Der Geruch des Todes. Cat Warren
Dann brachten sie ihre Versuchskaninchen auf eine Wiese, die mit essentiellem Schokoladenöl präpariert worden war. Die Wissenschaftler verbanden den Studierenden die Augen und statteten sie mit Knie- und Ellbogenschützern aus. Dann ließen sie die Zweibeiner von der Leine. Würden sie, auf allen Vieren krabbelnd, der Schokoladespur folgen können? Und ob! Die Fährte, der sie folgten, erinnerte an den Zickzack-Kurs eines Fährtenhundes.
Die Wissenschaftler in Berkeley waren nicht nur von den guten Nasen der Studierenden begeistert. Anders als Ratten oder Hunde konnten die menschlichen Versuchskaninchen im Anschluss an ihre Aufgabe ausführlich befragt werden − sie konnten sogar mitteilen, auf welches Nasenloch sie sich stärker konzentriert hatten. „Menschen sind ein attraktives tierisches Modell für derartige Forschungsfragen, da sie Anweisungen folgen und über ihre Strategien zum Lösen der gestellten Aufgabe berichten können“, wie ein Artikel in der Zeitschrift Nature Neuroscience berichtet.
Glücklicherweise konzentrieren sich einige Wissenschaftler sowohl beim Erforschen des menschlichen wie auch des hündischen Geruchssinns mittlerweile auf einen wichtigen Aspekt: die Bedeutung des Trainings. Geruchswissenschaftler Avery Gilbert argumentiert schon lange, dass das geübte menschliche Hirn Gerüche anders verarbeitet und interpretiert. „Ich möchte meine Freunde in der akademischen Welt herausfordern, das flexible Verständnis von Gerüchen zu untersuchen, wo es ganz natürlich vorkommt − bei kreativen Menschen, die aktiv mit Gerüchen arbeiten. Hört auf, Studierenden in Psychologie-Labors willkürliche Aufgaben zu stellen!“
In dieser Hinsicht verhält sich Wasser wie Schokolade: Wissenschaftler an der Universität von Pennsylvania kamen in einer Studie zur Fähigkeit der Teilnehmer, Wasser zu schmecken, zu dem Schluss, dass durch gezieltes Training unsere Fähigkeit, Gerüche zu identifizieren, gewaltig steigt. Während einer Wiederholung des Schokoladenfährten-Experiments in Berkeley waren die Studierenden um beinahe zwei Drittel schneller: Sie hatten gelernt, schneller zu schnüffeln. Die Studierenden, die aus dem Klassenzimmer auf die Wiese geholt wurden, hatten begonnen, Arbeitsnasen zu entwickeln.
Seeohren, Schimmel und Schlangen. Termiten, Trüffel und TNT. Kokain und Krebs. Motten, Menschen, Melanome. Bettwanzen und Blutzucker. Paarungsbereite Kühe. Gaslecks.
Wann immer ein bestimmter Geruch in aller Munde ist gibt − illegal, gefährdet, köstlich, tödlich, aufdringlich oder gefährlich − versuchen Menschen, Hunden beizubringen, ihn zu finden − und die Liste der Gerüche wächst täglich.
Der Einsatz von Jagdhunden und ihren Nasen reicht Tausende von Jahren zurück. Auch die Suche nach vermissten Personen und Lawinen-Rettungshundearbeit wurde bereits vor mehreren Jahrhunderten begründet. Aber die explosionsartige Entstehung neuer Einsatzgebiete, die wir in den letzten vierzig Jahren für die Nasen unserer Vierbeiner gefunden haben, spiegelt nur allzu oft unsere menschliche Tendenz zu Gewalt, Sucht, Gift und Exzess wider. Die Ära des Spürhundes ist angebrochen.
Historiker, die sich mit der Geschichte des Gebrauchshundes beschäftigen, könnten darüber streiten, wann diese Ära begann. Die erste Handvoll US-amerikanischer Polizeihunde-Programme wurde Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in New York City und New Jersey entwickelt. In den folgenden Jahrzehnten entstanden Einheiten in Connecticut, Berkeley, Pennsylvania und Detroit. Bis Anfang der 50er Jahre gab es nicht einmal zwanzig Polizeihund-Programme; danach kam es zu einem rapiden Anstieg der Einheiten.
Die Expansion fiel teilweise mit der experimentellen Tierzuchtwissenschaft zusammen, die Mitte der 1960er Jahre ihren Anfang nahm und bis in die frühen Siebziger andauerte. Während des Vietnamkriegs erkannten Wissenschaftler, dass Wach- und Fährtenhunde für weitere Spüraufgaben trainiert werden konnten: Sie konnten Fallgruben und Stolperdraht finden, ganz zu schweigen von illegalen Drogen in vietnamesischen Soldatenbaracken. An der Heimatfront spekulierten Wissenschaftler, dass Hunde Bomben und Waffen aufspüren könnten. Entführungen, Bombenattentate und Mord waren in den USA im Anstieg begriffen − ein Forscher spricht von den „Leiden der 60er“.
Nicht nur in der Exekutive wurde der Einsatz der Hundenasen immer beliebter. Marcia Koenig, ein Mitglied einer der ersten freiwilligen Rettungshunde-Suchstaffeln in Seattle, verfolgte die Geschichte der freiwilligen Suchteams zurück bis zum Jahr 1962. Damals hatte der Deutsche Schäferhundeclub des Staates Washington die erste Suchhunde-Gruppe gegründet, deren vierbeinige Teammitglieder mit hoher Nase nach Vermissten suchten. Einer der Gründer, Bill Syrotuck, schrieb das kurze und präzise Buch Scent and the Scenting Dog (eines jener Bücher, die mir Nancy Hook zu lesen erlaubt hatte). Heute suchen freiwillige Rettungshundestaffeln, wann immer sie angefordert werden, in der Wildnis, bei Lawinenabgängen, im Wasser und in Katastrophengebieten. Marcia Koenig schätzt, dass es in den USA heute mehr als fünfhundert freiwillige Rettungshundeteams gibt.
Mitte der 60er Jahre war der Einsatz von Gebrauchshunden gang und gäbe, doch sollte man nicht zu sentimental sein, was die Bedeutung ihrer Verbreitung betrifft. Nicht jeder Moment, in dem ein Hund eine ihm vom Menschen gestellte Aufgabe erfüllt, ist automatisch ein Grund zum Feiern. Wir sprechen zwar von einer „Co-Evolution“ von Hund und Mensch, doch haben Hunde nicht viel zu sagen, was ihren Einsatz betrifft. Die Silbe „Co-“ erweckt einen falschen Eindruck von Gleichstellung. Tatsächlich versucht der Hund in erster Linie, uns mithilfe seiner „Werkzeugkiste an flexibler Geselligkeit, einer guten Nase und jagdlicher Expertise“ zufriedenzustellen, wie John Bradshaw, Gründungsdirektor des Anthrozoologie-Instituts an der Universität von Bristol, schreibt.
Gute Gebrauchshunde sind schnell und beweglich, hören und riechen ausgezeichnet und kommunizieren klar mit dem Hundeführer. Gelegentlich beißen sie sogar. Seit ihrer Domestikation sind sie Gehilfen, wenn Menschen Böses oder Gutes tun, und manchmal beides zugleich. Sie können eingesetzt werden, um Macht zu festigen oder zu pervertieren. Sie können der Spur eines Sklaven, eines verirrten Kindes und eines Vergewaltigers folgen, ohne einen Unterschied zwischen den dreien zu machen. Sie können dabei helfen, eine friedliche Bürgerrechtsdemonstration niederzuschlagen oder eine randalierende Menschenmenge zu kontrollieren. Menschen schaffen Probleme, und Gebrauchshunde sind an ihrer Seite. Derzeit setzen wir Hunde im Nahostkonflikt und in Südasien ein, um Bomben zu finden und die gegen uns kämpfenden Gruppen zu kontrollieren. Wenn Boas und Pythons zu groß für ihre Terrarien in Florida werden, setzen die Reptilienliebhaber sie in den Everglades aus, und wir nutzen Hunde, um sie zu finden, bevor sie die dort heimischen Wildtiere dezimieren. Hunde helfen uns auch, Schmuggelware und Handys in unseren riesigen Gefängnissen aufzuspüren.
Obwohl uns Gebrauchshunde seit zehntausenden Jahren bei der Arbeit unterstützen, beschäftigt sich die akademische Forschung erst seit relativ kurzer Zeit damit, was diese Hunde tun − und wie sie das machen. Die olfaktorischen und kognitiven Talente eines Hundes im Labor mit einigen wenigen, kaum trainierten Familienhunden zu erforschen, ist alles andere als ideal. Arbeitshunde werden in der Vorstellungskraft der Menschen zwar häufig überschätzt, in der Wissenschaft hingegen unterschätzt − doch das ändert sich derzeit rapide. Nichtsdestotrotz wurde bisher der Großteil der Forschung hinsichtlich Kognition und Geruchsvermögen an Familienhunden durchgeführt − das heißt, an Haustieren, die Gehirn und Nase nicht einsetzen, um ihr täglich Brot zu verdienen.
Die Wissenschaftler in Berkeley holten Studierende aus dem Psychologielabor auf die Wiese, um einer Fährte zu folgen, Avery Gilbert motivierte Neurobiologen, die Küche eines berühmten Kochs oder das Labor eines meisterhaften Parfümeurs zu besuchen, um zu verstehen, wie Menschen Geruch verarbeiten, und manch ein Gebrauchshunde-Experte versucht, Psychologen und Neurobiologen zu überzeugen, arbeitende Vierbeiner zum Gegenstand ihrer Forschung zu machen.
Edward Thorndike, der Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als Präsident der American Psychological Association fungierte, war einer der Ersten, die das Problemlöseverhalten des Hundes wissenschaftlich untersuchten. Er setzte Hunde und Katzen in „Problemkäfige“ (Vorläufer der Skinner-Box) und beobachtete sie beim Finden des Auswegs. Aus der enttäuschenden Leistung beider Spezies schloss Thorndike, dass einzig und allein operante Konditionierung, nicht aber unabhängige kognitive Fähigkeiten den Tieren halfen, aus dem Käfig zu entkommen. Diese Meinung hielt sich in der Forschungsgemeinschaft über ein Jahrhundert lang. „Aufgrund