In den Sand gesetzt - Skandinavien-Krimi. Kirsten Holst

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Ida nicht?«

      »Bestimmt nicht, vor allem nicht, wenn ich es vorschlage.« Therkelsen schwieg kurz. »Ha!«, platzte er plötzlich heraus. »Und das Beste weißt du noch gar nicht. Der Bengel, der Älteste, ist darauf gekommen, dass das Haus nur Ausdruck unserer Ambitionen ist. Jedenfalls hätten wir es nicht wegen der Kinder. Weißt du warum? Weil die Kinderzimmer in einem normalen Reihenhaus nur ungefähr zwölf Quadratmeter haben. Und das heißt nach seiner Rechnung, dass drei Kinder zusammen nur über 36 Quadratmeter verfügen, während die Eltern sich auf den restlichen neunzig breit machen, oder um wie viele es nun geht. Mensch, wo haben die das bloß her? Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll, wenn er mit so einem Schwachsinn kommt. Sie sind überall und ihre Musik ist überall. Wenn ich in Ruhe Zeitung lesen will, muss ich ins Bett gehen oder mich aufs Klo setzen.«

      Høyer sah ihn an. »Was willst du machen?«

      »Ich habe keine Ahnung. Was kann ich machen? Ich bin der Meinung, dass wir es ziemlich gut gehabt haben und jetzt bekomme ich zu hören, dass alles von Anfang an der reinste Alptraum war. Und sie redet so gehässig. Wahrscheinlich endet es damit, dass sie geht. Oder ich gehe. So kann es jedenfalls nicht weitergehen.«

      »Willst du dich scheiden lassen?«

      »Nein!«, rief Therkelsen. »Das heißt, nein, natürlich nicht, aber ich will mir auch nicht all ihre Vorwürfe anhören. Wenn wir keine vernünftige Lösung finden, dann ...« Er zuckte mit den Schultern.

      »Ganz schön blöd«, sagte Høyer.

      »Entschuldige, dass ich das bei dir ablade, aber manchmal wird es einfach zu viel«, sagte Therkelsen, als sie vor Høyers Haus vorfuhren.

      »Das ist schon in Ordnung«, sagte Høyer. »Solange du keinen guten Rat erwartest. Wir sehen uns morgen?«

      Er unterließ es, »grüß zu Hause« zu sagen. Es schien ihm irgendwie unpassend zu sein.

      Høyer hatte das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein, als das Telefon erneut schellte. Einen kurzen Moment glaubte er zu träumen. Oder dass es sich um eine Art Déjà–vu handelte. Wieder griff seine Frau über ihn hinweg und nahm den Hörer ab und er wartete halbwegs darauf, dass sie sagen würde: »Therkelsen«, bevor sie ihn an ihn weitergab. Er stützte sich auf die Ellenbogen.

      »Der Dienst habende Polizist«, flüsterte sie mit der Hand über dem Hörer.

      »Wie spät ist es?«, fragte Høyer schlaftrunken.

      »Halb sieben«, sagte sie.

      Høyer gähnte und griff nach dem Hörer. Und hörte zum ersten Mal von dem Mann in der blauen Badehose.

      Das Gebiet war bereits abgesperrt, als sie eintrafen. Der Ortspolizist Jønsson hatte gute Arbeit geleistet. Genau nach Vorschrift.

      Man war versucht zu glauben, dass Mord für ihn ein alltägliches Geschäft war. Die Wahrheit war jedoch, dass das in den neunzehn Jahren, die er hier Polizist war, der erste Mord war.

      Als Høyer und Therkelsen eintrafen, stand er ein Stück weiter den Weg hinauf und erwartete sie.

      »Die Spurensicherung ist bereits da«, sagte er. »Sie sind da drüben.«

      »Die müssen in ihren Kleidern schlafen, die Kerle«, sagte Høyer. »Hier entlang?«

      »Ja, ein paar hundert Meter. Sie hätten natürlich auch am Strand entlangfahren und dort parken können, aber die Leute vom Rettungsdienst haben diesen Weg genommen und ich war der Meinung, es sei das Beste, so wenig wie möglich herumzulaufen, wenn ich das so sagen darf.«

      »Ausgezeichnet«, sagte Høyer. »Obwohl es hier kaum eine Rolle spielt. Herr im Himmel, was für ein Platz.«

      Jønsson nickte verständnisvoll. »Ja, hier braucht man wohl nicht nach Fußspuren oder so etwas zu suchen und dort in der Mulde, wo er liegt, ist es genauso hoffnungslos. Außerdem waren die Sanitäter dort unten.« Er räusperte sich ein wenig. »Aber ich glaube trotzdem, dass wir ein paar interessante Sachen gefunden haben.«

      Es war ein Ausdruck von Bescheidenheit, dass er wir sagte. Alle drei wussten sie, dass er ich meinte.

      »Sie haben doch nichts angefasst?«, fragte Therkelsen.

      Jønsson sah ihn beleidigt an. »Natürlich nicht. Aber ich habe ein paar Stellen markiert.«

      »Sehen wir uns den Burschen zuerst einmal an«, sagte Høyer. »Wer hat ihn übrigens gefunden? Sie selbst?«

      »Nein, der Mann im Trainingsanzug.« Jønsson nickte in Richtung einiger Männer, die abwartend dastanden. »Er ist Deutscher. Er ist seine Morgenrunde gelaufen, als er den Mann entdeckt hat, und er sagt, dass ihm sofort klar war, dass er tot war. Er ist Apotheker«, fügte er hinzu und sah einen Moment leicht verwirrt aus, als würde er sich selbst fragen, was das mit der Sache zu tun hatte. »Also, er lief Richtung Stadt, wo er die Strandwache getroffen hat, das ist der Alte da, er dreht hier um die Zeit immer seine Runden. Er ist nach Hause gegangen und hat den Rettungsdienst informiert, während der Deutsche hier gewartet hat. Natürlich haben sie geglaubt, dass der Mann an einem Herzstillstand oder so etwas gestorben ist«, sagte er erklärend. »Erst als die Sanitäter gekommen sind und ihn umgedreht haben, um ihn auf die Bahre zu heben, da ... na ja, da bestand kein Zweifel mehr.« Er sah aus, als würde er etwas Unangenehmes schmecken. »Ein hässlicher Anblick«, schloss er. »Ein sehr hässlicher Anblick.«

      »Sie haben doch bestimmt schon mal einen Toten gesehen«, sagte Therkelsen, um ihn aufzuziehen.

      »Schon«, räumte Jønsson ein. »Ich habe mit der Zeit so einige gesehen. Aber keine ... so toten, wenn ich das so sagen darf. Und dann der ganze Sand.«

      Es war ein hässlicher Anblick.

      Der Mann in der blauen Badehose sah nicht mehr so gut gekleidet aus. Dafür sah er ganz eindeutig tot aus. Er lag jetzt auf dem Rücken, aber nicht die Flecken auf seinem Körper sprangen einem zuerst ins Auge, sondern das Gesicht. Oder das, was einmal ein Gesicht gewesen war. Irgendjemand hatte es zu einer blutigen Masse zerschlagen und anschließend die Leiche umgedreht, sodass das, was man jetzt sah, eine groteske, erstarrte Maske aus Sand und Blut war.

      Der Fotograf war bei der Arbeit. »Das Licht ist gut«, sagte er anerkennend und Høyer dachte, dass das wohl auch das einzig Gute war, was sich über die Situation sagen ließ.

      Einen Augenblick betrachtete er den Toten, dann suchte sein Blick sorgsam die Umgebung ab. Er drehte sich zu dem Ortspolizisten um. »Sagen Sie, waren da keine Kleider?«

      »Nein«, sagte Jønsson. »Nur das Handtuch dort«. Er zeigte darauf.

      »Sonderbar«, sagte Høyer.

      »Nee«, wandte Jønsson ein. »Das ist hier draußen nichts Besonderes. Die Leute gehen oft nur in Badesachen hier runter.«

      »Aber man sollte doch meinen, dass er etwas bei sich hatte«, meinte Høyer. »Zigaretten, Pfeife, Feuerzeug zum Beispiel.«

      »Vielleicht hat er nicht geraucht«, sagte Jønsson unbeirrt.

      »Ja, dann eben eine Zeitung oder ein Buch und auf jeden Fall Geld. Irgendetwas.« Høyer sah wieder auf die Leiche hinunter. »Was ist mit einer Uhr? Hatte er auch keine Uhr? Man sieht, dass er eine getragen hat.« Er zeigte auf das Handgelenk des Toten.

      Jønsson schüttelte den Kopf. »Nichts. Überhaupt nichts. Sie müsste schon unter ihm liegen, aber das glaube ich nicht.«

      Høyers neu gewonnene Erfahrungen sagten ihm, dass man nicht ohne irgendetwas zum Strand ging. Aber natürlich war das hier nicht Mallorca.

      »Ich weiß nicht«, unterbrach der Ortspolizist ihn vorsichtig in seinen Spekulationen, »ich glaube, dass der Deutsche und der Mann von der Strandwache nach Hause möchten. Aber vielleicht sollen sie Ihnen zeigen, wie äh ... die Leiche gelegen hat, als sie sie gefunden haben?«

      »Nee, das können die Sanitäter machen. Die sind so etwas gewohnt. Sie haben ihn ja auch umgedreht. Und da waren sie vielleicht doch ein bisschen


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