In irrer Mission. Bernt Danielsson

In irrer Mission - Bernt Danielsson


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hat das behauptet? Irgend so ein Direktor von der SAS, den dein Vater kennt, was?“

      „Ich weiß nicht mehr. Ich habe es irgendwo gelesen.“

      „Ja, ja, bestimmt in so einem Revolverblatt. Wer das sagt, muss sturzbetrunken sein. Ha, sturz – hast du gehört. Genau ... Sturzflughafen müsste es heißen ...“

      Er trank sein Glas aus, stand schnell auf, blieb dann stehen und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. „Verdammt!“

      „Was ist denn?“

      „Du hattest Recht. Die Elefanten.“

      „Die Elefanten?“

      „Mhmm ... Die dänischen Elefanten. ... Jesses. Das hätte ich nicht gedacht. Aber ich trinke ja sonst nie Bier, deswegen ...“

      Er nahm seinen Trenchcoat vom Stuhl, machte einen Ausfallschritt, konnte ihn jedoch parieren, indem er sich auf den Stuhl am Nebentisch stützte. Er ließ vorsichtig los und testete gewissermaßen, wie sicher er stand, ehe er losging.

      „Die Tasche“, sagte ich ruhig, stand auf und hängte meine Schultertasche um.

      „Ja, verdammt! Oh ... das wär’s gewesen, was?“ Er drehte sich um und nahm die Aktentasche. „Los Apparillos auf dem Flugplatz stehen lassen. Kannst du dir vorstellen, was Lena sagen würde ... Was für ein Glück, dass du dabei bist ... In welche Richtung müssen wir?“

      „Dorthin.“

      „Vorwärts, mein bester Kamikaze-Passepartout, vorwärts!“

      Am Gate saßen die British-Airways-Passagiere und warteten. Unruhig schaute ich sie an und erwartete fast, das zerknitterte Gesicht von Beppo, der Morchel, zu sehen.

      Ich hatte sie nicht mehr alle, diese BEDA-Typen waren mir zu Kopf gestiegen, dachte ich. Auch wenn es ihnen gelungen war – wie unwahrscheinlich es auch schien – die Nummer zurückzuverfolgen, weil Schröder den Hörer abgenommen hatte, so würde es doch einige Zeit dauern, bis sie eine Adresse herausbekamen. Oder nicht? Und auch wenn sie das wider alle Erwartungen mitten in der Nacht geschafft haben sollten, so konnten sie doch wohl kaum wissen, dass wir ausgerechnet mit diesem Flug flogen. Wenn sie nicht ... Mir wurde wieder heiß & kalt. Wo hatte Schröder den Notizblock hingelegt? Nachdem er die Abflugzeit und die Flugnummer aufgeschrieben hatte? Hatte er den Zettel mitgenommen? Ja? Und wenn wirklich jemand in der Küche gewesen war?

      Sie hätten ja dem Taxi folgen können ...

      Keiner der wartenden Passagiere sah besonders verdächtig aus. Was heißt verdächtig – tja, ihr wisst, was ich meine. Typig eben. Überhaupt nicht.

      Ich hatte Gelegenheit, sie mir noch mal genau anzuschauen, als alle aufstanden und sich zum An-Bord-Gehen anstellten. Die Euro-Class-Passagiere (wir waren zu viert) blieben natürlich sitzen und gingen zuletzt an Bord.

      Ich konnte nichts Verdächtiges feststellen und beschloss zu versuchen, ein bisschen erwachsen zu sein und die Fantasie nicht ständig mit mir durchgehen zu lassen.

      Schröder mit Flugangst gefiel mir richtig gut, er war ungewöhnlich still – trotz der dänischen Elefanten. Oder vielleicht dank ihrer. Sobald wir uns gesetzt hatten, holte er seine Ray-Ban-Brille heraus und setzte sie mit einem etwas merkwürdigen, entschuldigenden Lächeln auf. Er wollte, dass ich die ganze Zeit redete, besonders als das Flugzeug in Startposition fuhr und einen Moment stehen blieb, bevor es Tempo machte.

      Als der Pilot Gas gab und dieses Ziehen im Bauch kam, sah ich, wie Schröders Handgelenke weiß wurden, so fest hielt er sich an der Armlehne fest. Er starrte bewegungslos auf den Stuhl vor sich. Als wir oben waren und die Stewardessen sich in den Gängen bewegten, bestand er darauf, Champagner zu bekommen und bekam ihn auch. Danach wurde er wieder gesprächiger und schien sehr erleichtert.

      „Das wir wieder mal nicht runtergefallen sind ... Die Zeit der Wunder ist noch nicht vorbei. Hast du übrigens gesehen, wie der Typ heißt?“

      „Was?“

      „Der El Apparillo bekommen soll.“

      „Ich habe den Brief überhaupt nicht anschauen dürfen.“

      „Ojojoj, du Ärmster.“ Er holte den Umschlag aus der Innentasche. „Dann schau halt. Was für ein Name.“

      Er deutete auf den Brief und mitten auf der Seite stand:

      Annraoi Robinson.

      „Annraoi?“

      „Das muss man Henri aussprechen, auf Französisch, behauptet Lena jedenfalls, aber weiß der Teufel. Warum buchstabiert man es nicht, wie man soll, oder können die Iren nicht buchstabieren?“

      „Die Iren?“

      „Ja, er ist Ire.“

      „Woher weißt du das? Schreibt sie das?“, fragte ich und machte eine Andeutung, dass ich ihm den Brief aus der Hand nehmen wollte.

      Er schlug mir mit dem Brief auf die Hand und steckte ihn schnell wieder in den Umschlag.

      „Es ist besser, wenn du nicht zu viel weißt, Kevin, mein Kleiner.“

      „Stell dich nicht an.“

      „Ich stell mich überhaupt nicht an. Hab ich übrigens erzählt, dass Chandler ausgecheckt ist?“

      „Was? Wo denn?“

      „Wo? Ja, gute Frage. Eine verdammt gute Frage!“

      „Wie meinst du das?“

      „Er ist tot. Il moerte. Dahingeschieden. Kaputt. Finito.“

      „Hör auf.“

      „Nein, das stimmt.“

      „Aber wie ... ich meine ...“

      „Hatte wohl genug.“

      „Und wann?“

      „Also, genug hatte er wohl schon vor ein paar Jahren, er war ja schon ein bisschen klapprig, als ich ihn aufgenommen habe. Und dann bekam er auch noch Hundekrebs im Kopf.“

      „Hundekrebs?“

      „Genau.“

      „Es gibt doch wohl keine Unterschiede bei Krebs.“

      „Und woher willst du das wissen? Wer ist denn hier der Doktor?“

      „Aber Krebs ist doch Krebs, auch wenn ein Hund ihn bekommt, oder?“

      „Willst du dich noch länger darüber streiten? Bis wir abstürzen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Er bekam also Hundekrebs und dann ... Tja, eines Morgens im April, als ich versuchte ihn zu wecken, reagierte er überhaupt nicht auf die Tritte.“

      „Die Tritte?“

      „Ich habe ihn morgens immer getreten. Er hatte so einen tiefen Schlaf.“

      Ich war immer noch nicht sicher, ob er die Wahrheit sagte und versuchte seinen Gesichtsausdruck zu deuten, aber das ging nicht. Er sagte es irgendwie so emotionslos, dass ich es fast nicht glauben konnte, aber gerade das sprach dafür, dass er die Wahrheit sagte.

      „Ähm ... wie ... traurig“, sagte ich schließlich unsicher, nahm ein paar Erdnüsse und trank einen Schluck Coca-Cola.

      „Das weißt du doch gar nicht. Es geht ihm vielleicht supergut. Im Hundehimmel. Prost Chandler!“, sagte er und hob das Glas und schaute nach oben. „Na klar. In dieser Höhe braucht man vielleicht nur aus dem Fenster zu schauen.“ Er beugte sich über mich und schaute über die weiße, sonnenbeschienene Berglandschaft aus Wolken. „Ich komme bald, Chandler, mein Guter!“

      Ich schaute mich um und war dankbar, dass nur noch zwei andere Passagiere in der Euro-Class-Abteilung saßen. Es waren gestriegelte und blank geputzte Japaner, die in eine leise geführte Diskussion vertieft waren.

      „Und der Tod kommt selten allein ...“, murmelte Schröder.

      „Was?“

      „Der


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