deutsche Schäferhund 225 Millionen.“ Der Bloodhound schlägt alle anderen Rassen bei Weitem: Er hat ganze 300 Millionen Rezeptoren.

      Nancy Hook hält nichts von dieser Klassifizierung. Wenn sie wolle, meinte sie verächtlich, könne sie Pip, dem Chihuahua ihrer Tochter, beibringen, Leichen zu finden. Lindsay brachte die Sache selbstzufrieden auf den Punkt, indem sie uns darauf hinwies, dass Pip − anders als der große, schwerfällige Solo − selbst in die schmalsten Zwischenräume gelangen könne.

      Nancy und Lindsay hatten Recht. Ich stolperte über einen Bericht des Justizministeriums, in dem Lester Shubin, damals ein leitender Angestellter des juristischen Forschungsinstituts, zitiert wurde. Er und der Wissenschaftler Nicholas Montanarelli sollten noch für eine Reihe anderer Projekte zusammenarbeiten; damals allerdings war Nick als Projektleiter für das Landkriegs-Labor des US-Militärs in Maryland tätig. Als Militärwissenschaftler gehörte er zu den Ersten, die sich Gedanken über die Möglichkeiten zum Einsatz von Gebrauchshunden machten. Bereits Mitte der 60er Jahre setzten er und und Shubin sich für die Arbeit mit Bombenspürhunden ein, obwohl zu dieser Zeit große Skepsis hinsichtlich der Fähigkeiten von Hunden im Allgemeinen herrschte. Die beiden Männer arbeiteten nicht nur mit Deutschen Schäfern und Labrador Retrievern, sondern auch mit Pudeln und weiteren Rassen. Im Gegensatz zu mir waren Montanarelli und Shubin allen Vierbeinern gegenüber aufgeschlossen, nicht voreingenommen von der Liebe zum Schäferhund.

      „Es zeigte sich, dass im Grunde jeder Hund lernen kann, Sprengstoff oder Drogen zu finden − selbst winzige Hunde wie Chihuahuas, deren Größe von Vorteil sein könnte“, schrieb Shubin in seinem Bericht. „Wer wird schon misstrauisch, wenn er jemanden im Pelzmantel mit einem Hund am Arm sieht? Dieser Hund könnte eine Bombe genauso gut riechen wie ein Deutscher Schäfer.“

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      Genug von Chihuahuas und Deutschen Schäferhunden. Sehen wir uns den Bloodhound an. Sicherlich sind sich alle einig, dass dieser die feinste Nase hat?

      Natürlich nicht. Bevor Solo einzog, dachte ich nicht viel über Bloodhounds nach. Das kleine bisschen, was ich durch den Filter von Medien und Popkultur über ihre Geschichte wusste, machte sie mir eher unsympathisch. Leider findet sich so viel widersprüchlicher Unsinn zu dieser Rasse − und leider habe ich manchem davon selbst eine Zeitlang Glauben geschenkt: Ich meine nicht die amüsanten Bilder von Pfeife rauchenden Bloodhounds mit Sherlock-Hüten, sondern den ernsthafteren Unsinn davon, dass die Nase des Bloodhounds das reinste und fortschrittlichste Wunder der Natur sei, oder die Behauptung, dass Bloodhounds in der Lage wären, vier Monate alten Fährten und Autos am Highway meilenweit zu folgen.

      Und als der Bloodhound in die Marktstadt kam, lief er durch die Straßen, ohne die Menschen im Geringsten zu beachten, und ruhte nicht, bis er das Haus erreichte, in welchem der Mann, den er suchte, selbst ruhte, und ihn zur Überraschung all jener, die ihm folgten, in einem der oberen Zimmer auffand.

       - Robert Boyle, Essays of the Strange Subtilty, Great Efficacy, Determinate Nature of Effluviums, 1673 -

      Übertreibungen der Fähigkeiten der Bluthundenase lenken von der realen Leistung eines guten Einzweck-Fährtenhundes ab. Möchte man die Nase eines Gebrauchshundes bei der Arbeit beobachten, gibt es keinen schöneren Anblick als den eines guten Fährten-Bloodhounds. Andererseits habe ich auch Belgische Malinois herrliche Fährten ausarbeiten sehen, ebenso wie Labrador Retriever, Plott Hounds, einen Weimaraner und mehrere Mischlinge. Und − natürlich − Deutsche Schäfer. Chihuahuas als Fährtenhunde einzusetzen wäre vermutlich etwas weit hergeholt, zumindest, was große Distanzen betrifft. Doch seien wir ehrlich: Keine dieser Rassen ist ähnlich sinnträchtig und sagenumwoben wie der Bloodhound. Selbst Shakespeare beschreibt die Bloodhounds im Sommernachtstraum: „Weitmäulig, scheckig, und ihr Kopf behangen mit Ohren, die den Tau vom Grase streifen“.

      Terry Flack, ein Hundeexperte der Exekutive, der seinen dritten Deutschen Schäfer führt, glaubt, dass der zeitliche Vorteil einer der Hauptgründe


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