In den Sand gesetzt - Skandinavien-Krimi. Kirsten Holst

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seinen Mut zusammengenommen und war zu seiner Frau gegangen. Offenbar versuchte er, der Nachbarsfrau zu helfen sie zum Gehen zu überreden. Sie sah ihn eine Weile leer an, dann gab sie ihm plötzlich wortlos die Zuckerschale, drehte sich um und ging langsam vom Hof. Die Nachbarsfrau folgte ihr mit einer kleinen hilflosen Geste zu dem Mann hin. Einen Moment blieb er mit der Zuckerschale in der Hand stehen; er sah sie verwirrt an, dann ging er zu der Stufe, die zur Haustür führte, und setzte sie vorsichtig ab.

      »Wollen wir wetten, dass sie den Morgen nicht überlebt?«, sagte Therkelsen.

      »Sicher«, sagte Høyer.

      Der Einsatzleiter kam zu ihnen. Er sah müde, aber zufrieden aus.

      »Jetzt ist es bestimmt bald überstanden«, sagte er.

      »Sieht so aus«, sagte Høyer. »Und ich darf vielleicht erfahren, welcher geniale Clown unbedingt wollte, dass ich hier herauskomme? Der Pyromane, dass ich nicht lache!«

      Therkelsen hatte genug Schamgefühl im Leib, um verlegen auszusehen.

      »Nein, dich meine ich nicht«, sagte Høyer. »Du musst das doch irgendwo hergehabt haben.«

      »Vom Dienst habenden Polizisten«, sagte Therkelsen. »Und so gesehen, ist er unschuldig. Er hatte die Meldung von dem Anrufer bekommen. Und wir wussten ja auch nicht ...«

      »Der Einsatzleiter verwettet seinen Kopf darauf, dass es an der Getreidetrockenanlage lag, richtig?« Høyer drehte sich zu dem Einsatzleiter um.

      »Ja. Natürlich werden unsere Techniker sich die Sache ansehen, aber es sieht ganz so aus. Das ist der erste Brand in diesem Jahr, aber es wird nicht der letzte bleiben. Die Ernte hat ja erst angefangen. Die Trockenanlage hier wurde heute Abend eingeschaltet. Gas. Bestimmt war irgendwo eine undichte Stelle und natürlich haben sie sie vorher nicht überprüft.«

      »Warum lernen die Leute das einfach nicht?«, klagte Høyer. »Strohfeuerung, Getreidetrockenanlagen, Kurzschlüsse, Traktoren, was weiß ich. Ich wette darauf, dass neunzig Prozent aller Brände Schlamperei oder Gedankenlosigkeit in mehr oder minder großem Ausmaß zugrunde liegt.«

      »Fünfundneunzig Prozent«, sagte der Einsatzleiter. »Du kannst ruhig fünfundneunzig Prozent sagen.«

      »Warum hat man angenommen, dass es der Pyromane war?«, fragte Høyer.

      »Eigentlich ist das nicht so verwunderlich. Er hat ja genau in diesem Gebiet hier operiert und die Leute haben Angst. Schon wenn jemand ein Streichholz anzündet, herrscht Lynchstimmung. Und die Frau meinte, dass sie, unmittelbar bevor der Brand entdeckt wurde, draußen jemanden gehört hat. Ich wette, dass das, was sie gehört hat, der Brand war«, erklärte der Einsatzleiter.

      »Natürlich hätte er es gewesen sein können«, sagte Høyer. »Er fängt bestimmt wieder an, jetzt, wo es nachts dunkel wird. Wenn wir ihn bis dahin nicht erwischt haben. Und darauf deutet wenig hin.«

      »Gibt es etwas Neues?«, fragte der Einsatzleiter.

      »Nee«, sagte Therkelsen. »Nichts. Wir sind kurz davor zu hoffen, dass er wieder in Aktion tritt, damit wir etwas haben, woran wir arbeiten können. Wir haben alles durchgesehen, bevor Høyer in Urlaub gegangen ist. Ohne Ergebnis. Wir sind auch alle Bilder durchgegangen, die wir von den Bränden bekommen konnten. Es bestand ja die Möglichkeit, dass wir jemanden entdecken, der auf den meisten zu sehen ist.«

      »Ja«, grinste der Einsatzleiter. »Mich.«

      Die anderen lachten.

      »Das wäre natürlich eine Möglichkeit«, sagte Therkelsen. »Falls du Angst hast, arbeitslos zu werden.«

      »Nein, jemanden, der dort nichts verloren hatte«, sagte Høyer.

      »Und der Einzige, der praktisch auf jedem einzelnen Foto herumsprang, war der Vizepolizeipräsident.« Sie lachten. Es war ein interner Witz, dass der Vizepolizeipräsident bei jedem Brand informiert werden wollte, und in der Regel kam er auch.

      »Ja, in jedem von uns steckt wohl ein kleiner Pyromane«, sagte der Einsatzleiter.

      »In mir nicht«, warf Høyer ein. »Ich mag kein Feuer. Nicht einmal das Johannisfeuer. Und am Weihnachtsbaum haben wir elektrische Lichter. Ich habe einfach Angst vor dem Scheiß.«

      Therkelsen lachte. »Und ich verrate dir was«, sagte er zu dem Einsatzleiter. »Obwohl sie elektrische Lichter am Weihnachtsbaum haben, stellt er einen Eimer mit Wasser ins Wohnzimmer, wenn er den Baum anmacht. Ich habe es selbst gesehen.« Er wandte sich an Høyer. »Fahren wir?«

      »Wer weiß, ob es nicht eine Art Wunschdenken von dem Mann war, dass der Pyromane das Feuer gelegt hat«, sagte Therkelsen, als sie nach Hause fuhren. »Er muss sich sofort darüber im Klaren gewesen sein, dass es die Getreidetrockenanlage war. Aber natürlich hat er weiter gehofft.«

      »Dass ein anderer Schuld hat?«, fragte Høyer.

      »Ja, du hast die Frau doch selbst gesehen. Das wird er bis an sein Lebensende zu hören bekommen.«

      »Das glaube ich eigentlich nicht. Das gehört nicht zu den Dingen, die ... Wahrscheinlich werden sie sich darauf einigen, dass es ein unverschuldeter Unfall war«, meinte Høyer.

      »Das bezweifle ich«, sagte Therkelsen. »Ihm war nicht wohl in seiner Haut, das konnte man sehen. Und das wäre mir an seiner Stelle auch nicht.« Er seufzte. »Es ist auch so schlimm genug.«

      »Wie geht es?«, fragte Høyer.

      »Überhaupt nicht«, sagte Therkelsen. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Was ich auch mache, es scheint verkehrt zu sein. Wir fangen an zu streiten und jedes Mal geht sie bis zur Schöpfung der Welt zurück. Offenbar bin ich während unserer ganzen Ehe ein widerlicher Chauvinist gewesen. Unser Urlaub war auch nicht okay. Ich hatte geglaubt, wir wären uns einig, dass wir dieses Jahr ein Sommerhaus mieten. Jetzt sagt sie, dass das für sie kein Urlaub war mit der ganzen Lauferei und dem Bedienen von uns anderen. Aber das ist Quatsch. Ich habe geholfen. Aber ich muss zugeben, dass die Kinder ... manchmal glaube ich, sie sind an allem schuld.«

      »Die Kinder?« Høyer drehte den Kopf und sah ihn verwundert an.

      »Ja. Sie dominieren und kritisieren und fordern. Nein, sie fordern nicht einmal, sie erwarten einfach, dass sie bekommen, was sie wollen, und dann werfen sie uns vor, materialistisch zu sein. Materialistisch! Im letzten Jahr habe ich nicht einmal ein neues Hemd bekommen. Während sie enge Hosen und weite Hosen und gestreifte Hosen und karierte Hosen haben wollten und was weiß ich alles und zum Handball gehen und zur Gitarrenstunde und zu den Pfadfindern und zu Klubtreffen, und all das kostet Geld. Und dann sitzen sie auf ihren Hinterteilen wie die Hunde im Schlaraffenland und rühren nicht einen Finger, während Ida alle Hände voll zu tun hat. Ich weiß, das ärgert sie genau so wie mich, aber wenn ich explodiere, fährt sie dazwischen. Sie bilden eine Art Front gegen mich. Ich habe das Gefühl, von innen belauert zu werden, sobald ich nach Hause komme. Wenn ich etwas sage, antwortet sie nur, dass sie bestimmt helfen würden, wenn sie sähen, dass ihr Vater seinen Teil der Arbeit leistet. Und dass es nicht besonders lustig ist, wenn ich nur mit ihnen schimpfe, wenn sie mich endlich einmal zu sehen bekommen. Aber verdammt noch mal, ich kann meinen Teil nicht leisten, ich bin kein Büromensch, der von neun bis fünf arbeitet. Und wenn ich nach Hause komme, bin ich müde.«

      »Das ist sie wohl auch«, warf Høyer ein.

      »Dann wäre es doch nur angemessen, dass die faulen Gören ein bisschen helfen. Ich habe ihr nie versprochen, dass ich meinen Teil an der Hausarbeit mache. Ich habe versprochen, sie zu versorgen, und sie hat gewusst, was für eine Arbeit ich habe. Das ging auch gut, als die Kinder klein waren, bis sie auf die Idee kam zu arbeiten. Wir hatten eine Arbeitsteilung, die funktionierte. Hätte ich gewusst, dass sie außer Haus arbeiten will, hätte ich mir einen anderen Job gesucht. Ich finde, ich werde verarscht. Sie sagt, das sei umgekehrt.«

      »Aber ihr könnt doch ihr Gehalt nicht entbehren«, sagte Høyer.

      »Sie könnte halbtags arbeiten. Sie wird bestimmt sagen, dass wir uns das nicht leisten können, aber die Kinder könnten ja ihre Forderungen


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