Sommer war es. Iselin C. Hermann

Sommer war es - Iselin C. Hermann


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Äußerungen über die Beschlüsse und Zukunftspläne der Liga – ad 3: Wir geloben ewige Treue.«

      »Einverstanden!« Die Jungen lachen. Aber Vetter Frisse ist sehr ernst. Das hier ist viel besser als alles, was James Bond jemals erlebt hat.

      Puer ernennt sich selbst zum KUH-rator, Østen wird Sekretär und verpflichtet sich, jährlich einen Bericht über seine Sekrete abzugeben. Hoftölpel wird Kassierer der KUH-Kasse. Wir anderen sind gemeine Mitglieder und bekommen Nummern unserem Alter entsprechend. Frisse bettelt, ob er nicht meine Nummer bekommen kann. Aber das geht nicht, man kann schließlich nichts an der Reihenfolge ändern. Bevor wir aufgenommen und vollgültige Mitglieder der Geheimen Liga werden, muß ein Ritual erfolgen, auch das in numerischer Reihenfolge. Die Jungen drehen uns den Rücken zu und konferieren leise in einer Ecke darüber, wie das Aufnahmeritual aussehen soll. Ausdrücke wie »Aufhängen an den Brustwarzen« und »Pfeil und Bogen mit einem Apfel auf dem Kopf« lassen uns erschaudern. Wir sitzen ganz still in der Ecke und warten auf den Beschluß. Es ist schwierig, die Hände zwischen die Beine zu legen, wenn man ein langes Kleid trägt. Als der Beschluß gefaßt ist, drehen sie sich um und machen mit der flachen Hand Schneidebewegungen in der Luft.

      »Da-da-da-daaa!« Sie zeigen die Zähne.

      Ich bereue es, daß ich Frisse nicht meine Nummer überlassen habe!

      »Bananensuppe! Auf den Boden!«

      Einer hält die Beine, einer die Arme, und dann kitzeln sie mich alle, sie kitzeln unablässig, sie schnappen und kneifen, bis ich keine Luft mehr bekomme. Sie singen Kriegsgesänge und geben mir Bananensuppe, und ich sterbe fast. Vor Lachen.

      »Und haaalt!« Der Vorsitzende hebt eine Hand. Seine Hand ist Gesetz.

      Einer nach dem anderen werden wir Mitglieder in der Geheimen Liga. Die Jungen bekommen auch! Das beschließen die neuen Mitglieder. Wir schreien durcheinander, singen, brüllen, und Puer lacht wie ein Blasebalg, als er Suppe bekommt.

      »Was geht denn hier vor, wenn ich fragen darf?« Großvater steht in der Tür und sieht, vorsichtig ausgedrückt, überrascht aus.

      »Raaaus! Das ist geheim!« rufen die Jungen im Chor, und Großvater, der genau sieht, daß er hier nichts zu suchen hat, zieht sich zurück.

      Ist das wirklich passiert? Kann es sein, daß die Geheime Liga stärker ist als Großvater? Das kommt einem fast widernatürlich vor.

      »Der Patient hat die isolierte Ambulanz verlassen. Aufgepaßt!«

      Ich bin gerade aufgestanden und habe meine Onkel betrachtet, die schnaufend im Gras unter der Kletterbuche liegen. Da liegen meine Onkel stripp, strapp, strull und prusten, weil sie Ambulanz für mich gespielt haben. Østen wirft sich auf mich und schreit, daß ich Suppe bekommen werde.

      »Außerordentliche Vollversammlung!«

      »Einverstanden!«

      Und dann werfen sie mich um, der eine hält meine Arme, der andere meine Beine, und Puer sorgt für die Bananensuppe, er hackt mit der flachen Hand, kitzelt mich am Bauch und zwickt mich in die Seite. Es kitzelt, es kitzelt, es kitzelt! Und da, wo bisher etwas aus meinem Mund kam, was Weinen genannt wird, da kommt jetzt richtiges Lachen. Es leuchtet irgendwie orange und kommt von da, wo das Lachen sitzt, in der Nähe des Herzens, glaube ich.

      »Und haaalt!« Puer gibt mit seiner rechten Hand der linken den Befehl, aufzuhören.

      Jetzt liegen wir alle vier im Gras, durcheinander und nicht nach dem Alter. Da liegen wir.

      Die Kletterbuche ist der größte Baum, den ich kenne. Ich kenne nur einen, der ganz oben in der Spitze war. Das ist Puer. Er hat vor nichts Angst. Er ist rückwärts auf dem Querbalken in der Scheune gegangen, hat sich unter einem fahrenden Zug festgehalten, und er hat oben auf dem Dachboden eine Kanone abgefeuert. Eine kleine Kanone, aber immerhin. Bei der Gelegenheit hat er sich die Augenbrauen abgesengt, aber sie sind wieder gewachsen. Er behauptete, man könne von der Spitze der Kletterbuche aus Stockholm sehen. Der Stamm ist so dick, daß selbst achtundzwanzig Trolle ihn nicht umfassen können. Die Rinde ist knorrig und knollig und schneidet merkwürdige Grimassen. Wenn ich unter dem Baum liege und in die gewaltige Krone schaue, dann ist es so ähnlich, wie in einem Ruderboot mitten auf dem Meer zu sitzen und nach unten zu schauen. Weit, weit hinunter in das tiefe, kalte, grüne Wasser. Ein Vogel wippt auf einem Zweig, ein Fisch gleitet vorbei. Es rauscht, und der Wind peitscht weiße Wolken auf dem Himmelsmeer.

      Ich wachte auf und war mir dennoch der Tatsache bewußt, daß ich schlief. Sehr merkwürdig. Ich wachte also auf davon, daß ich schlief. Und da war mir auch sofort klar, daß ich im gelben Gästezimmer lag, ich wußte aber nicht, wie ich ins Bett gekommen bin oder ob es Morgen oder Abend war. Nacht war es nicht, so viel konnte ich sehen. Draußen war das Licht am Verhungern, oder war es die Dunkelheit? Wenn ich mit meinem kleinen Bruder auf dem Spielplatz bin, dann lasse ich ... o weh, o weh ... meinen kleinen Bruder auf der Wippe verhungern. Ich weiß nicht, ob draußen vor den Fenstern jetzt gerade das Licht oder die Dunkelheit schwerer ist.

      Wenn ich groß bin, dann will ich einen Mann heiraten, der die Uhr lesen kann, auch wenn die vielleicht dünn gesät sind. Denn ich selbst werde es nie begreifen: Der große und der kleine Zeiger und die Zahlen, die gleich sind, die zehn Minuten nach, aber auch zwei Stunden bedeuten, sowohl Morgen als auch Abend, oder halb und sechs! Wenn die beiden Zeiger da übereinander sind, sagen die Erwachsenen, daß es halb sechs ist, aber sie sagen nicht, ob es Morgen oder Abend ist. Jedesmal, wenn mein Vater versucht, es mir beizubringen, fange ich an zu weinen, er wird ungeduldig und sagt, ich mache es viel komplizierter, als es ist. Ich kann ihm nicht erklären, daß es eben so schwierig ist, daß es keine Worte gibt, es zu beschreiben. Und dann gibt es Tränen. Und rechts und links. Das ist auch nur zum Weinen. Stellen wir uns vor, daß ich aus dem Kindergarten komme und nach Hause will, dann gehe ich nach rechts, aber morgens, wenn ich von zu Hause komme und zum Kindergarten soll, dann muß ich nach links, vielleicht ist es auch umgekehrt. Und das ist nicht so, weil der Kindergarten sich im Lauf der Nacht bewegt hat. Es ist noch nicht lange her, da habe ich ein Gummi um den einen Zeigefinger gewickelt, kurz bevor ich abgeholt wurde, damit ich sehen konnte, ob es wirklich stimmte. Aber als ich am Abend ins Bett gehen sollte, war mein Finger doppelt so dick, das war gefährlich. Irgendwas mit Risiko für Wundbrand. Und dann kam das Gummiband weg. Ich habe es also nie herausgefunden. Es kann gut sein, daß jemand der Meinung ist, das mit rechts und links sei wichtig, aber ich will es nicht lernen, weil es verkehrt ist.

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