Bibel, Blech und Gottvertrauen. Hildi Hari-Wäfler

Bibel, Blech und Gottvertrauen - Hildi Hari-Wäfler


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Höchstes Gut sein.

      Ich will mich um die Armen kümmern, die Hungrigen nähren, die Nackten kleiden, die Ungeliebten lieben und denen ein Freund sein, die keine Freunde haben.

      Ich will den Lehren und Prinzipien der Heilsarmee gegenüber treu sein und mich mit Gottes Hilfe würdig erweisen als Offizier und Nachfolger Jesu Christi.

      Dieses Versprechen unterschreibe ich im Vertrauen auf meinen Herrn und Erlöser und in der Gegenwart des Territorialleiters, der bei der Feier anwesenden Offiziere und meiner Mitkadetten.

       Neue Aufgabe am alten Ort

      Nach unserer Ausbildung würden wir in alle Teile der Schweiz, vereinzelt auch nach Österreich ausgesandt werden, um unser neues Arbeitsgebiet anzutreten. Wohin es gehen sollte, wussten wir noch nicht. Die Spannung und auch die Spekulationen wuchsen. Einige konnten sich ungefähr ausrechnen, wo ein Platz für sie frei sein könnte. Ich hatte keine Ahnung, wohin es mich verschlagen würde, und fiel aus allen Wolken, als ich vernahm, dass ich nur gerade mein Zimmer zu wechseln hätte, also blieb, wo ich war. Ich würde mit einer anderen, wie ich zur Kadettleutnantin ernannten Frau, mitverantwortlich sein für die Ausbildung des nächsten Kurses – eine Art „Feldweibel“ also, der für Ordnung, Disziplin und einen reibungslosen Tagesablauf sorgen sollte. Mit einer Gruppe der Neuen, der Session „Diener Christi“, würde ich für Einsätze in einer Gemeinde unterwegs sein, diese mit organisieren, vorbereiten und durchführen. Zu meiner Aufgabe gehörte auch, gewisse Schulstunden vom Französischen ins Deutsche „live“ zu übersetzen. Alle Lektionen wurden ja zweisprachig geführt. So befasste ich mich hauptsächlich im Voraus mit dem umfangreichen, vom Wortschatz her recht schwierigen Unterrichtsmaterial für das Alte Testament. Mein künftiges Amt würde auch beinhalten, ein Bindeglied zwischen der Basis und der Leitung zu sein. Vielleicht würde ich bei Gelegenheit als „Klagemauer“ dienen und ein offenes Ohr für spezielle Anliegen haben müssen.

      Einerseits freute ich mich über den Beweis des Vertrauens, anderseits wusste ich um die Verantwortung der Aufgabe, die viel Selbstdisziplin von mir fordern würde. Zur gleichen Zeit spürte ich auch Gottes Zusage, mit mir zu sein. Ein Spruch begleitete mich: Die Aufgabe vor dir ist nicht größer als die Kraft hinter dir. Und etwas Wahres wird wohl auch im gut gemeinten „Spötteln“ einiger Mitkadetten gewesen sein: „Wer im ersten Jahr noch nicht alles gelernt hat, braucht eine zweite Session dazu“.

       Verschnaufpause

      Die Zwischenzeit bis zum Beginn der neuen Session wurde gut genutzt. Zunächst verbrachte ich drei Wochen in der Heilsarmeegemeinde Lausanne 2. Ich beteiligte mich an Hausbesuchen, an Gottesdiensten im Saal und im Freien, an Frauenstunden – eine Menge Neues gab es hier für mich zu erleben. Was mich aber viel innere Kraft kostete, war der Einsatz im Bahnhofsrestaurant in Lausanne. Ein Mal in der Woche musste ich dort unsere Zeitschriften anbieten. Allein ging ich von Tisch zu Tisch und versuchte den Kontakt zu den Gästen aufzunehmen. Einige zeigten sich erfreut über mein Erscheinen, andere wollten nicht gestört werden.

      Weitere drei Wochen gehörten dem Einsatz im Kinderlager für Mädchen in Buchillon am Genfersee. Das waren sehr wertvolle Erfahrungen. Ganz abgesehen von der einzigartigen, idyllischen Umgebung am See, profitierte ich vom Gebrauch der französischen Sprache und auch von der Arbeit mit den Kindern, die vor Lebenslust und Einfällen nur so sprühten und natürlich mit Herzenslust badeten. Als die Zeit wie im Flug vorübergegangen war, tauchte Peter, mein Verlobter, mit seinem geliehenen Motorrad auf und holte mich ab für die Ferien in Adelboden – nicht ohne zuvor zu zweit eine ausgiebige Runde im Ruderboot auf dem See gedreht zu haben. Dann ging es für mich in luftiger Fahrt auf dem Soziussitz von Peters Vespa ins Berner Oberland. Die Ferien verbrachte jeder für sich bei seinen Angehörigen. Es boten sich aber auch viele Gelegenheiten für gemeinsame Bergtouren, Besuche und Ausflüge. Diese Zeit verging im Nu.

       Kurswechsel

      Allzu schnell war es so weit. Ich musste wieder zurück nach Bern, um meine neue Aufgabe anzutreten. Die „neuen“ Kadetten, die nun die Session „Diener Christi“ bildeten, kamen voller Erwartung. Es war eine kleinere Schar. Sie waren bereit, das Beste aus ihrem Leben zu machen, so wie wir ein Jahr zuvor. Und auch ich war dazu bereit. Einmal schien mir meine Aufgabe besonders schwer zu fallen. Ich nahm ja eine ziemlich isolierte Stellung ein und oft hatte ich den Eindruck, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Bis dahin war mir das Gehorchen stets leichter gefallen, als Befehle zu erteilen. Aber das muss doch auch gelernt werden. Da ermutigte mich unser Schulleiter, Oberst Silfverberg, ein Schwede, der mit einer Schweizerin verheiratet war, mit den Worten: „Für eine solche Aufgabe werden nur die Besten ausgewählt.“ Er wollte mir damit sagen, dass sie als Verantwortliche gewusst hätten, warum sie für diese Aufgabe gerade mich ausgewählt hatten. Das ermutigte mich und stärkte mir den Rücken.

      In meiner Gruppe von neun jungen Frauen, die oft für spezielle Einsätze unterwegs waren, hatten wir es gut miteinander. Wir lachten und scherzten oft und ergänzten uns in unseren Begabungen und Fähigkeiten. Mit meiner Kollegin, die mit der gleichen Aufgabe betraut war wie ich und für eine weitere Gruppe verantwortlich, konnte ich mich über unseren Dienstalltag austauschen. Während dieses Jahres vermisste ich Peter mehr, als ich mir gedacht hatte. Wir sahen uns nur selten, und zum Schreiben oder Telefonieren blieb nicht viel Zeit. Einmal besuchte ich ihn nach einer Blinddarmoperation im Spital Thun, doch da schlief er meistens und nahm mich kaum wahr. Er hatte eine sehr strenge Zeit hinter sich, denn er musste damals für den Leiter der Gemeinde in Thun einspringen, der ernsthaft erkrankt war und dessen Frau gerade das jüngste Kind zur Welt gebracht hatte. Peter führte Kinderstunden durch, erteilte den Mädchen Gitarrenunterricht, hielt Gottesdienste und Religionsunterricht, erledigte administrative Aufgaben und vieles mehr. Als Dienstanfänger brauchte er natürlich für alles wesentlich mehr Zeit zur Vorbereitung als ein „Profi“.

      Vertrautes St. Aubin

      Das Jahr in Bern ging zu Ende und ich stellte fest, dass es für mich in vielen Teilen sehr lehrreich gewesen war. Ich hatte eine Menge gelernt, sowohl schulisch als auch im Blick auf die Disziplin und auch viele praktische Dinge, von perfekter Gästebewirtung bis zum tadellosen Bügeln von Blusen und Herrenhemden. Jetzt kam auch für mich die Zeit, meine Koffer zu packen. Ich mochte es kaum erwarten, als ich hörte, dass St. Aubin mein nächstes Zuhause sein würde. Es handelte sich also um eine Art Heimkommen nach zehn Jahren. Dort in der Nähe hatte ich ja bereits als Sechzehnjährige mein Welschlandjahr verbracht und kannte die dortigen Verhältnisse recht gut.

      Als frisch bestallte Leutnantin hielt ich an einem wunderschönen Frühlingstag, es war der 3. Mai, Einzug an den Ufern des Neuenburgersees. Mehrmals stieg ich von der Wohnung aufs Flachdach, atmete tief durch und konnte mich kaum satt sehen an den goldgelben Wiesen voller Löwenzahn, den in Blüte stehenden Obstbäumen und dem sich leicht kräuselnden See im Hintergrund. War das eine Pracht! Nach der langen Stadterfahrung wirkte die Gegend wie Balsam auf mein ausgetrocknetes Gemüt. Eine liebe, erfahrene Majorin nahm mich herzlich auf. Im Laufe der Wochen wurde sie mir zum großen Vorbild in ihrer Hingabe und Leidenschaft an die Sache Gottes. Sie freute sich sichtlich, die Aufgaben mit mir teilen zu dürfen, und führte mich in alle Einzelheiten des Dienstes ein, auch was die Sprache betraf. Da konnte es bei mir schon mal zu lustigen Ausrutschern und kleinen Missverständnissen kommen. Wir lachten und scherzten viel miteinander in jenem halben Jahr.

      Zu meinen vielfältigen Aufgaben gehörte zum Beispiel die Mitarbeit bei einem Kindertageslager in Fleurier. Für die drei Buben des Leiters war ich „la grande sœur“, die große Schwester. Hier lernte ich dazu über die Arbeit mit Kindern und auch das Zusammenleben mit anderen Verantwortlichen.

      In einer anderen Woche war ich dafür zuständig, in Cernier von Haus zu Haus Spenden zu sammeln. Es kostete mich Überwindung, um Geld zu bitten, doch tat ich es aus Liebe zu Jesus.


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