Frankfurter Fake News. Robert Maier

Frankfurter Fake News - Robert Maier


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Ausschau nach dem geeigneten Moment für ein verkehrswidriges Überqueren der vielbefahrenen Straße, als das Handy erneut brummte. Diesmal war Gottfried dran.

      »Wie gehen die Ermittlungen voran?«

      Olaf verdrehte die Augen. »Genieße deine Therapie und halt dich einfach mal aus allem raus.«

      »Ich sitze brav auf meinem Bett. Mehr kann Doktor Scharschmidt nicht von mir verlangen.«

      »Und auf dem Schoß hast du gewiss deinen Laptop, und dein Handy scheint ja auch in deiner Nähe zu sein.«

      Gottfried lachte in der hüstelnden Art, die nicht zu ihm, sondern zu seiner Krankheit gehörte. »Ich habe alle Zeit der Welt, dich zu unterstützen.«

      »Wenn ich dich brauche, sage ich Bescheid. Jetzt werde aber erst mal gesund.«

      »Dafür sorgt ja das Krankenhauspersonal«, erwiderte Gottfried, »und die machen das sehr professionell. Ich brauche bloß herumzuliegen. Da kann ich die eine oder andere Recherche machen oder mit dir an dem neuen Fall knobeln.«

      Olaf seufzte. Gottfried in ein Krankenhaus einzusperren, war wie einen Zugvogel im Käfig zu halten. Die Ärzte versuchten, ihn vor dem Krebs zu retten, aber er lief Gefahr, vor Langeweile zu sterben. »Also gut, was willst du wissen?«, lenkte er ein.

      »Alles«, kam von Gottfried zurück. »Was hast du herausgefunden?«

      Wieder war die Ampel von Grün auf Rot gesprungen.

      »Ich kann das nicht einfach so auf der Straße erzählen. Neben mir stehen Leute, die alles mithören.«

      »Dann stelle ich dir Fragen, die du mit Ja oder Nein beantwortest«, schlug Gottfried vor. »Hat sich die Theorie mit der Organisierten Kriminalität erhärtet?«

      Olaf stöhnte auf. »Ich bin nicht in der Stimmung für Ratespiele. Ich schicke dir eine Nachricht, wenn ich zu Hause bin.«

      Er beendete das Gespräch, bevor Gottfried etwas erwidern konnte.

      Die Ampel stand noch auf Rot. Ob er jemals diese Straße überqueren würde? Er stellte das Handy laut. Gerade, als er es zurück in die Tasche stecken wollte, erwachte es mit Radau zum Leben:

      »Ritz am Baa, Ritz am Baa …« Das alte Faschingslied. Er hatte es eigens für Uwe ausgewählt, um sich ein wenig über den alten Rocker lustig zu machen. Jetzt auf der Straße inmitten der Passanten, die ihn mit irritierten Blicken musterten, kam ihm der Klingelton doch etwas albern vor.

      »Hey Olaf, alles frisch?«

      Die Ampel war grün. Rasch setzte er sich in Bewegung. »Ich kann nicht genug klagen. Was treibt dich um?«

      Selbstverständlich war das eine rhetorische Frage, denn Olaf kannte den Grund für Uwes Anruf. Der setzte alles daran, die Band von früher wiederzubeleben. Olaf war nicht überzeugt, ob er an die ohrenbetäubenden Rock-Exzesse seiner Jugend anknüpfen wollte, hatte aber versäumt, zum richtigen Zeitpunkt laut und deutlich Nein zu sagen.

      »Ich bin gerade dabei, die erste Probe zu organisieren. Montag neunzehn Uhr?«

      Uwe wollte tatsächlich den Sack zumachen. »So bald? Haben wir denn einen Proberaum?«

      »Klar«, kam es von Uwe zurück, »sogar einen richtig geilen.«

      Olaf wusste, dass von ihm nun ein »Und wo ist der?« und ein »Was ist das Geile daran?« erwartet wurde, entschloss sich aber, für den Moment ungnädig zu sein.

      »Wir proben bei Hubert im Keller«, kam es nach einer kurzen Pause begeistert zurück.

      »Bei ihm zu Hause?« Sollte die Band etwa im Kellerabteil eines Mehrfamilienhauses üben?

      »In seinem Keller«, stellte Uwe entzückt klar. »Er hat sein eigenes Haus. In Preungesheim. Jetzt haben wir einen Proberaum und müssen nicht einmal Miete dafür zahlen.« Uwe klang, als verkündete er gerade, sechs Richtige im Lotto zu haben. »Also Montag neunzehn Uhr?«

      Olaf hatte die Bockenheimer Warte erreicht. »Das sollte klappen«, sagte er ins Telefon. »Auf uns wartet eine goldene Zukunft als Rockstars.«

      Er hörte noch Uwes gackerndes Lachen, bevor er auflegte.

      Olaf stieß einen leisen Fluch aus, als kurz darauf schon wieder das Telefon rumorte. Diesmal war es Tobias.

      »Hallo Papa. Ich habe heute Morgen meine Crunchies leergemacht. Du gehst heute doch bestimmt noch einkaufen. Kannst du mir welche mitbringen?«

      »Okidoki. Mach’ ich.«

      Es war ein kurzes Telefonat. Olaf würde das Zeug auf der Berger Straße besorgen und sich danach das Geld aus der gemeinsamen Haushaltskasse nehmen.

      Ein seltsames Gefühl, mit seinem erwachsenen Sohn in einer Art WG zusammen zu wohnen. Dabei schien Tobias geglaubt zu haben, er würde seinem Vater etwas Gutes tun, als er nach Carolas Tod zurück in die elterliche Wohnung gezogen war. Manchmal benahm er sich allerdings wie ein Nesthocker, was ganz und gar nicht zu seiner Rolle als Polizist passte.

      Noch immer war es für Olaf ein Rätsel, warum sein Sohn zur Polizei gegangen war. Das Soziologiestudium wäre genau sein Ding gewesen. Damals war Tobias von seinem Studium begeistert gewesen, hatte gerne und kompetent erzählt, womit er sich in der Uni beschäftigt hatte. Und dann diese unerwartete Wende. Hätte er das Studium abgeschlossen, wäre Tobias gewiss glücklicher geworden, definitiv glücklicher als bei der Mordkommission, wo er alles andere als erfolgreich war und seine Kollegen ihn spüren ließen, dass sie ihn für den Job ungeeignet hielten. Tobias war einfach nicht der richtige Typ, um Bulle zu sein. Sein Sohn brauchte unbedingt einen Erfolg. Dadurch könnte er ein bisschen Vertrauen in seine Arbeit gewinnen und sein Ansehen bei den Kollegen verbessern.

      Es war ein ausgesprochener Glücksfall gewesen, als der Virus plötzlich geheime Informationen zu Tobias’ damaligem Mordfall an Olaf geschickt hatte. Nicht nur für Olafs Neugierde und Abenteuerlust, auch als Gelegenheit, hinter Tobias’ Rücken eigene Ermittlungen anzustellen.

      Leider hatte sein Chef die Lorbeeren eingeheimst, als Tobias den Mörder auf dem Silbertablett serviert bekommen hatte.

      Das würde Olaf mit dem Mörder von Kasim Yousef nicht passieren!

       7

      Als Olaf kurz vor sieben das Restaurant Enrico betrat, fühlte er sich am falschen Ort. Dem Kellner, der ihn mit arroganter Freundlichkeit nach seiner Reservierung fragte, nannte er Saras Namen. Er wurde an elegant eingedeckten Tischen vorbei zu seinem Platz am Fenster geleitet.

      Sara war noch nicht da. Er vertrieb sich die Zeit zunächst damit, die Restaurantgäste zu beobachten: Durchschnittsalter Ende dreißig, Krawatten, edle Damenhandtaschen, viel Geld. Hier zu essen, könnte eine kostspielige Angelegenheit werden. Er nahm sich die Speisekarte vor und wurde durch die saftigen Preise neben den ausschweifend beschriebenen Gerichten in seiner Einschätzung bestätigt.

      Der Kellner fragte ihn, was er zu trinken wünschte. An den Nachbartischen wurden vorwiegend Cocktails und Wein getrunken, für Olaf ein Grund, einen Sauergespritzten zu bestellen.

      »Einen Tiefgespritzten, bitte.«

      Das Gesicht des Kellners entgleiste für eine Sekunde, bevor er eine hochnäsige Miene aufsetzte. »Wir haben keinen Apfelweinausschank.«

      »Kein Apfelwein in einem Frankfurter Restaurant!« Olaf schüttelte in gespieltem Tadel den Kopf, merkte aber gleich, dass seinem Gegenüber der Sinn für diese Art Humor fehlte. »Dann bringen Sie mir bitte die Weinkarte.«

      Es dauerte vornehme zehn Minuten, bis Olaf die Karte an seinen Tisch bekam. Nach eingehendem Studium der mit üppigen Beschreibungen ausgestatteten Weinkarte bestellte er eine Flasche Vinho Verde von einem, wie es schien, hochbegabten Winzer aus dem Alentejo in Portugal. Vielleicht traf er damit Saras Geschmack.

      Er sah auf dem Handy nach, ob sie ihm vielleicht eine Nachricht geschickt hatte. Immerhin waren es beinahe


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