In irrer Mission. Bernt Danielsson

In irrer Mission - Bernt Danielsson


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...“

      „Was sagst du da?“

      „Ha, du hast dich überhaupt nicht verändert. Du bist immer noch so!“ Er fasste sich an die Stirn und lehnte sich mit einem affigen Stöhnen gegen die Tür.

      „Wie ‚so‘?“

      Er wedelte mit den Armen. „Hörst nicht zu. Stehst da und pulst an einem blöden, kleinen, blutenden Pickel. So selbstvergessen, dass dir die Watte zu den Ohren rauskommt. Also, ich sagte, ich saß zu Hause und ...“

      „Ja, das habe ich verstanden und Lena rief an, aber ...“

      „Beeindruckend! Dann habe ich nichts mehr gesagt. Wie dem auch sei: Sie rief an, diesmal aus Kopenhagen, oder zumindest ganz in der Nähe, von einem Ort der Birkerød heißt, glaub ich wenigstens. Weißt du, wen sie da kennt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht ...“ Er schabte sich nachdenklich das Kinn. „Auf jeden Fall war es schrecklich wichtig. Wie immer.“ Er verdrehte die Augen und kicherte albern. „Ich dachte, sie ruft an, um mich nach der Kontonummer zu fragen ...“

      „Was?“

      „Ja, um endlich die Kohle für meine Mountaineer-Treter zu überweisen. Die Rashmal geklaut hat. Sie versucht jetzt seit einem halben Jahr, sich davor zu drücken. Aber nein. Sie habe es schrecklich eilig, sagte sie, und dann sagte sie etwas so unglaublich Merkwürdiges, dass ich mich gefragt habe, ob es ihr noch ganz gut geht.“

      „Wie meinst du das?“

      Ohne es zu wollen, seufzte ich tief und setzte mich auf den kleinen Hocker am Spiegel unter der Kommode. Ich hatte Raymond Schröder ziemlich genau ein halbes Jahr lang nicht gesehen, aber es war mir schon gleich wieder zu viel. Viel zu viel. Ich bin ihn eben nicht mehr gewöhnt, dachte ich, faltete das Klopapier und drückte es wieder aufs Kinn.

      „Was hat sie denn gesagt?“

      „Also, sie sagte: Flitz sofort zu Kevin rüber und grüß ihn dreimal von mir. Das mit dem dreimal war offenbar sehr wichtig. Das ist doch bescheuert. Verstehst du das?“

      Ich verstand es.

      Ich stand mit einem Ruck auf, zog meine Nikes an, lief in die Küche und holte eine Taschenlampe. Ich warf das Klopapier, das inzwischen dunkelrot war, in den Ausguss. Im Flur stellte ich die Taschenlampe auf die Kommode und zog meine Jeansjacke an. „Nimm die Lampe und komm. Ich erzähl dir alles“, sagte ich bestimmt und machte eine Geste, dass er sich bewegen solle. Er trat erstaunt ein paar Schritte zur Seite und ich machte die Tür auf.

      „Du hast nicht mal gemerkt, dass ich die Haare geschnitten habe“, sagte er enttäuscht, aber da war ich schon draußen.

      2

      El Apparillo

      Ich holte einen Spaten, der an der Garagenwand lehnte und nahm die zerschlissenen Gartenhandschuhe, die auf dem Griff lagen. Ich klemmte den Spaten unter den Arm, zog die Handschuhe an und lief zum Blumenbeet unten am Zaun zum Nachbargrundstück, direkt hinter dem größten Apfelbaum.

      Im Dunkeln konnte ich die Blumen zwar nicht sehen, aber ich hörte deutlich, dass ich sie niedertrampelte, als ich über die kleine, sorgfältig angelegte Kieselsteinmauer rund um das Blumenbeet stieg. Ich stieß den Spaten brutal in die Erde und fing an zu graben.

      Schröder kam angerannt. „Wo zum Teufel bist du denn?“, murmelte er und fluchte, als ihm ein paar Apfelbaumzweige ins Gesicht schlugen.

      „Hier.“

      „Vielen Dank für die äußerst brauchbare Information, vielen Dank. Sie ist in dieser Stockdunkelheit von großer Hilfe. Ihr müsst diesen verdammten Apfelbaum beschneiden. Oder am besten gleich umsägen. Wie kann man das bloß die helle Jahreszeit nennen? Es ist ja so dunkel wie im Dezember, verdammt. Und auch nicht sehr warm, aber trotzdem irgendwie drückend. Es würde mich nicht wundern, wenn es heute Nacht noch ein Gewitter gäbe. Verdammt.“

      Plötzlich stand er direkt neben mir.

      „Aber was zum Teufel hast du denn vor, Kevin?“

      Das war eine gute Frage. Es war eine sehr gute Frage: Was hatte ich eigentlich vor?

      Ich schaute hoch und sah mich um, aber es war wirklich nicht sehr viel zu sehen. Ich konnte nicht mal Schröder sehen, obwohl ich wusste, dass er direkt neben mir stand. Aber ich hörte ihn:

      „Hast du mich gehört? Was machst du hier eigentlich?!“

      „Ich grabe.“

      „Grabe? Wie, du gräbst? Willst du ausgerechnet jetzt Kartoffeln ausbuddeln? Mitten in der Nacht? Denkst du immer nur ans Essen? Und es ist auch noch nicht Mittsommer, sie sind bestimmt noch winzig klein, die Kartoffeln, fürchte ich. Das reicht wohl kaum für Bratkartoffeln für uns beide ... Du kannst doch nicht einfach so ohne ein Wort abhauen.“

      „Ich werde es dir schon erklären, und das habe ich dir auch gesagt.“

      „Hast du nicht. Du hast nur gesagt, dass ich die Taschenlampe nehmen soll, dann bist du abgehauen wie eine gesengte Sau. Völlig durchgedreht.“

      „Wo ist die Taschenlampe?“

      „Ich hab keine gefunden.“

      Da stöhnte ich. Wie ich immer stöhne. Und dann grub ich weiter. Währenddessen war mein Gehirn damit beschäftigt, die Frage zu diskutieren, was ich eigentlich vorhatte. Eine gute Frage.

      Ich kniete in einer ungewöhnlich dunklen Juninacht in unserem Garten und grub eins der umhegten Blumenbeete meines Vaters um. Er würde natürlich total ausrasten. Aber als ich im März an einem feuchtkalten Abend das Paket einbuddelte, hatte ich keinem Gedanken an seine Blumen verschwendet. Die Blumenzwiebeln waren inzwischen natürlich gewachsen, hatten ihre Stängel und Blüten nach oben geschickt, und es war noch keine Woche her, dass sie aufgeblüht waren. Es war völlig unmöglich, sie nicht kaputtzumachen, vor allem, weil ich blind buddelte.

      „Sie stand auf der Kommode im Flur“, sagte ich sauer.

      „Wer stand auf der Kommode?“

      „Die Taschenlampe.“

      „Willst du damit sagen, dass ich sie holen soll?“

      Ich schüttelte den Kopf und steckte beide Hände in die regennasse Erde und suchte.

      „Hast du gehört?“

      „Was?“

      „Ob ich sie holen soll?“

      „Was denn?“

      „Aber verdammt noch mal, Junge! El Torcho natürlich!“

      „Was für’n Ding?“

      „Die Scheißlampe!“

      Die Feuchtigkeit drang durch die Handschuhe, und auch wenn es Juni war, so wurden meine Hände schnell eiskalt.

      „Nein. Nicht nötig. Ich glaube, ich – wart mal ...“

      Er schnüffelte misstrauisch. „Verdammt, es riecht so verbrannt, riechst du es auch? Brennt es irgendwo?“

      „Es riecht nach Gegrilltem“, sagte ich, trat einen Schritt beiseite, steckte den Spaten in die Erde und zerstörte ein weiteres Stück Blumenbeet.

      „Stimmt. Das ganze verfluchte Täby stinkt nach verbranntem Schweinefleisch und Grillfett. Sobald im Kalender steht, dass Sommer ist, rollen die Deppen ihre fahrbaren Schweinekrematorien raus. Die Leute spinnen einfach. Bist du bald fertig?“

      „Ja, ich hab es.“

      Ich suchte mit den Fingern, fand eine Ecke, schob die Hand drunter und hob es an. Ich konnte richtig hören, wie die aus Holland importierten Blumenzwiebeln meines Vaters mit einen spröden, knirschenden Geräusch zerdrückt wurden, als ich das Paket herauszog.

      Ich bürstete die Erde ab und stand auf.

      „Komm“, sagte ich und trat auf den Kiesweg.

      „Komm,


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