Frankfurter Fake News. Robert Maier

Frankfurter Fake News - Robert Maier


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mit einem der Kellner am Empfang aus, dann mit einem graumelierten Herrn, der vermutlich der Eigentümer, mindestens aber der Geschäftsführer war. Sie trug eine aufregend enge Stretchhose und ein ausgeschnittenes rotes Top. Die schwarzen Locken wippten, als sie auf Olafs Tisch zulief. Ihm wurde klar, dass er aufstehen und Bussi geben sollte. Es war ein verwirrendes Gefühl, ihren Körper zu riechen und die seidenen Wangen mit seinen zu berühren. Alle im Restaurant schienen sie anzusehen. Auch als sie sich setzten, schauten einige Leute zu ihnen herüber.

      »Oh, du hast Vinho Verde bestellt«, rief sie überschwänglich.

      Er goss ihr aus der Flasche ein. »Laut Weinkarte der beste und tollste Weißwein, der je auf diesem Planeten hergestellt wurde«, sagte er mit einem schiefen Grinsen. »Ich hoffe, er schmeckt dir.«

      »Ich werde ihn testen.« Sie hob das Glas, um mit ihm anzustoßen. Olaf fiel auf, dass sie das mit der zur Schau gestellten Begeisterung eines It-Girls tat, das einen hochdotierten Vertrag zu erfüllen hatte, nicht wie die Sara, die er gewohnt war.

      Kannte er sie überhaupt?

      Als sie das Glas abstellte, verzog sie genussvoll das Gesicht.

      »Wie geht es dir jetzt?« Olaf hatte sich zu der offensten Frage entschlossen, die ihm in den Sinn gekommen war.

      »Befreit«, sagte Sara. »Ich verjuxe das Geld meines Mannes.« Sie nahm einen weiteren Schluck. Das Glas war bereits fast leer.

      »Die Finca auf Mallorca«, Olaf schenkte ihr nach. »Du hast sie verkauft.«

      »Es musste schnell passieren. Deshalb bin ich kurzfristig nach Palma geflogen.«

      Der Kellner stellte Oliven und einen Brotkorb auf den Tisch. Sara schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das er mit einem diskreten Schmunzeln erwiderte. Der graumelierte Herr, der Sara zuvor begrüßt hatte, erschien, um die Bestellung aufzunehmen. Offenbar wurde Sara stets vom Chef persönlich bedient. Olaf hatte sich bereits für das Risotto mit Steinpilzen entschieden. Als Sara zu ihren Pappardelle als Nachspeise eine Mousse au Chocolat orderte, bestellte auch er eine. Mit der Miene eines Mannes, der die Gäste zur getroffenen Wahl der Speisen nur beglückwünschen konnte, verschwand der Graumelierte in den Tiefen des Restaurants.

      »Hast du dein Honorar bekommen«, fragte sie, als sie wieder unter sich waren, »oder bist du leer ausgegangen, weil die Polizei den Fall selbst gelöst hat?«

      Wie es schien, glaubte sie noch immer, er wäre ein Privatdetektiv.

      »Ich habe das sowieso quasi ehrenamtlich gemacht.«

      Sie lachte so heftig, dass erneut alle im Restaurant zu ihnen herübersahen. Es war nicht das sinnliche Lachen, das sie sonst auszeichnete. Es klang, als würde sie ihn auslachen. »Ich glaube nicht, dass du ein privater Ermittler bist«, sagte sie spöttisch.

      »Ich bin tatsächlich so etwas wie ein ehrenamtlicher Privatdetektiv«, stellte Olaf klar. »Ich arbeite ohne Bezahlung, sogar ohne Auftrag, und habe meine ganz eigenen Methoden.«

      »Auf den Robin Hood von ›Frankfurt Forrest‹!« Sie prostete ihm mit einem ironischen Grinsen zu. Dann nahm sie einen großen Schluck. »Welche Methoden zeichnen dich als Superspürnase aus?«

      »Willst du es wirklich wissen? Ich müsste dazu ein wenig ausholen, um es zu erklären.«

      Sara griff nach ihrem Glas, schien zu bemerken, dass es nach einem weiteren Schluck leer wäre, und stellte es, ohne zu trinken, zurück auf den Tisch. »Mir ist sowieso langweilig, und Zeit haben wir genug.« Sie schien sich bewusst ein wenig nach vorne zu beugen, um Olaf einen verwirrenden Blick in ihr Dekolleté zu gewähren.

      »In meinem letzten Fall habe ich einen Handyvirus eingesetzt«, begann Olaf. Er erklärte, wie er durch ihn die vertraulichen Informationen der Polizei erhalten hatte. Dass dies zunächst unbeabsichtigt passiert war, verschwieg er allerdings, ebenso die vielen Irrtümer, denen er im Laufe der Ermittlungen aufgesessen war.

      Sara hörte ihm so gespannt zu, dass sie vergaß, von ihrem Wein zu trinken. »Und du hast den Virus tatsächlich selbst programmiert?«, fragte sie schließlich.

      Olaf erzählte von seinem Beruf als IT-Experte, dass er als Security-Spezialist gearbeitet hatte, seit Kurzem erst in Rente war, und von seinen Hackerwerkzeugen, die er für seine ganz und gar nicht legalen Einsätze nutzte.

      »Du kannst wirklich Daten von fremden Laptops abgreifen?« In ihrer Stimme lag beides, Skepsis und Bewunderung.

      »Auf diese Weise bekam ich die entscheidenden Informationen zu dem Fall.«

      Sara trank ihr Glas leer, Olaf schenkte nach. Sie lächelte ihn selig an. Offenkundig hatte sie von dem Wein einen Schwips. Die Flasche war leer.

      »Soll ich noch einen Vinho Verde bestellen?«

      »Auf keinen Fall!«, sagte sie etwas zu laut.

      Vernünftiges Mädchen, dachte Olaf.

      »Zum Essen trinken wir einen Primitivo.«

      Sie winkte dem Graumelierten, der eilfertig ihre Wein-Bestellung entgegennahm.

      »Bist du wieder an einem ehrenamtlich zu lösenden Mordfall dran?«, fragte sie daraufhin.

      Olaf zögerte einen Moment. Er hatte Sara gerade so viel über seine kriminalistischen Eskapaden erzählt wie, von Gottfried abgesehen, niemand anderem. Sollte er sie nun auch noch in den neuen Fall einweihen?

      »Kannst du Geheimnisse für dich behalten?«

      Sie blickte ihn herausfordernd an. Fast glaubte er zu sehen, dass sie sich erregt auf die Unterlippe biss.

      »Bei mir sind deine schmutzigsten Geheimnisse bestens aufgehoben«, säuselte sie ironisch.

       8

      Olaf hatte alles, was er von Günther und dem Mann vor dem Reisebüro erfahren hatte, für Gottfried in einer Nachricht zusammengefasst. Wie erwartet, wollte der sich aber nicht mit einer Messenger-Nachricht abspeisen lassen, sondern den Fall telefonisch durchsprechen. Sie hatten zweiundzwanzig Uhr verabredet.

      Olaf spürte den Alkohol in seinem Kopf herumschwirren, als er seine Wohnung erreichte. Auch wenn Sara mehr getrunken hatte als er, hatten sie zusammen zwei Flaschen Wein geleert.

      Sein Sohn Tobias war für heute Abend mit Freunden verabredet und würde nicht zu Hause übernachten. Olaf hatte also »sturmfrei«, wie seine Kinder das früher genannt hätten.

      Um fünf vor zehn spielte das Handy ›The Passenger‹ von Iggy Pop, Gottfrieds Klingelton. Dem musste fürchterlich langweilig sein.

      »Sie wünschen?«, meldete sich Olaf im Stile eines altmodischen Herrenausstatters.

      »Witzbold. Hier ist Gottfried.«

      »Wird bei euch im Krankenhaus nicht um neun das Licht ausgeknipst?«

      »Ich habe mich auf dem Jungsklo eingesperrt«, spielte Gottfried mit. »Aber nun ernsthaft: Yousef soll der Kopf eines menschenverachtenden Pädophilenrings sein, und die Boulevardzeitungen stürzen sich nicht darauf? Niemals.«

      Olaf nahm mit einem Glas Sprudelwasser am Esstisch Platz. »Vielleicht hält die Polizei die Information unter Verschluss, um an weitere Hintermänner heranzukommen.«

      »Möglich. Aber warum wird dann verbreitet, sie ermitteln in Richtung Organisierte Kriminalität? Die Polizei könnte sich völlig bedeckt halten oder etwas weniger Spektakuläres kolportieren als Bandenkriege und Schutzgelderpressungen.«

      »Du meinst, wir sollten die Organisierte Kriminalität als Option nicht ausschließen?«

      »Absolut. Weil die Polizei davon ausgeht.«

      »Ich habe keine Lust, mich mit einer Mafia anzulegen«, sagte Olaf. »Da kann man schnell mal von einer Bombe in die Luft gesprengt werden …«

      »Oder man wird im Fundament eines Neubaus einzementiert«, unterbrach


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