Im Schatten einer Frau. Liane Sanden
Michaels. Alles riss sie an sich, diese Hollmers — und man stand mit all seiner Schönheit, seinem Talent und seiner Gier nach Ruhm doch immer in der zweiten Reihe.
Wenn man es ihr doch einmal eintränken könnte, der Rivalin. Aber dazu war vorderhand nicht die geringste Aussicht; vom kleinen Laufjungen bis zum Kulissenschieber, vom Hilfsregisseur bis zu dem gewaltigen Peters, dem Regisseur, von dem kleinsten kaufmännischen Angestellten bis zum Generaldirektor hinauf, alles lag in Verzückung gleichsam auf den Knien vor Stella Hollmers.
Einen einzigen Triumph hatte Madelen bis jetzt — und das war die Gewissheit, dass Michael Heinsigk in der Ehe mit Stella Hollmers nicht glücklich war. Sie sah es ja jetzt seinem Gesicht an, mit welch verzweifelter Miene schaute er Stella und Schuwaroff zu. Vermutlich glaubte er, dass Schuwaroff ihn bei Stella verdrängen könnte. Und das würde ihm auch ganz recht geschehen, diesem Träumer, diesem Toggenburger, der Limonade in den Adern zu haben schien statt warmem, heissem Blut. Ob die Stella wirklich was mit dem Schuwaroff hatte? Nun, was nicht war, konnte ja noch werden. Da konnte Michael Heinsigk einmal am eigenen Leibe spüren, was es hiess, wenn man verschmäht wurde.
In ihrem eifersüchtigen Neide auf Stella vergass Madelen beinahe, dass sie sich ja auch für Schuwaroff interessiert hatte. Aber Schuwaroff war ein Mensch, der die Abwechslung liebte. Er war noch keiner Frau treu geblieben. Auch die Hollmers würde ihn nicht halten, wenn sie ihm erst einmal ihre Gunst geschenkt hatte. Dann war er sehr schnell übersättigt und sah sich nach einer neuen Liebe um. Dann war vielleicht ihre Zeit gekommen. Dann war Michael unglücklich und Stella Hollmers vielleicht auch. Dann würde sie, Madelen, triumphieren. Es war noch nicht aller Tage Abend. Die Beliebtheit eines Filmsterns wechselte so schnell wie die Jahreszeiten. Eigentlich sah die Hollmers doch oft schon recht alt aus. Zum Beispiel heute! Aber wie konnte man auch ohne alles Make up, ohne alle Schminke und allen Puder sich in der Öffentlichkeit zeigen? Auch auf der Probe musste man doch tadellos zurechtgemacht erscheinen. Sie zog ihren flachen Spiegel mit der Puderdose heraus und besah sich liebevoll. Nein, einmal würden auch die andern sehen, dass sie es mit Stella Hollmers aufnehmen konnte!
„Dritter Akt, vierte Szene“, rief das Mikrophon am Munde von Peters durch den ungeheuren Atelierraum.
Stella löste sich von Schuwaroff, ging mit einem Nicken durch das Atelier, stand neben Michael.
„Wie war’s“, fragte sie leise.
„Wunderbar, Stella, ganz wunderbar.“
Stella wurde rot:
„Ach, du lobst mich immer“, sagte sie. Sie sagte es wie ein ganz kleines Mädchen, das sich schämt. In ihren Augen stand tiefe Liebe.
„Du“, flüsterte sie leise und rührte heimlich an Michaels Hand.
Das Mikrophon rief.
„Mein Auftritt“, sagte Michael hastig.
Auf der Szene dröhnte es noch von Umbauten. Arbeiter in blauen Blusen schleppten Möbeldekorationen. Peters in seiner Lebhaftigkeit rannte dazwischen, legte selbst mit Hand an. Der Hilfsregisseur kam mit dem Buch. Der Maler Sternau sprach aufgeregt und offenbar wütend auf Peters ein.
„Lassen Sie mich in Frieden“, schrie Peters, „die Dekoration bleibt, wie sie ist. Wenn es Ihnen nicht passt“ — das letzte verlor sich in einem wütenden Murmeln.
Inzwischen stand Michael wartend mit ein paar anderen Schauspielern auf der Szene. Es war eine kleine Ensemblesache. Er hatte eine Charge zu spielen, wie immer eine kleine Rolle.
„Wollen Sie sich nicht ausruhen, Stella“, fragte Schuwaroff — er hatte noch ein paar Worte mit dem Hilfsregisseur gesprochen, der ehrerbietig vor dem Star der Welt-Film-A.-G. stand —, „oder wollen Sie den Auftritt Ihres Mannes mit sehen?“
Es klang ganz harmlos. Aber in Schuwaroffs Zügen war ein kleiner Ausdruck von Bosheit. Stella mit ihren feinen Nerven fühlte es sofort.
Ein heftiges Rot lief über ihr bleiches Gesicht. Hastig sah sie zu Michael herüber. Hatte der etwas gehört? Ein eigentümlicher Blick kam zu ihr. Was alles lag in diesem Blick? Sicher, wenn er auch nichts gehört hatte, dann fühlte er doch Schuwaroffs Bemerkung.
Sie nickte ihrem Mann zu. All ihre Zärtlichkeit, all ihre Güte legte sie hinein in diesen Blick.
„Lass sie reden“, sagte dieser Blick, „was kümmert’s dich? Ist denn das alles so wichtig? Die Hauptsache sind doch wir beide: du und ich.“
Aber Michaels Gesicht verlor nicht das Bedrückte. Er wandte sich seinem Partner zu. Schon kam auch Peters aus irgendeiner Ecke des Riesenateliers hervorgeschossen. Hinter ihm die unvermeidliche Suite der Hilfsregisseure, des Requisiteurs.
Peters schien zehn Münder, zwanzig Hände und viele Gehirne auf einmal zu haben, wie er jedem von seinen Begleitern antwortete, ihnen befahl, abwehrte, zustimmte.
„Grosse Gesellschaftsszene, Heinsigk“, rief er jetzt, „Sie sehen aber gar nicht aus wie einer, der in fünf Minuten die Dollarerbin vor dem Pistolenschuss retten will. Nehmen Sie es mir nicht übel, Sie sehen aus, als wären Sie selber erschossen.“
Stella drehte sich um, ging hastig ihrer Garderobe zu. Sie konnte es nicht mehr ertragen. Sie hatte es nicht für so schwer gehalten. Da stand nun Michael, der Mann, den sie liebte; dem sie gehörte bis in die letzte Faser ihres Seins, stand da und musste sich von einem Regisseur wie Peters alles mögliche gefallen lassen. Im allgemeinen wurde er ja ein bisschen besser behandelt als die meisten der anderen kleinen Schauspieler. Aber auch das tat man ihr, Stella Hollmers, zuliebe. Sie wusste es ganz genau. Alles tat man ihr zuliebe. Sie war der Star, und Michael ein kleiner Chargenspieler. Sie wusste, er litt darunter. Schweigend. Nie hätte er etwas gesagt. Aber wie oft kam es in den Stunden ihrer Liebe, in den Stunden der Zärtlichkeit, dass er sie an sich riss und mit einer angstvollen Glut fragte:
„Liebst du mich? Liebst du mich wirklich, Stella? Bin ich dir nicht zu wenig?“
Dann überschüttete sie ihn mit Zärtlichkeiten, mit der ganzen Güte ihres Herzens. Immer wieder sagte sie es ihm, dass er der einzige Mann für sie wäre. Aber ob er es glaubte? In seiner Leidenschaft war etwas wie verzweifelte Angst. Dann umschlang er sie, als fürchtete er, sie verlieren zu müssen.
Stella sass in ihrer Garderobe. Nebenan hörte sie Schuwaroff mit dem Friseur reden. Irgend jemand schien einen Witz zu erzählen.
Jetzt lachte Schuwaroff auf. Deutlich meinte sie die Worte zu hören. Sprach man nicht von ihr und Michael? Sie presste die Hände an die Ohren. Schloss die Augen. Sie wollte nichts sehen, nichts hören. Es war schrecklich, dass der Mann, den sie so liebte, vor den anderen nur „der Mann seiner Frau“ war.
Draussen stand Michael auf der Szene, spielte seine Rolle.
„Menschenskind, so geht das doch nicht“, jammerte Peters, spielte ihm die Szene vor, „Herrgott, Mann, wenn Sie doch nur einen Funken von dem Talent gewisser anderer Leute hätten.“
Michael erbleichte.
„Na ja, schon gut“, sagte Peters einlenkend. Er wollte den Mann der Stella Hollmers nicht kränken. Man musste auf den Star der Weltfilm-A.-G. Rücksicht nehmen. Wäre das nicht gewesen, nie im Leben hätte man Michael Heinsigk engagiert. Für ganz kleine Aufgaben mochte er gehen. Aber eigentlich hätte man schon die heutige Rolle nicht mit ihm besetzen dürfen. Doch die Stella Hollmers hatte es ja kontraktlich, dass in jedem ihrer Filme ihr Mann beschäftigt sein musste. Wenn es nach ihr gegangen wäre, würde Michael Heinsigk am Ende gar noch ein männlicher Star bei der Weltfilm sein sollen!
Merkwürdig, wie blind Frauen waren, wenn es um die Liebe ging! Peters breiter Mund lächelte zynisch. Was hiess schon Liebe? Ein Mann war wie der andere. Eine Frau wie die andere. Die Hollmers verpatzte sich durch ihre blöde Heirat die besten Chancen. Holywood hätte sie schon längst engagiert. Sie tat es ja nicht ohne ein Doppelengagement. Und Dadson, der allmächtige Beherrscher des amerikanischen Filmmarktes hatte es schliesslich nicht nötig, solche Bedingungen anzunehmen. Immerhin hatte die Hollmers ja noch einige Rivalinnen, die klüger waren und sich nicht mit einem solchen Ballast von Mann beschwerten. Für die Weltfilm-A.-G. war