Der Geruch des Todes. Cat Warren
mit finanzierte, erinnert sich an das großartige Picknick, zu dem das SwRI in jenem Jahr lud: Es gab köstliche gegrillte Schweinskoteletts.
Die Experimente beschränkten sich nicht auf Hunde und Schweine. Auch Kojoten, Kojoten-Beagle-Mischlinge, Rehe, Pekaris, Waschbären, Füchse, ein Dachs, Timberwölfe und eine Afrikanische Zibetkatze kamen zum Zug. Des Weiteren ganze drei Stinktierarten: Fleckenskunks, Streifenskunks und Weißrüsselskunks. Und gelegentlich eine Indigo- oder Klapperschlange, die man aufgrund ihrer unübertroffenen Begabung, in Löcher zu kriechen, für die Minenspürarbeit besonders geeignet hielt. Die Wissenschaftler versuchten sogar, Raubvögel zur Suche einzusetzen.
Die Verhaltenswissenschaftler, Projektleiter und Trainer am SwRI stellten zu ihrer Enttäuschung wiederholt fest, dass wilde Tiere Probleme machten: Sie waren ... wild. Wölfe und Füchse sahen Menschen als „Gefahr, die es zu vermeiden galt“. Die Waschbären waren nicht schlimm, solange sie jung waren, doch sie rebellierten in der Pubertät: Sie bissen. Die Pekari-Teenies hörten nicht auf ihre Trainer, und die Nasenbären (Cousins der Waschbären) waren ihren großen Schnauzen zum Trotz „lethargisch“. Die Rehe schafften es nicht, systematisch zu suchen, und die Klapperschlangen neigten zwar nicht zum Beißen, aber schliefen einfach in der Sonne ein.
So griff man auf den Hund, den gewöhnlichen Canis planus, zurück. Vielleicht hat der Hund nicht die beste Nase des gesamten Tierreiches. Vielleicht ist er nicht die intelligenteste aller Spezies. Er kann nicht in kleine Löcher kriechen wie eine Schlange und auch nicht so leichtfüßig über Hindernisse setzen wie ein Reh − und doch gelangt er an verschiedenste Orte. Er hat die richtige Größe für zahlreiche Aufgaben. Er kann an deiner Seite gehen. Der Hund lebt lang genug, dass sich das Training auszahlt. Er ist weder nachtaktiv noch tagaktiv, sondern bereit, immer dann wach zu sein, wenn man selbst munter ist. Und vor allem wollen Hunde dem Menschen gefallen.
Der Hund, folgerte das SwRI, war genau richtig.
„Wir fanden die Hunde unglaublich nützlich“, sagte Nick Montanarelli. „Und so kam ich zur Spürarbeit.“
Das war nicht das Ende der Versuche. Sowohl das SwRI als auch das Militär experimentierten mit unterschiedlichen Rassen, die für die verschiedensten Zwecke und Klimabedingungen gezüchtet worden waren: Australische Dingos, Norwegische Elchhunde, Dobermänner und Cocker Spaniels. Mit Mischlingen experimentierten die Wissenschaftler und Projektleiter nicht. Das hatte nichts mit blaublütigem Snobismus oder dem deutschen Wunsch gemein, einen Super-Schäferhund zu schaffen, der den Nationalstaat bestmöglich würde repräsentieren können, sondern lag an der Wissenschaft. Mischlinge lassen sich nicht so einfach reproduzieren, und wenn man sich allgemeingültige und wiederholbare Resultate wünscht, braucht man Versuchssubjekte, die einander möglichst ähnlich sind. Canis planus ist, genetisch gesehen, alles andere als einfach gestrickt. Während auch andere Hunde ihre Aufgaben zufriedenstellend erfüllten, kristallisierten sich Deutsche Schäferhunde und Labrador Retriever als die besten Allrounder für eine Vielzahl von Einsatzgebieten heraus. Sie hatten Jagd- und Spieltrieb, die richtige Größe und eine feine Nase. Niemand würde ihre Hundeführer auslachen. Die beiden Rassen hatten durchaus auch Nachteile, vor allem der Deutsche Schäfer. Schon damals versuchte das Militär, ein solides Zuchtprogramm für Schäferhunde auf die Beine zu stellen. Sie sollten selbstbewusst sein und Aggressivität zeigen können, wenn dies nötig war, durften nicht nervös sein und keine Hüftprobleme haben. Leider waren die beiden letzten Probleme, seit Rin Tin Tin die Kinoleinwand erobert hatte, in amerikanischen Schäferlinien im Anstieg begriffen.
Für bestimmte Projekte wich man von den beliebten Schäferhunden und Labrador Retrievern ab. Als D.B. Cooper 1971 ein Flugzeug entführte, mit dem Fallschirm und zweihunderttausend Dollar Lösegeld über Washington absprang und zahlreiche Nachahmungstäter inspirierte, suchten das SwRI und die Militärlabors nach einer Lösung und fanden diese in einer eleganten Dame, die mit einem Schoßhund auf dem Arm durch Flughafenterminals und Gates flanierte. Sie ging knapp an den wartenden Passagieren vorbei. Wenn der Hund eine Handfeuerwaffe roch, kratzte er mit der Pfote an ihrem Arm. Polonis erinnert sich daran, dass sie ihr Glück − neben weiteren kleinen Rassen − mit Lhasa Apsos, Italienischen Windspielen und Whippets versuchten. Die Whippets, erinnert er sich, waren den anderen Rassen weit überlegen.
Einige der anderen kleinen Rassen arbeiteten weniger gut. Glücklicherweise endeten nicht alle der missglückten Experimente mit einem Grillfest. William Johnston nahm einen ausgemusterten Malteserwelpen, dessen Schnauze zu sehr an den eines Mopses erinnerte, um vernünftig schnüffeln zu können, mit nach Hause zu seiner Frau Joan und ihren Kindern in Virginia. Puffin lebte bis zum stolzen Alter von dreizehn Jahren bei der Familie.
Wenn Sie das nächste Mal einen Zoo oder ein naturhistorisches Museum besuchen und die außergewöhnliche Diversität der Organismen unseres Planeten bestaunen, halten Sie kurz inne und bedenken, dass all die Variation − die Stoßzähne der Elefanten, das Rad des Pfaus und der menschliche Neocortex − teils durch Fehler ermöglicht wurde.
- Steven Johnson − Wo gute Ideen herkommen, 2010 -
Gute Ideen können vereinzelt und isoliert auftreten wie die sommerlichen Popcorn-Stürme in North Carolina, die am Spätnachmittag den Gemüsegarten bewässern. Wie aus dem nichts tauchen sie auf und verschwinden ebenso schnell wieder, und auf Satellitenbildern sieht es aus, als würden weiße Wolken in tausende hüpfende Popcornstückchen explodieren. Sowohl gute Ideen als auch Regenstürme brauchen die richtige Atmosphäre und ein paar ganz bestimmte Zutaten. So kam es, dass mehrere Wissenschaftler, Trainer und Institute etwa zur selben Zeit die Idee zum „Leichenspürhund“ hatten: ein Hund, der die Mord-, Katastrophen-, Unfall- und Kriegsopfer würde finden können. Die Idee war die logische Weiterführung früherer Einfälle, profitierte aber auch von Fehlern und wissenschaftlichen Sackgassen wie den Schweineexperimenten.
Einer der ersten Versuche war das Trainingsprogramm der Polizei von Lancashire in England, die im Juli 1970 begann, Hunde zum Aufspüren der Toten zu trainieren. Für das achtzehnmonatige Trainingsprogramm wurde Schweinefleisch als Ersatz für menschliche Überreste verwendet. Den wenigen Berichten zufolge funktionierte es ganz gut, doch ist das Programm mehr schlecht als recht dokumentiert. Nach dem katastrophalen Yom-Kippur-Krieg wurde 1973 ein Hundeführer in die Sinai-Wüste geschickt, um die israelischen Toten zu finden. Berichten zufolge spürte das Team ganze 47 Leichen auf, und ein in Windeseile dafür ausgebildetes israelisches Spürhundeteam fand die Leiche von Anwar Sadats Bruder, einem Piloten.
In den nächsten beiden Jahren rief Nick Montanarelli über das Landkriegsmuseum des US-Militärs die erste amerikanische Leichenspürhundestudie ins Leben. Diese Studie war kein müßiges Mal-sehen-was-wir-uns-ausdenkenkönnen-Experiment: Nick war praktisch veranlagt und dachte bereits über den Vietnamkrieg hinaus. Hunde, so sein Gedankengang, hätten in zwei inländischen Desastern nützlich sein können: Der Hurrikan Camille hatte 1969 Cuba verwüstet, war durchs Mississippi-Delta gefegt, hatte Virginia überflutet und 259 Menschen getötet. Die tatsächliche Windgeschwindigkeit konnte nicht gemessen werden, da der Hurrikan sämtliche Messinstrumente zerstörte. Und 1972 brach ein Damm in Black Hills in South Dakota. Die Wassermassen donnerten einen Flussarm entlang nach Rapid City, wo innerhalb weniger Stunden 137 Menschen starben. Viele von ihnen wurden bei lebendigem Leib unter dem Schlamm begraben oder von den Fluten mitgerissen. Außerdem hatte Nick mit kanadischen Hundeführern und Trainern gesprochen und erfahren, dass deren Rettungshunde zwar bei Lebenden brillierten, aber nicht sonderlich gut darin waren, tote Lawinenopfer zu finden.
Eine Herausforderung lag darin, geeignetes Trainingsmaterial für Leichenspürhunde zu finden. Nicks Rang im Militär und dessen lange Tradition, gefallene Soldaten zu ehren, hielten ihn davon ab, menschliches Gewebe im Training einzusetzen. Trotzdem wollte er dem einzig Wahren so nah wie möglich kommen. Er besuchte Leichenhallen und sprach mit Bestattern. Er befragte Soldaten, die viel mit Toten zu tun gehabt hatten. Nicks Lösung: eine Kombination aus verschwitzten Soldatenuniformen, Affenfleisch beziehungsweise, wie im Bericht zu lesen steht, „mazeriertem Untermenschen“, und einer Reihe Chemikalien. Es handelte sich um eine starke Mischung, erinnert sich Nick. Die Hunde fanden sie. Die vier Deutschen Schäfer