In irrer Mission. Bernt Danielsson

In irrer Mission - Bernt Danielsson


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fragte Schröder erstaunt und hörte mit seinem Kaffeegemaule auf. Er machte nicht einmal die Schranktür zu, sondern kam zu mir und starrte die schwarze Schachtel an. „Warum habt ihr den Anrufbeantworter im Blumenbeet vergraben? Wozu soll das gut sein? Das hab ich mit meinem noch nicht versucht ...“

      Ich warf ihm einen müden und hoffentlich strafenden Blick zu, während ich den Stromstecker vom Apparillo in die Steckdose steckte. Ich drückte auf einen roten Knopf und eine kleine rote Lampe ging an.

      „Mit eingebauter Lampe und allem“, sagte Schröder. „Ich bin wirklich beeindruckt, Kevin. Aber was soll jetzt passieren? Spielt der gleich ein Liedchen. Vielleicht Mozarts Flötenkonzert in E-Dur? Und was ist das überhaupt für ein verdammter Apparillo?“

      „Ich weiß es auch nicht genau“, sagte ich und war etwas erstaunt.

      Der Apparillo schaltete ein paar Mal und nach einer kurzen Pause begann er leise zu surren. Schröder legte eine Hand hinters Ohr und beugte sich runter.

      „Nein, absolut kein Mozart. Möglicherweise eine moderne Interpretation des Brausens der Wasserfälle von Avesta, aber das klingt mehr wie mein neuer Kühlschrank.“

      Er verschränkte die Arme und lehnte sich an die Spüle, nahm den Zettel und las die erste Zeile. „An der Überschrift hat sie lange gefeilt ...“ Er lehnte sich noch weiter zurück und begann zu lesen. Nach einer Weile schaute er den Apparillo an, dann unser Telefon und schließlich starrte er intensiv die Buchse an der Wand an.

      „Punkt für Punkt galant ausgeführt, Kevin“, sagte er säuerlich.

      „Ich bin ja so stolz auf dich.“

      „Hör auf. Lies weiter“, sagte ich und verschränkte meinerseits die Arme.

      Er zuckte mit den Schultern und nahm wieder den Zettel. Genau in diesem Moment klingelte das Telefon. Wir zuckten beide zusammen und schauten uns an.

      Schröder nahm den Hörer ab.

      „Nein!“, schrie ich und stürzte mich auf ihn. „Verdammt, kannst du nicht lesen?!“ Ich riss ihm den Hörer aus der Hand und legte wieder auf.

      „Ich bin noch nicht fertig ...“

      Ich zeigte mit einem wütend zitternden Zeigefinger weiter unten auf das Blatt, wo stand, dass ich

      absolut nicht

      abnehmen sollte, wenn das Telefon während der fünfundzwanzig Minuten, in denen es angeschlossen war, klingelte.

      „Verdammt ...“ Er kratzte sich mit schabendem Geräusch unter dem Kinn. „Aber ich habe wenigstens nichts gesagt.“

      „Das nützt vielleicht nichts“, sagte ich und spürte wie sich ätzende Panik irgendwo in der Magengegend breit machte. Ich hatte das seit einem halben Jahr nicht mehr gespürt und vergessen, wie widerwärtig es sein konnte. Es war, als ob ein scharf geschliffenes Pendel da drinnen hin- und herschwingen würde.

      „Wie, nützt nichts?“

      „Der Grund, warum er hier installiert ist, ist natürlich der, dass niemand diese Nummer kennt, und darum können sie auch die Funktionen nicht aufspüren.“

      „Was zum Teufel fantasierst du da?“

      „Dieser Apparillo ist gerade damit beschäftigt, die kompletten Informationen aus einer gigantischen Datenbank abzuziehen. Aber wenn sie die Nummer aufspüren, können sie auch den Prozess stoppen und vor allem können sie ihn bis hierher verfolgen. Und deswegen sollte ich es machen.“

      „Damit sie ihn bis hierher verfolgen können?“

      „Damit sie es nicht können, selbstverständlich!“

      „Oh! Lena und ihre verfluchten Computerapparillos, also wirklich! Und muss sie ständig dich da hineinziehen? Sie hätte doch mich bitten können, es zu machen.“

      „Dich kennen sie, sagte sie, das sei genauso schlimm.“

      „Mich kennen sie?! Zum Teufel aber auch. Wie ausgesprochen unangenehm.“

      Ich zuckte mit den Schultern und spürte, wie eine sogartige Unruhe sich vom Bauch aus spiralförmig nach oben drängte. Wenn sie die Nummer bis hierher verfolgen können? Und was, wenn Schröder alles kaputtgemacht hatte? Was würde dann passieren?

      3

      Espresso Aschico & Americanos Expressos

      „Ach was, die haben das nicht hierher verfolgen können, Kevin. Reg dich ab. Das war bestimmt bloß ein Kontrollanruf von deiner Mami, ob du schon schläfst ...“ Schröder grinste kurz und las weiter und drehte dann das Blatt um. „Aha. Und ich soll auch alles Mögliche erledigen, sehe ich. Ich habe sie so satt, diese Lena!“

      „Zeig her“, sagte ich und riss wütend das A4-Blatt an mich.

      Doch, er hatte Recht. Auf der Rückseite stand, ich solle den Apparillo Schröder übergeben. Davon hatte Lena nichts gesagt. Aber klar, sie hoffte ja, dass es nicht nötig sein würde, damals, als ich ihn bekam. Aber ich war irgendwie doch enttäuscht, und dieses Gefühl verstärkte sich noch, als ich sah, dass da auch ein Umschlag festgeklebt war, auf dem einfach Für Raymond stand. Ich riss ihn ab und reichte ihn Schröder rüber und sah vermutlich ziemlich verbiestert aus.

      „Danke. So freundliche Briefträger trifft man nicht alle Tage.“ Er schaute den Umschlag zerstreut an und steckte ihn dann in die Jackentasche. „Aber was zum Teufel ist nun mit dem Kaffee, habt ihr nichts Trinkbares im Haus?“

      Ich schloss die Schranktür, die er aufgemacht hatte, öffnete die daneben und streckte mich nach einem Glas Lavazza Espresso Italiana Schnellkaffee. Warum bin ich bloß so sauer?, dachte ich. Als Schröder das Glas sah, erhellte sich sein Gesicht. Er drehte sich herum, nahm den erstbesten Topf, füllte ihn mit Wasser und machte die Schnellkochplatte an.

      „Wie wär’s, wenn du mir jetzt mal etwas genauer erklären würdest, was das Ganze soll.“

      „Ich weiß nicht viel mehr, als ich erzählt habe“, sagte ich.

      „Unglaublich“, stöhnte er und schälte sich aus seinem alten, langen Mantel, mit den gleichen übertriebenen, windmühlenartigen Bewegungen wie immer. Es gelang ihm wenigstens, nichts runterzufegen. Er knäulte ihn zusammen und warf ihn in Richtung einer der Küchenstühle, auf dem er auch perfekt landete. „Kannst du mal sehen, du alter, abgedankter Handballer.“ Er richtete das braune, einreihige Jackett und bürstete den Aufschlag mit den Hand ab. „Hundert Prozent reine Kaschmirwolle. Schick, nicht wahr? Wie sieht’s aus, spielst du immer noch Handball?“

      „Nicht mehr so oft“, sagte ich und zuckte mit den Schultern.

      „Das ist gut“, sagte er und setzte sich. „Wenn man was im Kopf hat, dann sieht man irgendwann ein, dass man nicht sein Leben lang mit Bällen herumtollen kann, oder?“ Er steckte die Hand in die Jackentasche und holte seine unvermeidlichen Gitanes heraus. „Dazu ist das Leben viel zu kurz, wir müssen es veredeln, damit es schön und reich wird, um Schopenhauer zu zitieren.“

      „Schopenwas?“

      „Schopenhauer, der alte Spaßvogel. Hast du nie von ihm gehört? Du kannst mal ein Buch von mir geliehen bekommen, damit du dich ein bisschen bilden kannst. Es wird langsam Zeit, dass du etwas anderes liest als die alten Comics von deinem Vater. Und dann können wir vielleicht grundsätzliche, philosophische Gespräche führen.“

      Er nahm eine Zigarette aus der Schachtel und roch daran, genau wie alte Männer an teuren Zigarren riechen. Außerdem fischte er ein billiges Wegwerffeuerzeug aus der anderen Jackentasche. Ich konnte gerade noch darüber nachdenken, ob ich wieder übers Rauchen meckern sollte, hatte aber einfach keine Lust und holte deshalb eine von Mutters kostbaren Kristallschalen, die er auch das letzte Mal, als er hier gesessen hatte, als Aschenbecher benutzt hatte. Das war ein halbes Jahr her.

      Und wenn ich ehrlich sein soll, fand ich auch nicht mehr, dass es so schlecht roch, wenn er rauchte. Ich hatte mich wohl daran gewöhnt. Genau wie


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