Frankfurter Fake News. Robert Maier

Frankfurter Fake News - Robert Maier


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bringen.

      Er goss Kaffee in seine Tasse und kippte Milch aus der Tüte hinterher. Ganz bestimmt trank er mehr Kaffee, als gesund war.

      Er hatte sich gerade am Küchentisch niedergelassen, als das Telefon zu brummen begann.

      »Hallo Olaf, ich wollte mich mal melden.«

      Gottfried. Gestern hatte er die Chemotherapie begonnen.

      »Ich hoffe, du rufst nicht aus New York, Rio oder Tokio an.«

      Gottfried war eigentlich immer irgendwo auf der Welt auf Dienstreise. Ein Glück, dass er nun endlich den ersten Therapietermin angetreten hatte. Ob er zu den Folgeterminen pünktlich erscheinen würde? Olaf war davon nicht überzeugt. Es wäre keine große Überraschung, wenn Gottfried bereits für einen Interkontinentalflug eingecheckt hätte.

      »Sei unbesorgt«, klang es aus dem Hörer. »Ich bin in Frankfurt. Und es sieht so aus, als müsste ich noch eine ganze Weile im Krankenhaus bleiben.«

      Also war es doch so schlimm, wie es die ganze Zeit den Anschein hatte. Innerhalb weniger Monate war Gottfried zu einem Skelett abgemagert. Seine Umwelt war schockiert über sein Äußeres gewesen, während ihn selbst der Darmkrebs nicht besonders gestört zu haben schien. Mehrmals hatte Olaf Gottfried dazu anhalten müssen, die Therapie zu beginnen, statt sie ständig wegen irgendwelcher Vertragsverhandlungen in Kalifornien zu verschieben. Dass es nun statt der geplanten Einzeltermine zu einem längeren Krankenhausaufenthalt gekommen war, ließ nichts Gutes über Gottfrieds Zustand erahnen.

      »Ist es schlimmer, als dein Arzt angenommen hat?«

      »Doktor Scharschmidt bleibt bei seiner Prognose von fifty-fifty«, stellte Gottfried klar. »Er will mich zur Beobachtung in der Klinik behalten. Einen Augenblick!«, sagte er unvermittelt.

      »Was ist jetzt auf einmal?«

      »Die Mail, auf die ich die ganze Zeit gewartet habe. Ich muss kurz das Handy weglegen.«

      Olaf schüttelte den Kopf. Gottfried, wie er leibt und lebt. Er sah ein Bild von ihm, im Schlafanzug mit einem Laptop auf einem Krankenhausbett sitzend. Gewiss koordinierte er gerade die Geschicke seiner Abteilung, organisierte ein Executive-Meeting oder stellte wer weiß was an, was man während einer Chemotherapie im Krankenhaus nicht tun sollte. Sein Arzt hatte ihn bestimmt nicht nur aus dem Grund dabehalten, ihm regelmäßig Blut abnehmen zu können. Er wollte verhindern, dass Gottfried das erstbeste Flugzeug nach Übersee besteigen und auf Dienstreise entwischen würde.

      Dieser Doktor Scharschmidt war ein Fuchs.

      »Das war die Mail von Bob Gionfriddo«, meldete sich Gottfried nach kurzer Zeit zurück. »Er sagt den Workshop im Rheingau zu. Lass mich schnell noch Alaia Bescheid geben, dass sie das Hotel für den 1. September buchen soll.«

      Gottfried war wieder weg. Olaf interessierte nicht, wer Bob Gionfriddo war, auch nicht Alaia, wahrscheinlich die Abteilungssekretärin.

      »Du willst doch nicht wirklich in drei Wochen in den Rheingau!«, rief er ins Telefon, bekam aber wie erwartet keine Antwort zurück. Gottfried verfasste in diesem Augenblick eine Mail an seine Kollegin, eine Verabredung zu einem Workshop zweier Unternehmen, vermutlich mit anschließender Weinprobe. War am 1. September seine Therapie überhaupt schon zu Ende?

      Es dauerte etwa eine Minute, bis Gottfried sich zurückmeldete. »Entschuldige, nun ist das geregelt.«

      »Der Rest muss sich aber von alleine regeln«, sagte Olaf. »Sie haben dich nicht zum Arbeiten ins Krankenhaus gesteckt.«

      »Das ist doch keine Arbeit«, erwiderte Gottfried lachend. »Was ist aus dem Virus geworden?«, setzte er hinzu. »Du hast ihn doch wirklich gelöscht?«

      »Selbstverständlich. Wie wir vereinbart haben«, sagte Olaf mit Nachdruck.

      »Ich kenne diesen Unterton«, kam es von Gottfried zurück. »Ich hoffe, der Virus ist mausetot.«

      »Doch, doch«, versicherte Olaf. »Unser Fall ist ja gelöst.«

      Ohne die Schnüffeleien des Virus hätten Olaf und Gottfried niemals Tobias’ letzten Mord aufgeklärt. Allerdings hatte er sich für alle als äußerst gefährlich erwiesen. Es hatte Olaf viel Überwindung gekostet, den Virus zu deinstallieren, aber es war mehr als nötig gewesen.

      »Willst du wissen, was seine letzten Worte waren?«

      »Die letzten Worte eines Virus? Hast du das Ding gelöscht oder nicht?«

      Olaf lachte. »Der Virus ist den Weg alles Irdischen gegangen. Allerdings hat er mir vor seinem Dahinscheiden noch drei Nachrichten geschickt.«

      »Ein neuer Mordfall?« Gottfrieds Skepsis schien wie weggeblasen. »Um was geht es genau?«

      »Ein gewisser Kasim Yousef wurde erschossen.«

      »Der Name klingt türkisch. Ein Deutschtürke?«

      »Im Prinzip ja. Er war deutscher Staatsbürger, stammte aus der Türkei, war aber Kurde.«

      »Was weißt du über die Umstände?«, fragte Gottfried.

      »Der Mann besaß ein Reisebüro in Bockenheim. Er wurde in einem Nebenraum seines Ladens erschossen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass jemand gewaltsam eingedrungen wäre oder es einen Kampf gegeben hätte. Die Polizei glaubt, dass der Mörder wie ein ganz normaler Kunde in das Reisebüro kam.«

      »Aber der fragte nicht nach einer Pauschalreise an die Türkische Riviera, sondern erschoss ihn?«

      »So wird es gewesen sein. Yousef wurde aus nächster Nähe in die Schläfe geschossen. Es war wie eine Hinrichtung.«

      »Ein kurdischer Deutschtürke wurde exekutiert«, resümierte Gottfried. »Das könnte politisch motiviert sein.«

      »Vorstellbar. Es gibt da einen gewissen Präsidenten in Ankara, der bei dem Wort Kurde ein Tourettesyndrom bekommt.« Olaf lachte. »Die Polizei ermittelt allerdings in eine andere Richtung: Organisierte Kriminalität, Schutzgelderpressung und so was.«

      »Woher weißt du das überhaupt?«, kam es skeptisch vom anderen Ende zurück. »Du hast den Virus doch abgeschaltet.«

      »Das war der Stand der Ermittlungen an dem Tag, an dem ich ihn gelöscht habe. Heute steht das übrigens auch in der Zeitung.«

      »Dann bin ich beruhigt, was den Virus anbelangt. Gegen die Organisierte Kriminalität zu ermitteln, ist eine Nummer zu groß für uns.«

      »Gottfried, du ermittelst da gar nichts!«, sagte Olaf bestimmt. »Sie haben dich ins Krankenhaus gesteckt, und da wirst du brav deine Therapie machen.«

      »Selbstverständlich mache ich meine Chemo und alles andere, was die mit mir anstellen wollen«, erwiderte Gottfried. »Das heißt aber nicht, dass ich hier versaure. Ich habe meinen Laptop, mein Smartphone und einen Internetanschluss: Das reicht zum Ermitteln.«

      Olaf seufzte. Gottfried war nicht dazu geboren, einen Klinikaufenthalt zur Erholung zu nutzen. Gewiss würde er sich auch noch um die Wahl eines adäquaten Rieslings kümmern, den er mit diesem Ami im Rheingau trinken wollte.

      »Gottfried, ich werde Kontrollbesuche machen und überprüfen, ob du auch wirklich im Krankenhaus bist.«

      »Hauptsache, du schickst mir keinen Virus«, sagte Gottfried, bevor er auflegte.

       4

      Kurz darauf brach das Inferno aus. Der Schlagbohrer musste riesig sein! Gestern hatte Olaf bereits einen ähnlichen Lärm erlebt, was nicht ganz ungewöhnlich war, wenn im Haus neue Nachbarn einzogen. Die Familie war vor zwei Tagen mit einem riesigen Möbelwagen und viel Tamtam in das Stockwerk unter ihm eingezogen. Seitdem dröhnte es im Haus mehrere Male am Tag, als wäre in der ersten Etage ein Presslufthammer im Einsatz.

      Als Olaf seine Tasse in die Spülmaschine stellte, glaubte er den kreischenden Bohrer in seinem Schädel zu spüren. Es fühlte sich an wie eine


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