Feuer und Blut. Tom Buk-Swienty

Feuer und Blut - Tom Buk-Swienty


Скачать книгу
im südwestlichen Algerien ein und machte Jagd auf den arabischen Freiheitskämpfer Abd el-Kader, einen ungewöhnlich tüchtigen Strategen und Militärführer, und seine Tausende von Reiterkriegern. Tatsächlich sollte A.W. Dinesen in einem der gefährlichsten Momente seines Lebens Abd el-Kader von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Aber – wieder zurück nach Katholm.

      Nach seiner Teilnahme an der schrecklichen und blutigen Belagerung der Festungsstadt Constantine im Südosten Algeriens – ein Kampf, der zum Fall der Stadt führte und Tausende von Menschenleben kostete, darunter auch das vieler Zivilisten – eilte A.W. Dinesen zurück nach Dänemark. Er kam als hochdekorierter Held nach Hause. Aber kurz nach seiner Ankunft überrumpelte er alle in seiner Umgebung mit dem Kauf von Katholm Gods und dem Vorhaben, künftig als Gutsherr auf dem Lande zu leben, anstatt seine militärische Karriere weiterzuverfolgen.

      Die Begegnung mit den Arabern am Rande der Sahara hatte einen unauslöschlichen Eindruck bei A.W. Dinesen hinterlassen, und hierin liegt auch einer der Gründe dafür, dass er seine militärische Karriere nicht fortsetzte. Die Araber, die er als kultivierten, leidenschaftlichen und freien Menschenschlag schätzen gelernt hatte, hatten ihn dazu bewogen, einige der grundlegenden Werte der westlichen Zivilisation zu hinterfragen. Wo auch immer die Franzosen in Nordafrika auftauchten, hatten sie um sich herum Tod und Unheil verbreitet, und mit welchem Recht taten sie dies? Trotz seines Ungestüms und der Sehnsucht nach Kanonendonner, Ehre und Auszeichnungen hatte die Zerstörung, deren Zeuge er in der »Barbarei« geworden war, abstoßend auf ihn gewirkt. Er kam daher für sich persönlich zu dem Schluss, dass das Leben nicht nur aus geschwungenen Säbeln, Uniformen und la gloire bestehen konnte.

      Er entdeckte, dass zum Leben auch die Magie gehört, die darin besteht, mit dem geschriebenen Wort zu arbeiten. Und so wurde A.W. Dinesen nicht nur der erste Offizier in seiner Familie, sondern auch ihr erster Schriftsteller. Die Handvoll Familienbriefe aus seiner Feder zeigen ihn als gut formulierenden Autor mit Gespür für malerische Details. So schrieb er zum Beispiel an seine Schwester Augusta von seiner Jugendreise durch Italien mit Hans Christian Andersen: »Als die Sonne unterging, drehten wir in einem kleinen Boot eine Runde auf dem See und genossen dies wie seit der Reise von Genua nicht mehr. Es ist ein seltsamer Anblick, wie der südliche Himmel die Berge dunkelblau färbt, und als die Sonne im See versank, stand alles in Flammen.«

      Nach seiner Heimkehr aus Algerien beschloss A.W. Dinesen, über seine Erlebnisse in Nordafrika ein Buch zu schreiben. Es erschien 1840 unter dem Titel Abd el-Kader und die Beziehungen zwischen Franzosen und Arabern im nördlichen Afrika. In dem Buch demonstrierte A.W. Dinesen, dass er die scharfe Beobachtungsgabe eines guten Journalisten und Offiziers besaß. Während des Feldzugs hatte er sich fleißig Notizen gemacht. Außerdem hatte er über die vielen Kämpfe, in welche die französischen Truppen seit Anfang der 1830er Jahre gegen Abd el-Kader verwickelt waren, Dokumente und Zeugenaussagen von herausragenden Offizieren gesammelt.

      Das Buch war eine Huldigung an die Araber und insbesondere an den Emir, der versuchte, die Araber im Kampf gegen die Franzosen zu einer gemeinsamen Nation zu vereinen. A.W. Dinesen beschrieb den Emir folgendermaßen: »Er führt seine Waffen und lenkt sein mutiges Streitross meisterhaft. Seine Bewegungen sind frei und leicht.«

      Es war das erste Porträt von Abd el-Kader. Das Buch wurde ins Französische und ins Deutsche übersetzt und gilt bis heute als eine der Hauptquellen für den frühen französischen Kolonialkrieg in Algerien. Es ist allerdings schwierig zu entscheiden, ob A.W. Dinesen mit dem Buch noch andere Ambitionen verfolgte, als seine ungewöhnichen Erlebnisse in Algerien weiterzugeben und sich auf diese Weise auch als Zivilisationskritiker hervorzutun. Hatte er Ambitionen, ein Schriftsteller großen Stils zu werden?

      Die einzige klare Antwort ist, dass er trotz seines stilistischen Talents kein Vollblutschriftsteller war. Dazu besaß er zu viel rastlose physische Energie und Handlungskraft, und dies ist wohl auch der entscheidende Grund dafür, dass er Gutsbesitzer anstatt General wurde. Ohne Zweifel fühlte er sich seinem Großvater, Anders Dinesen, stark verbunden, dem Gründer des Geschlechts. Denn mit dem Kauf von Katholm Gods gab der Artillerist A.W. Dinesen seinem Leben eine erhebliche Wendung, schließlich lagen Welten zwischen dem Kasernenleben in der Sølvgade in Kopenhagen und dem Leben als Gutsherr auf Katholm Gods.

      Man weiß nicht, warum A.W. Dinesen ausgerechnet Katholm kaufte, das im Vergleich zu Seeland, wo er aufgewachsen war, und dem Kopenhagener Machtzentrum an der Peripherie lag. In den 1830er Jahren bis weit in die 1840er Jahre, in denen es in Dänemark noch keine Eisenbahnen gab und man die Belte typischerweise immer noch mit Segelschiffen überquerte, dauerte es viele Tagesreisen, um von der dänischen Hauptstadt in die abseits gelegene Region Djursland zu kommen. Mit Sicherheit allerdings wissen wir, dass er den gesamten prächtigen Herrensitz zum Spottpreis von 100 200 Reichstaler bekam, weil das Anwesen trotz seines charmanten Äußeren aus einer Konkursmasse stammte.

      Es waren durchgreifende gesellschaftliche Umwälzungen, die den Preissturz und den wirtschaftlichen Niedergang von Katholm ausgelöst hatten. Durch die Landwirtschaftsreformen Ende des 18. Jahrhunderts sollte der Frondienst langsam abgeschafft werden, aber dieser Prozess kam aufgrund der internationalen Agrarkrise nach den Napoleonischen Kriegen 1804–1815 lange Zeit nicht richtig in Schwung. Für viele dänische Bauern war Fronarbeit bis weit ins 19. Jahrhundert Realität. Sie konnten es sich nicht leisten sich freizukaufen, und der Gutsbesitzer konnte es sich nicht leisten, den Grund und Boden zu günstigen Bedingungen zu veräußern. Überall in Europa, auch in Dänemark, mussten viele der in früheren Zeiten grundsoliden Güter zwangsversteigert werden.

      Im Jahr 1813 wurde Katholm von einem Kaufmann aus der Gegend namens Herman Leopold Reiningshaus erworben, aber es gelang ihm nie, einen Kaufvertrag für das Grundstück zu bekommen, denn er war nicht einmal in der Lage, die Steuern für das Gut zu bezahlen. So ging das Gut in den Besitz des Staates über. 1818 kauften zwei Bürgerliche, die Schwäger Niels Jørgensen und Jacob Bergh Secher, Katholm. Fähige Männer, die beide, so wird in einer zeitgenössischen Darstellung hervorgehoben, Studenten waren. Sie machten sich mit Feuereifer an die Sache. Die Schwäger brachten die Bauern dazu, die zahlreichen versumpften Teiche, versandeten Heideflächen und mageren Wiesen in der Umgebung des Gutes urbar zu machen. Aber die Schwäger schwangen nicht nur die Peitsche, sie forderten von ihren Zinsbauern auch hohe Pachtzinsen, die sogenannte Landgilde.

      Aus einem zeitgenössischen Bericht des Amtskreises geht hervor, dass »insbesondere auf Katholm Gods der Frondienst äußerst bedrückend ist ... die Bauern sind verarmt und in Mutlosigkeit verfallen, sie vermögen kaum, sich aus der Machtlosigkeit zu erheben, in die sie herabgesunken sind«. Nicht lange, und die Gläubiger klopften ans Tor. Die beiden Schwäger waren hoch verschuldet und konnten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Katholm war erneut zu einem Konkursobjekt geworden und kam wieder in Besitz des Staates, der darauf wartete, dass eines Tages der richtige Käufer auftauchen würde. Und dieser kam in Gestalt von A.W. Dinesen.

      Aber dennoch, 100 200 Reichstaler waren ein kleines Vermögen, und der Kauf eines Konkursobjekts ein etwas riskanter Einsatz, wenn man die immer noch erbärmliche landwirtschaftliche Konjunktur in Betracht zog. A.W. Dinesen, der den größten Teil des Geldes, das er nach dem Tod seines Vaters Jens Kraft Dinesen 1827 geerbt hatte, auf seinen vielen Reisen ausgegeben hatte, musste sich für den Kauf von Katholm obendrein bis über beide Ohren verschulden.

      Wenn er sich Hoffnungen machen sollte, dem Landgut wieder auf die Beine helfen zu können, musste er sich ganz und gar darauf konzentrieren. Deshalb nahm er nach dem Kauf des Anwesens seinen Abschied vom Heer. So gesehen war A.W. Dinesen ein Glücksritter, und es erwartete ihn ein Ritt, den er gerade aufgrund der geringen Aussicht auf Erfolg in vollen Zügen und aus seinem ganzen Wesen heraus genießen sollte.

      Auch wenn A.W. Dinesen nicht mehr auf der Soldliste des dänischen Militärs stand, sondern, wie man es nannte, à la suite gestellt worden war, schien dennoch mit dem Einzug des neuen, hyperaktiven, jungen Gutsbesitzers auf Katholm Gods tatsächlich so etwas wie ein General in die Gegend gekommen zu sein.

      Und er kam nicht allein.

      3

      Der militärische Berater König Frederiks VI. während der Napoleonischen Kriege, der unverheiratete General und Gutsbesitzer Wolfgang von Haffner


Скачать книгу