Fluch der verlorenen Seelen. Darina D.S.
sehr schnell. Sie sah, wie Hannah zum Wurf ausholte und schloss reflexartig die Augen. Fast im gleichen Augenblick hörte sie einen Schuss und ein klirrendes Geräusch. Während das Echo noch in ihren Ohren hallte, öffnete sie zaghaft die Lider und sah Yato neben sich stehen.
»Hast du Schlitzauge meinen Wurfstern abgeschossen?«, schrie Hannah verärgert.
»Ist das dein Ernst? Du willst von den Shinobis abstammen und nennst ihn Schlitzauge?«, brüllte Amalia entsetzt. Sie zitterte am ganzen Körper und um sich zu beruhigen, atmete sie tief ein und aus.
»Was? Dass ich nicht lache. Die und ein Ninja? Haha, mach dich nicht lächerlich. Und Hannah, du solltest jetzt besser gehen! Ich wette, Julien und seinen Cousin interessiert dieser Vorfall brennend«, zischte Yato provokant.
»Oh, Amalia, es wird nicht immer jemand da sein, um dich zu beschützen«, keifte Hannah und verschwand in den Wald.
Erleichtert sank Amalia auf die Knie. Sie verstand nicht, warum sie immer so aneckte.
»Was habe ich ihr getan?«
»Du atmest«, erwiderte er ironisch und steckte seinen Revolver in das Gürtelholster, das er an der Hüfte trug. »Nein, wirklich, du musst ihr nichts tun, damit sie dich nicht leiden kann. Sie ist einfach eine Bitch. Komm, machen wir weiter«, sagte er und half ihr hoch.
Amalia nickte und konnte ein breites Grinsen nicht unterdrücken. Sie war Yato dankbar. Er kannte sie kaum und doch hielt er zu ihr und schaffte es, sie aufzumuntern.
»Danke«, flüsterte Amalia, während er sie zu den Schießständen führte.
Yato drehte sich zu ihr und lächelte. »Wir machen heute nur ein paar kleine Schießübungen, nichts Dramatisches. Ich habe verschiedene Waffen mitgebracht. Ich denke, die Neunmillimeter ist ganz gut für den Anfang.«
Yato gab Amalia eine schwarze Handfeuerwaffe. Sie war schwerer, als sie zunächst vermutet hatte. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, eine Schusswaffe abzufeuern. Prüfend musterte sie die Pistole und konnte sich nicht erklären, warum, aber es fühlte sich nicht richtig an.
»Es ist wichtig, dass du diese Waffe mit beiden Händen hältst. Deine Schusshand muss die Pistole am Griff so weit oben wie nur möglich festhalten. Es darf keinen freien Raum nach oben geben. Dein Zeigefinger legt sich vorne um den Abzugsbügel.«
Amalia verstand nicht, was er meinte, doch er fuhr unbeirrt fort. »Mit der anderen Hand, in deinem Fall der linken, schließt du die Lücke zwischen Fingerspitzen und Handballen der rechten Hand am Griff.« Yato, der endlich bemerkt hatte, dass sie ihn wie ein Fragezeichen anstarrte, führte ihre Hände in die richtige Position.
Ihre Finger zitterten, ihr Puls raste und Schweißtropfen bildeten sich auf ihrer Stirn. Diesmal würde sie nicht versagen.
»Schau mit beiden Augen gleichzeitig direkt über den Lauf auf dein Ziel, einfach mittig den Aufsteller anvisieren. Es ist nicht nötig, auf einen bestimmten Teil zu zielen. Er ist so groß, du triffst auf jeden Fall«, ermutigte er sie.
Yato wusste, dass er der perfekte Lehrer war. Freya und Julien hatten doch keine Ahnung: Er war der Meister des Erklärens. Yato sah es bereits vor sich, wie ihn der Schulleiter zu sich rief, da er sein großes Potenzial erkannt hatte, und den Cowboy bat, neue Schüler zu trainieren. Nein, das war noch nicht alles: Collin würde sogar darum betteln, dass er auch den theoretischen Unterricht in Waffenkunde abhielt. Bescheiden, wie er war, konnte er natürlich nicht beides annehmen. Aber den Titel ›Lehrmeister der Schusswaffen‹ würde er dankend entgegennehmen.
Währenddessen stand Amalia stocksteif und hoch konzentriert vor dem Ziel. Treffen, egal was, das war die Devise. Zögerlich betätigte sie den Abzug.
Der Rückstoß und der laute Knall des Schusses ließen sie erschaudern. Verzweifelt suchte sie die Einschussstelle.
»Okay … Du hast es also doch geschafft, das knapp zwei Meter große Ziel zu verfehlen«, sagte Yato ungläubig und seine Träume zerplatzten wie Seifenblasen.
Mit dem Finger am Abzug der Waffe drehte sich Amalia hastig zu ihm um und diesem Moment löste sich ein Schuss. Yatos Hut flog durch die Luft und landete im Gras.
Einen Augenblick lang starrten die beiden einander und dann den Hut geschockt an.
»Wie? W…wo?« Yato blickte sich verwirrt um und hob hektisch seinen Hut vom Boden auf. »Mein Hut, du, du hast ihn erschossen!«, rief er nahezu weinerlich und schaute Amalia mit einem Auge durch das Einschussloch in der Hutkrempe an.
»Es tut mir leid!«, kreischte sie und ließ die Waffe fallen. Dabei löste sich ein weiterer Schuss, der Yato nur knapp verfehlte.
»Willst du mich umbringen?«, brüllte er aufgebracht und sah sich anstatt hochgelobt in Collins Büro, durchsiebt auf der Krankenstation.
»N…nein. Oh, es tut mir so leid. Warte, ich hebe die Waffe wieder auf.«
»Nein! Fass sie nicht an.«
Amalia zuckte bei Yatos Gebrüll zusammen und erstarrte. In Windeseile griff er nach der Waffe und entfernte sich einen Schritt von Amalia. Sie sah die Ungläubigkeit in seinem Gesicht; ein Ausdruck, den in ihrer Gegenwart die meisten Menschen bekamen.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie, wirbelte herum und rannte davon.
Als Freya sie in der Eingangshalle der Akademie lauthals begrüßen wollte, stürmte Amalia wortlos an ihr vorbei und flog dabei fast die Treppen nach oben. Mehrfach stolperte sie auf ihrem Weg und hielt sich immer wieder am Geländer fest.
»Oh, ist wohl nicht so gut gelaufen.« Freya hätte wetten können, dass sie nicht heil oben ankam, eher gleich wieder herunterkugelte.
»Schau dir das an! Mein Hut ist hinüber«, jammerte Yato, der atemlos die Eingangshalle betrat.
»Tja, du bist wohl doch nicht ein so guter Lehrer, wie du dachtest«, lachte Freya triumphierend und eilte Amalia nach.
Keuchend schlug Amalia ihre Zimmertür zu. Wieder ballte sie die Hände zu Fäusten, bis ihre Nägel sich ins Fleisch bohrten – auch eine Art Ventil. Schmerz gesellte sich zu ihrer Enttäuschung. Wutentbrannt rauschte sie ins Badezimmer. Sie drehte die Dusche auf und zog sich geschwind aus. Erst genoss sie das warme Wasser und spürte jeden Tropfen auf ihrer Haut, doch dann schaffte die dampfige Atmosphäre erneut Raum für ihre depressiven Gedanken.
Amalia fühlte sich völlig fehl am Platz. Warum verlangten sie das ausgerechnet von ihr? Sie war nichts Besonderes. Das Einzige, was sie ausmachte, war es, Dinge zu sehen, die den meisten Menschen verborgen blieben. Doch das konnten hier auch andere und sie würde wohl wie eine Sternschnuppe in der Masse verglühen.
Das Klopfen an der Zimmertür riss sie aus ihrer Grübelei und katapultierte sie in die grausame Realität.
»Moment! Ich komme«, brüllte Amalia und wickelte sich schnell ein Handtuch um. Noch bevor sie einen Schritt aus dem Bad tun konnte, stand Freya auch schon vor ihr und rief:
»Hopp, hopp, mach dich fertig Yuri bringt uns gleich die Pizza.«
Amalia starrte sie völlig perplex an. Sie sollte wohl endlich mal ans Abschließen ihrer Zimmertür denken. Etwas verwirrt folgte sie Freya, die sofort eifrig in Amalias Kleiderschrank wühlte und wahllos einige Klamotten herauszerrte. »Äh, Freya, was machst du da?« Amalia flog ein graues Strickkleid ins Gesicht.
»Dir etwas zum Anziehen raussuchen, wovon ich keinen Augenkrebs bekomme. Und das ist doch gut.«
»Danke, wie nett von dir.« Murrend watschelte sie ins Bad zurück und zog sich an. Sie musste schmunzeln; Freyas Art machte es ihr unmöglich, weiterhin an ihren negativen Gedanken festzuhalten. Im Gegenteil: Ihre Euphorie schien Amalia regelrecht mitzureißen. Kaum hatte sie einen Fuß vor die Badezimmertür gesetzt, schleifte Freya sie auch schon in ihr Zimmer.
Amalia machte es sich sofort auf Freyas Bett bequem und nahm Levi, der auf dem Kissen schlief, in ihre Arme. Gerade als sich Freya zu ihr setzen wollte, klopfte es. Augenblicklich war die quirlige Brünette an der