Der Geruch des Todes. Cat Warren

Der Geruch des Todes - Cat Warren


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uns.“

      Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung. Wir halten den Bloodhound für einen großartigen Fährtenhund und gehen davon aus, dass er als Einziger in der Lage sei, selbst alten Spuren zu folgen. Wird jemand vermisst? Holt die Bloodhounds! Dazu kommt eine anhaltende Faszination vom Fährtentalent dieser Rasse. Robert Boyle, ein Philosoph des siebzehnten Jahrhunderts und der Begründer der modernen Chemie, beschreibt mit wissenschaftlicher Distanziertheit und Faszination, wie er einen Bloodhound eine gealterte, mehr als sechs Kilometer lange Prüfungsfährte, die von zahlreichen anderen Spuren gekreuzt wurde, ausarbeiten sah. „Ohne den Mann, den er verfolgen sollte, je gesehen zu haben, folgte der Hund allein seinem Geruch . . . gleichwohl unzählige Marktleute denselben Weg nahmen und Reisende ihn kreuzten.“

      Die US-amerikanischen Gerichtshöfe folgten dem Vorbild der Geschichte. Früher verlangten Gerichte einen Beweis für die Reinrassigkeit der Hunde, bevor sie die Spuren, die diese ausgearbeitet hatten, als Beweismittel akzeptierten. Ein Gericht in Ohio bringt es im Jahr 1896 auf den Punkt: „Es ist allgemein bekannt, dass die unter dem Namen Bloodhound bekannte Hunderasse hochintelligent und mit einer ausgezeichneten Nase gesegnet ist, weshalb sie auch von den Gerichten berücksichtigt wird.“

      Nicht nur Gerichtsverfahren, sondern auch Gewohnheit und besondere Bedürfnisse legen anderen Rassen Steine in den Weg: Ein praktisch veranlagter Beamter der Exekutive trainiert einen Diensthund, der Spur des Mannes zu folgen, der eine Stunde zuvor in die Pizzeria eingebrochen ist. Wochen oder Jahre damit zu verbringen, einem Hund beizubringen, eine zwei Tage alte Fährte auszuarbeiten, ist nicht kosteneffektiv, obwohl nicht wenige Trainer davon ausgehen, dass ein Schäfer oder Malinois mit einer zwei Tage alten Fährte gut zurechtkommen würden. Bloodhounds haben einen Vorteil, weil niemand von ihnen erwartet, irgendetwas anderem als ihrer Nase und der Fährte Beachtung zu schenken.

      „Hunde jeder Rasse, die das richtige Temperament haben und so trainiert werden wie die besten Bloodhounds, können wahrscheinlich ebenso gute Ergebnisse erzielen wie diese“, schreibt die pensionierte Wildhüterin Deborah Palman aus Maine. „Ein Vorteil von Bloodhounds und anderen Einzweck-Fährtenhunden ist es, dass ihnen nicht beigebracht wird, auf jedes Wort und jede Geste des Hundeführers zu achten. Fährten auszuarbeiten ist ihre einzige Aufgabe, ohne die Befehle Sitz, Platz und Fuß ausführen können zu müssen. Das reduziert die Ablenkung.“

      Die sentimentale Idee einer „schicksalhaften Bestimmung“ geht für den Bloodhound auch nach hinten los: Stellt man einen dermaßen großen und plumpen Hund auf ein Podest, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er herunterfällt. All die Übertreibungen (von denen manche die Wahnideen einzelner Hundeführer sind) arbeiten gegen kompetente Bloodhoundführer, die gegen die Mythen ankämpfen müssen. Ein aufrichtiger, talentierter Hundeführer klingt, als würde er die Rasse oder seinen eigenen Hund schlechtreden, wenn er einfach nur ehrlich ist. Ein Bloodhound und sein Mensch können Erstaunliches erreichen, zum Beispiel einer langen, von anderen Spuren durchkreuzten, tagealten Fährte folgen. Das ist gewissermaßen kaum weniger beeindruckend, als ein beschädigtes Flugzeug sicher auf dem Hudson River zu landen − und doch denken die Leute, dass es keine große Sache sei. Schließlich machen Bloodhounds das ständig − oder etwa nicht?

      Roger Titus ist ein großer Fan der Bloodhounds, und das aus gutem Grund. Er hat im Laufe seiner langen Karriere bereits vierzehn Vertreter dieser Rasse geführt. Im Training war er mit Tausenden von ihnen unterwegs, und er ist der Vizepräsident des Nationalen Polizeibloodhound-Vereins, der „der Förderung des personensuchenden Bloodhounds“ gewidmet ist. 2012 feierte der Verein sein fünfzigstes Jubiläum. Roger ist siebzig und immer noch in der Personensuche aktiv. Mit einigem Bedauern zeichnet er den Aufstieg und langsamen Fall des Bloodhounds in der Exekutive nach. Teils ist die schwindende Beliebtheit des Bloodhounds als Diensthund einfach nur eine Frage von Zeit und Geld: Heutzutage ist jeder ein Pragmatiker. Ein Hund, dessen Fährtentalent alle anderen in den Schatten stellt, der aber sonst nichts für ein kleines bis mittelgroßes Kommissariat tut, ist nicht die erste budgetäre Wahl. Wenn ein Kommissariat einen Hund kauft, stellt Roger fest, dann einen Deutschen oder Holländischen Schäfer oder einen Malinois: Der ideale Kandidat ist ein Hund, der seinen Führer beschützen, Rauschgift finden, kurzen Fährten folgen und Menschen beißen kann. Der Nachteil: Mehrzweckhunde sind nicht automatisch großartig in allem, was sie tun. Die Woche eines Diensthundeführers und seines vierbeinigen Partners hat eine begrenzte Anzahl an Stunden, in denen all die verschiedenen Aufgaben trainiert werden können. Und selbst wenn sich ein Polizeikommissariat für einen Bloodhound entscheidet, braucht es einen besonderen Diensthundeführer, der auch tatsächlich einen will. Wenn ich direkt sein darf: Ein Bloodhound erfordert einen Beamten, der seine Maskulinität nicht über seinen Hund definiert.

      An einem herrlichen Herbstmorgen sahen Roger und ich zu, wie eine junge Bloodhündin direkt an der Personenfährte vorbeilief, die vier Stunden davor für sie gelegt worden war, und ihren ebenso unerfahrenen Hundeführer hinter sich herzog.

      „Diese Kröte!“, kommentierte Roger. Ihre ungelenken Sprünge führten sie an der Fährte vorbei. „Sie muss lernen, ihren kleinen Hintern einzubremsen und sich zu konzentrieren.“ Das Problem lag nicht nur bei der jungen Hündin: Es ist nie nur der Hund. „Ich glaube, der Junge will einen Schutzhund führen“, sagte Roger sanft und fast ohne zu werten.

      Das ist schade. Trotz all der Mythen habe ich mich in den Bloodhound verliebt. Nicht nur in seine Nase, sondern auch in den Sabber, der in großen Flocken von den Lefzen tropft, das simultane Echo der beim Schütteln gegen den Kopf klatschenden Wangen, die kirschroten Hängelider − der Preis für die prächtigen, schweren Hautfalten unter den Augen −, seinen öligen Zwingergeruch und die Art, wie er glasäugig durch einen hindurchstarrt. Und wie er zur Belohnung am Ende einer langen Fährte voller Entzücken Wienerwurstscheibchen einatmet wie ein großer, nasser Staubsauger. Später im Training brauchen gute Bloodhounds keine Würstchen mehr. Das Ausarbeiten der Fährte an sich ist die Belohnung − genau wie die Hütearbeit selbst die Belohnung für einen erfahrenen Border Collie darstellt. Das anklagende Heulen der Bloodhounds hinten auf den Ladeflächen der Pickups und in den Kofferräumen, die Basstöne verstärkt durch die metallenen Hundeboxen, klingt wie die Essenz der Hügel North Carolinas am Morgen. Bei dieser Gelegenheit will ich mit einem weiteren Mythos aufräumen: Bloodhounds folgen der Fährte nicht in Gruppen und heulen dabei wie Narren. Es ist physisch unmöglich, Geruch einzuatmen und zugleich Geräusche zu machen. Versuchen Sie mal, zu inhalieren, während Sie sprechen oder lachen! Bloodhounds werden laut, wenn sie eine Fährte verlieren und frustriert sind; finden sie die Spur wieder, verstummen sie.

      Ich habe mich auch in die Tatsache verliebt, dass Bloodhounds Persönlichkeiten haben, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten − so, wie sich das für Hundepersönlichkeiten gehört. Lass dir nichts von den FCI-Lobbyisten vormachen, die behaupten, alle Bloodhounds seien ruhig, sanftmütig und verträglich. Blödsinn. Und wie langweilig das wäre! Die Hunde sollen in der Lage sein, ausdauernd zu laufen und zu ziehen; der Hundeführer eines guten Bloodhounds sollte ein Schulter-OP-Kandidat sein, wie er im Buche steht. Manch ein dienstlich geführter Bloodhound ist alles andere als die sanfte Schlaftablette, für die er gemeinhin gehalten wird. Von einem fremden Bloodhound erwarte ich Liebe auf den ersten Blick genauso wenig wie von einem fremden Deutschen Schäferhund.

      Es ist verständlich, dass sich manch ein Bloodhound-Liebhaber wünscht, dass der Ruf seiner Rasse in der Öffentlichkeit einem harmlosen Couch-Potatoe entspräche − langsam von Begriff, sabbernd und liebenswert. Mehr noch als Hundehalter im Allgemeinen diskutieren liberale Hundemenschen wie ich häufig stundenlang bei dem verzweifelten Versuch, die byzantinische Geschichte einer Rasse, ihres Gebrauchs und Missbrauchs zu erklären, und stoßen doch auf taube Ohren. (Glauben Sie mir − ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe einen Deutschen Schäfer.) Eine bestimmte Sorte Rasseliebhaber vergeudet nutzlos Zeit damit, allen und jedem zu erklären, wie unglaublich kuschelig und freundlich eine bestimmte Rasse sei. Sie lässt sanftmütige „Rassebotschafter“ aufmarschieren, um den Ruf von Bulldoggen, Pitbulls und Staffordshire Bullterriern zu widerlegen. Den Hunden beschert dies keine schlaflosen Nächte. Es kümmert sie nicht, welchen Rang sie am jährlichen amerikanischen Hundebiss-Index einnehmen. Ganz gleich, ob sie jemanden gebissen haben − mit gutem Recht oder nicht − oder ob sie der Fährte eines Unschuldigen gefolgt sind, der dann verhaftet wurde, liegen


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