Im Schatten einer Frau. Liane Sanden

Im Schatten einer Frau - Liane Sanden


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Sie nur schöne Frauen auffordern, Sie zum Frühstück zu begleiten.“

      Nun musste er doch laut auflachen:

      „Eigentlich waren Sie es ja, die mich aufgefordert hat, mit ihr zu frühstücken, kleine Madelen.“

      „Pfui.“

      Madelen machte ein heiter strafendes Gesicht, „wo bleibt Ihre slawische Galanterie, mein Herr? Seit wann widerspricht man, wenn eine Dame etwas behauptet?“

      „Oh, Pardon“, Schuwaroff zog die kleine rosige Hand, die auf seinem Arme lag, an die Lippen und hielt sie einen Augenblick an seinem Munde, „ich gelobe Besserung, meine Gnädige. Also ich habe Sie zum Frühstück eingeladen. Darf ich um die Ehre bitten?“

      Sie raffte ihr Kleid, dass die schlanken Beine in den hellgrauseidenen Strümpfen zum Vorschein kamen, „Sie dürfen, mein Herr“.

      Dabei machte sie eine tiefe, zeremonielle Hofverbeugung. Ihre Augen sahen mit einem schillernden, übermütigen Blick in die Schuwaroffs. Und da — wie er auf sie niederschaute, die sich da spielerisch vor ihm verneigte, sah sie in seinen Augen ein Aufglimmen — sie kannte es von andern Männeraugen her —. Da wusste sie, der Funke war von ihr zu Schuwaroff übergesprungen. —

      Triumphierend ging sie an seiner Seite, fühlte, wie sein Arm sie unmerklich an sich drückte. An den Blikken der vorübereilenden Komparsen und Tanzmädchen merkte sie, alle dachten das gleiche:

      Der mächtige Schuwaroff interessierte sich für sie. Damit stieg sie gewaltig im Werte — auch für die Filmgesellschaft. Wenn sie es nur ein wenig klug anfing — Schuwaroff hatte sich gerade von Lia de Vernand getrennt, mit der man ihn ein paar Wochen verlobt gesagt. Vielleicht verliebte er sich ernstlich in sie. Sie sah sich schon als Partnerin Schuwaroffs in einem grossen Film — sah ihrer beide Namen nebeneinander an erster Stelle der Programme und Filmzeitschriften — ein heftiger Atemzug hob ihre Brust — der Ehrgeiz brannte stärker denn je in ihr auf. Sie wusste nicht, ob sie Schuwaroff liebte oder den Ruhm in ihm. Das war wohl alles eins. Und nur wer so hoch oben stand wie diese hochmütige Hollmers brauchte sich um so etwas nicht zu kümmern.

      In der Kantine der Filmgesellschaft war ein buntes Durcheinander. Ein Fremder, der hier hereingekommen wäre, hätte sicherlich geglaubt, in ein Faschingsvergnügen hineingeraten zu sein. Alle Kostüme und Masken aller Zeiten waren hier bunt durcheinander gewürfelt. Denn in dem riesenhaften Ateliergebäude wurde ja nicht nur der eine moderne Film mit Stella Hollmers und Schuwaroff als Hauptspieler gedreht. Der Atelierkomplex bestand aus zehn grossen und mehreren kleinen Ateliers — es war eine ganze kleine Filmstadt, die hier draussen auf dem freien Gelände aufgebaut war. Und in einem jeden Raum wurde etwas anderes gearbeitet. Die Gesellschaft war in mehrere Untergesellschaften aufgeteilt — und sie alle drehten grössere und kleinere Filme. Infolgedessen sah man auch in den Arbeitspausen hier in der Kantine die verschiedensten Zeit- und Stilepochen durch die verschiedenen Kostüme vertreten. Da waren Grenadiere aus der Zeit des Alten Fritz, da sassen ein paar Römerinnen aus der Zeit des römischen Kaiserreiches. Ein paar Cowboys, die geradezu aus Wildwest hierher importiert zu sein schienen, sassen einträchtig am Tische mit ein paar jungen Mädels in koketter, moderner Zofentracht. In einem der Ateliers wurden Szenen zu einem phantastischen Film gedreht, ein Mann in enganliegendem schwarzem Wams, mit einem Mephistobart und einer Kappe mit aufgesetzten Teufelshörnern teilte behaglich ein grosses Schnitzel und sah durchaus nicht teuflisch aus.

      Lachen und Scherzen flog von einem Tische zum andern. Alles sass durcheinander. Es gab keinen Rangunterschied. Unaufhörlich liefen die Kellner mit den gefüllten Tabletts voll Speisen und Getränken umher. Die Arbeit im Atelier war eine sehr anstrengende Tätigkeit — von der sich ein Laie keine Vorstellung machen konnte. Die Hitze der tausendkerzigen Jupiterlampen, die Wärme von Schminke, Perücken, Kostümen, das allein genügte schon, um die Kräfte der Menschen zu verbrauchen. Dazu kam die immerwährende Anspannung der Nerven, denn manche Szene wurde fünf-, zehn-, zwanzigmal geprobt, ehe sie für die Aufnahme „sass“. Viele kleine Schauspieler mussten ganze Tage im Atelier zubringen, nur um eine Szene von einer halben Stunde zu spielen. Denn anders wie beim Theater wird ja beim Film nicht Szene nach Szene in der aufeinanderfolgenden Anordnung gespielt — sondern man spielt alle Szenen, die in ein und derselben Dekoration spielen, um nicht immer wieder neue Umbauten vornehmen zu müssen. Diese fortwährende Dienstbereitschaft, dies Warten von Stunde zu Stunde zehrte an den Nerven. Dazu kam, dass die Finanzabteilung der Gesellschaft das Tempo der Arbeit immer schneller gestaltet wissen wollte. Denn jeder Tag Atelierarbeit kostete Tausende. So arbeitete man in den Zeiten der Filmherstellung von morgens bis abends. Oft mussten alle, Hauptdarsteller wie Komparsen, schon um sieben Uhr zur Aufnahme da sein. — Kein Wunder, dass in den Frühstückspausen der Körper gebieterisch sein Recht verlangte.

      Schuwaroff bahnte sich, Madelen am Arme, seinen Weg bis zu einem Ecktisch, an dem einer der Produktionsleiter mit ein paar Regisseuren und einem jungen Dichter sass. Es wurde gerade über die Ausgestaltung eines neuen Drehbuches verhandelt.

      „Heda, Schuwaroff“, rief man dem Schauspieler zu, „kommen Sie mal her, eine Bombenrolle für Sie, die unser junger Dichter da anbringt.“

      Schuwaroff machte eine abwehrende Handbewegung, „lassen Sie mich mit Bombenrollen unbekannter Leute zufrieden, schliesslich wird es wieder ein Reinfall, wie der letzte Film von Lorenzius-Kinder, wenn ihr wieder solch einen Unfug macht, dann habt ihr mich und die Hollmers zum letzten Male gesehen.“

      „Na, schön“, lachte der eine Regisseur, „wenn Sie’s nicht mal hören wollen, müssen wir halt den Mathies fragen, ich sage Ihnen, das ist ein Schlager, ein ganz grosser. Freilich, wir müssen ihn erst drehreif machen“, fügte er schnell hinzu, als er das glückliche Gesicht des jungen Schriftstellers sah, er war der Meinung, dass man das Selbstbewusstsein der Dichter nicht aufkommen lassen dürfte. Die Leute verlangten dann womöglich, genau soviel zu verdienen wie man selbst. Dabei war das schönste Dichtwerk nichts ohne die formende Hand der Regisseure. Dass die Dichter sich wiederum beklagten, weil von ihren Werken beinahe nichts mehr übrigblieb, war eine andere Sache und rührte den Regisseur nicht.

      „Bitte, bitte, Herr Schuwaroff“, sagte leise Madelen, „wir wollen doch einmal hören. Denken Sie, wenn man wirklich Mathies hier engagierte —“

      Schuwaroff machte ein finsteres Gesicht. Das durfte nicht sein. Dieser junge Friese war plötzlich aufgetaucht und hatte gleich in einem Film einen ungeheuren Erfolg gehabt. Er war der richtige Typ für die grossen deutschen Filme, die man nun drehte. Schuwaroff liebte es nicht, wenn ein anderer Typ Erfolge hatte. Die Filmgewaltigen waren immer geneigt, die Beliebtheit und die Art eines bestimmten Schauspielers für eine bestimmte Sorte Filme auszunützen. Es konnte ihm nicht daran gelegen sein, dass sein exotisches Aussehen plötzlich an Interesse verlor.

      So ging er denn mit Madelen zusammen an den Platz, von dem aus man ihn gerufen hatte.

      „Na, Madelen“, fragte der Produktionsleiter, „wie fühlen Sie sich denn so mitten unter den Stars?“

      „Genau so, wie man sich fühlt, wenn man bald dazugehören wird“, gab sie keck und schlagfertig zur Antwort.

      Alles lachte. Der Regisseur klemmte sein Monokel ein und sah Madelen prüfend an:

      „Alle Achtung, Witz haben Sie, Kerlchen. Und an krankhafter Bescheidenheit scheinen Sie auch nicht zu leiden.“

      Da sah Madelen den Regisseur mit einem koketten Blick an:

      „Habe ich das nötig, Herr Doktor? Bescheiden braucht man nur zu sein, wenn man hässlich oder untalentiert ist.“

      „Na, hässlich, dass kann man Ihnen nun ja nicht nachsagen. Und untalentiert — na?“

      „Wenn ich untalentiert wäre, dann hätten Sie mich sicher nicht engagiert! Im übrigen, Sie brauchen es ja nur einmal mit einer grösseren Rolle versuchen, da werden Sie ja sehen, was ich in Wahrheit leisten kann!“

      „Auf den Mund gefallen ist sie wirklich nicht, die kleine Madelen“, brummte der Produktionsleiter, „wäre ja auch schade um den hübschen Mund.“

      „Ob die Dame nicht sehr geeignet


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