In irrer Mission. Bernt Danielsson

In irrer Mission - Bernt Danielsson


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klar weiß ich, wer das ist, Monsieur Raymond Fogg“, sagte ich und Schröder hob die eine Augenbraue und machte eine kleine Grimasse.

      „Zum Teufel auch. Richtig belesen, der Junge.“

      Ich sagte natürlich nicht, dass ich „Reise um die Welt in achtzig Tagen“ nur als Fernsehserie gesehen hatte und nie Jules Vernes gleichnamiges Buch gelesen hatte.

      Ich war darauf eingestellt, mit Schröder absolut nirgendwohin zu fahren – und schon gar nicht nach London. Was für ein Gedanke. Außerdem war ich enttäuscht und sauer auf Lena, die mich in dem Brief nicht einmal erwähnt hatte.

      Nicht das kleinste Dankeschön für meine Hilfe. Und noch saurer wurde ich, als mir klar wurde, dass sie von vornherein nicht vorhatte, dass ich das mit dem Apparillo machen sollte, sie hatte mich erst angerufen, als es „Probleme gab“, wie sie sich ausdrückte. Als allerletzten Ausweg gewissermaßen. Und dann hatte sie schnell meinen Namen auf den Zettel geschrieben, ehe sie die Schachtel zuklebte. Das gefiel mir überhaupt nicht. Ich fühlte mich ganz einfach angeschmiert – ich war monatelang mit dem Gefühl herumgelaufen, dass sie speziell mich ausgewählt hatte, weil sie ... weil sie mich mochte und mir vertraute und so ...

      Und dann war es doch wieder wie immer: Schröder überredete mich.

      Es war nicht mal schwer.

      El Apparillo sollte offenbar einem Professor übergeben werden, der Henri Robinson hieß. Schröder sprach den Vornamen französisch aus.

      „Was ist das denn für ein Professor?“

      „Keine Ahnung. Sehr merkwürdiger Name.“

      „Henri Robinson?“

      „Genau.“

      „Das ist doch nicht besonders merkwürdig.“

      Er schaute von seiner Lektüre auf. „Nee, nee, ja, ja. Dann eben nicht, du elender Besserwisser.“ Er las weiter, ich beugte mich vor, um auch sehen zu können, was da stand. Da zog er den Brief weg und richtete sich auf. „Dieser Brief ist an mich, du neugieriges kleines Hundebaby!“ Ich hob entschuldigend die Arme und lehnte mich zurück. Schröder las weiter. „Er ist auf jeden Fall irgendein verdammter Importante-Typ und soll dafür sorgen, dass der Apparillo in die richtigen Hände kommt. Und bla bla bla ... ja, ja. Du weißt schon. Blaha, blaho. Same old, same old, gewissermaßen. Von wegen déjà-vu! Aber – okay.“ Er schlug mit den Handflächen auf den Tisch. „Dann hauen wir also ab nach London. Los!“

      Ganz so einfach, wie Schröder es sich vorstellte, war es natürlich nicht. (Wie könnte es auch?) Ich meine, man kann nicht einfach zum Flughafen rausfahren und mitten in der Nacht in ein Flugzeug steigen.

      „Und warum nicht?“

      Vor allem, weil nachts keine Flugzeuge nach London fliegen.

      „Meinst du nicht? Da gehen keine night-flights?! Da müssen welche gehen. Her mit El Telefonobookos!“

      Der Apparillo gab einen Laut von sich, der der Schröderschen Bleep-Imitation erstaunlich ähnlich war. Ich zog ihn raus und stöpselte unser Telefon wieder ein, während Schröder die Telefonnummer von British Airways suchte.

      Da war natürlich nur ein automatischer Anrufbeantworter dran.

      „Bürozeiten! Was ist das bloß für eine Dritte-Welt-Kloake?! Wir versuchen’s dann eben beim Arlanda International Airport. Bei einem solchen Namen muss doch rund um die Uhr das Leben pulsieren.“

      Schröder wählte wieder. Auch da war natürlich bloß ein Anrufbeantworter. „Man kann wahrscheinlich froh sein, wenn wenigstens die Anrufbeantworter keine Bürozeiten haben. Aber! Warte ...“

      Er fand die Nummer von einem Büro in London und von dort wurde das Gespräch direkt nach New York weiterverbunden. Das machte ihn etwas fröhlicher. „Was für international connections! New York!“ Er holte tief Luft, wedelte mit den Armen und grölte eine Melodie, die ich zu kennen glaubte: „And if I make it there, I’ll make it any ...“

      Er unterbrach sich erschrocken. „Ähm ... Hallo?“

      Mit seinem merkwürdigen spanischen Akzent versuchte Schröder zu erklären, was er wollte. „Viertel vor acht am Morgen? Gibt es keine zivilisiertere Fluggesellschaft, die – Entschuldigung? ja, ja, – Si, comprende. Aber wann geht das letzte noches-Flugzeug? Viertel nach sechs?! Am Nachmittag? Inkredibel. Ja, ja.“

      Schließlich beruhigte er sich, buchte zwei Plätze für den Morgenflug, es gab natürlich nur welche im Club Europe, das war bei der British Airways die Entsprechung zur Euro Class. „Pfui Diabolo! Wie viel ist das in Swedish Piasters, können Sie das sehen? Okay, okay. Reinste Erpressung. Gib den Plastikexpress her, Kevin!“ Ich gab ihm die Karte und er las langsam die lange Nummer vor. „Que? Right, right.“

      Er wedelte mit den Armen und machte ein paar übertriebene Gesten, die bedeuten sollten, dass er etwas zum Schreiben brauchte. Ich holte den kleinen Spiralblock aus der Schale und nahm sicherheitshalber einen anderen Stift, es war ein Kuli, auf dem „Eigentum der Finanzverwaltung“ stand.

      Schröder kritzelte Flugnummer und Abflugzeit auf dem Block.

      „Japp. Tank you. Tank you.“

      Er verbeugte sich tief und legte auf.

      „Es heißt thank you.“

      „Ich habe es auf Irisch gesagt, hast du das noch nicht gehört?“

      „Gälisch, meinst du?“

      „Sei kein solcher Bessermeister, Kevin. Glaub bloß nicht, dass du alles weißt. Sei nicht so wie die stupiden Popgrößen, die man ständig im Fernsehen sieht. Es war irisches Englisch, ganz einfach.“

      „Tsss.“

      „Doch, das stimmt. Es kommt oft vor, dass die Probleme mit dem th-Laut haben, weißt du? Nicht alle Iren natürlich, aber viele.“

      „Tsss.“

      „Wollen wir schon wieder damit anfangen? Ich meine, diesen Dialog schon mal gehört zu haben. Wenn du dich so elegant ausdrückst. Na, auch egal.“ Er schaute den Kuli an. „Diebesgut. So so.“

      „Pah.“

      „Was heißt hier ‚pah‘? Den hat bestimmt dein Alter geklaut. Aber ich wette drauf, er richtet sich zu seiner ganzen Länge auf und haut mit der Faust auf die Schwelle, wenn er in der Zeitung liest, dass Politiker ihre Kreditkarten missbrauchen. Und selbst ist er um kein Jota besser.“

      „Das kann man doch nicht vergleichen ...“

      „Und ob man das kann. Heute ein Kuli, morgen eine Reise nach Hawaii.“

      Er holte seinen Mantel und zog ihn mit seinen fuchtelnden, windmühlenartigen Bewegungen an. „Dass es doch noch geklappt hat, was?“ Er hüpfte ein paar Mal mit beiden Beinen, während er die Arme vom Körper wegstreckte. „So, jetzt sitzt er gut.“ Er ging in die Diele und zog seine Cowboystiefel an. „Man ist schon ziemlich unglaublich ... Ich bin von Tag zu Tag mehr beeindruckt. Ich muss jetzt zu Hause vorbei. Ich nehme El Apparillo mit und verpacke ihn ordentlich. Und dann rufe ich Americanos Expressos an und frage, was die Karte für einen Kreditrahmen hat. Da gibt es doch eine Grenze, nicht wahr. Und da Lena meistens geizig ist, ist der Kredit bestimmt schon finito. Ticketpreise haben die! Du kannst noch ...“ Er schaute auf seine Armbanduhr. „... genau drei Stunden und dreiundzwanzig Minuten schlafen. Buenas noches, amigo!“

      Ich schlief tatsächlich fast noch zwei Stunden.

      Immerhin.

      Als Schröder gegangen war, erwartete ich, Bogarts dröhnendes Motorengeräusch zu hören, aber es kam nicht. Ich schaute hinaus. Es war noch sehr dunkel, aber ich sah immerhin, dass das Gartentor geschlossen und die Straße leer war. Er ist wohl gegangen, dachte ich und beschloss zu packen, ehe ich mich hinlegte.

      Während ich das tat, fragte ich mich wieder, wie es eigentlich um mich bestellt war und warum es immer lief, wie es lief, sobald ich Schröder traf. Ich hatte


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