Linksaußen. Hermann economist Schmidt

Linksaußen - Hermann economist Schmidt


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des linken Läufers, später die des Mittelfeldspielers oder Spielmachers an.

      Im modernen Fußball nun gibt es die klassische Rollenverteilung nicht mehr. Wie sich die Taktik und die Strategie im Fußball verändert haben, warum es den Linksaußen des WM-Systems und des 4-3-3 nicht mehr gibt, wieso sich im Laufe der Jahrzehnte eine völlig neue Variante in der Gestaltung der Position des Linksaußen entwickelt hat und warum wir dennoch getrost davon ausgehen dürfen, dass der Fußballsport sich viel weniger verändert hat, als uns alle Fußballtheoretiker dieser Welt gerne weismachen wollen, das soll hier erläutert werden, und auch, welche einzelnen Spielerpersönlichkeiten die Position der Nummer 11 zu etwas ganz Besonderem im Fußballsport gemacht haben.

      Die von mir in diesem Buch vorgenommene Auswahl der besten Flügelflitzer der Welt auf linksaußen ist eine sehr subjektive. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder gar „Richtigkeit“, und sie beinhaltet eine Handvoll Spieler, die als herausragende Fußballer den großen Sprung in die Bundesliga oder den internationalen Fußball nicht oder noch nicht geschafft haben. Für manche Fans und für mich aber waren und sind sie trotzdem Helden.

      Außergewöhnliche Spielerpersönlichkeiten und Charaktere prägen das Bild der Spezialisten auf dem linken Flügel, und wahrscheinlich gibt es neben den Torhütern und den Spielmachern, also den klassischen „Zehnern“, kaum eine Position innerhalb einer Mannschaft, die die Fans im Laufe der Geschichte des Fußballs so sehr fasziniert hat wie die des Linksaußen. Während die Verteidiger und andere Defensivkräfte im traditionellen Fußball das eigene Tor absichern, den Spielaufbau der gegnerischen Mannschaft blockieren und zerstören und sich von daher auf die destruktiven Aspekte des Fußballsports konzentrieren müssen, beleben die offensiven Spieler die Strategie des Spiels über mehr als ein Jahrhundert hinweg durch ihre eindeutige Ausrichtung all ihrer spielerischen Fertigkeiten auf das Erzielen eines Tores.

      Im Mittelpunkt des Zuschauerinteresses stehen daher nicht immer und ausschließlich die Spielmacher-Persönlichkeiten, die dem Spiel ihren Stempel aufdrücken, sondern auch diejenigen Spieler, die die Tore unmittelbar vorbereiten und selbst erzielen. Das waren früher die Außenstürmer auf rechts und links und der Mittelstürmer, das sind heute die Männer auf den Außenbahnen und in der Spitze. Überdurchschnittliche Spieler auf diesen Positionen prägen den Fußball und das Spiel ihrer Mannschaft. Schnelle Flügelflitzer, fintenreiche und elegante Dribbler, Goalgetter, die beim Abschluss nicht lange fackeln: Das wollen die Fans sehen.

      Mein Buch über die besten Linksaußen der Welt soll zeigen, wie sich der Fußball auf der Position des linken Außenstürmers im Laufe der Jahrzehnte verändert hat und welche Menschen und Spielerpersönlichkeiten ihn in den unterschiedlichsten Vereinen und Ländern der Welt rund um den Erdball prägten. Zugleich ist es ein Versuch, die Frage zu klären, ob es den klassischen Linksaußen in der Welt des Fußballs überhaupt noch gibt und ob es ihn jemals wieder in seiner einstigen Prägung geben wird.

       Hermann, du hast über zwanzig Jahre als Linksaußen in Amateurmannschaften gespielt. Wie sah damals das Fußballtraining im Amateurfußball aus?

      Hermann Fischbach: In unserem knapp 800 Einwohner zählenden Dorf spielte fast jeder halbwegs sportliche junge Mann Fußball. Sonst hätten wir keine zwei Mannschaften zusammenbekommen. Die Qualitäten der einzelnen Spieler und deren technische Fähigkeiten waren sehr unterschiedlich. Wer allerdings in der ersten Mannschaft spielen wollte, musste zumindest konditionell auf der Höhe sein. Deshalb stand im Vordergrund des damaligen Trainings die Konditionsarbeit. Wir sind ganz oft 10 km und mehr am Stück gelaufen, und die am Ball weniger begabten Spieler waren oft diejenigen mit der meisten Luft.

       Was wurde am Ball und mit dem Ball geübt?

      Hermann Fischbach: Das, was man heute in fast allen Mannschaften der Welt auch macht, Standards trainieren wie Freistöße und Ecken, Schulung des Zweikampfverhaltens, Förderung der Antrittsschnelligkeit, Sprints über kurze Strecken, Kopfballschulung, Flachpassspiel, Beweglichkeit und immer wieder Kondition.

       Was unterschied den damaligen Fußball von dem der Gegenwart?

      Hermann Fischbach: Zunächst einmal die Athletik. Früher spielten auch Spieler, die aufgrund ihrer mangelnden Fitness heute nicht mehr mithalten könnten. Fußball ist heutzutage mehr denn je ein Laufspiel. Ohne Schnelligkeit und Kondition geht es nicht mehr. Auch in den unteren Klassen kann ein Standfußballer keinen Beitrag mehr für eine Mannschaft leisten. Es gab früher viele Spieler im Amateurfußball, die am Ball nicht schlecht waren, aber keine Laufbereitschaft zeigten. Umgekehrt galt das genauso: Häufig waren Fußballer bei den Amateuren mehr Dauerläufer oder Sprinter als irgendetwas anderes. Das gibt es heute nicht mehr, vor allem nicht im höherklassigen Bereich. Gewisse Mindestvoraussetzungen muss ein ambitionierter Spieler heutzutage sowohl in der Ballbeherrschung wie auch im läuferischen Bereich mitbringen.

       Und wie hat sich die Taktik in den letzten Jahrzehnten verändert?

      Hermann Fischbach: Früher war das Spiel Mann gegen Mann in allen Klassen Gesetz. Der Verteidiger hatte seinen Gegenspieler auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Die Sturmspitzen rechts, links und in der Mitte blieben in aller Regel bei gegnerischen Angriffen vorne stehen und warteten an der Mittellinie, bis die eigene Mannschaft wieder im Ballbesitz war. Erst dann ging die Post wieder ab. Es kam auch nicht oft vor, dass Positionen gewechselt wurde. So viel Fantasie war damals nicht gefragt beim Fußballspielen.

       Und wie hast du dein Fußballspiel im Laufe der Jahre auf dem linken Flügel entwickelt?

      Hermann Fischbach: Ich war ein atypischer Linksaußen. Weil ich vom Torwart bis zur Nummer 11 eigentlich alles schon einmal gespielt habe, ging ich bereits in meiner Zeit als Jugendlicher mit zurück, wenn es sein musste. Gegen starke Gegner habe ich defensiv gespielt, aber in all den Jahren war mein Platz vor allem an der linken Außenlinie, immer dann, wenn zum Sturm geblasen wurde.

       Was macht einen guten Linksaußen aus?

      Hermann Fischbach: Schnelligkeit, Ballbeherrschung, Übersicht, beidfüßiger Abschluss, Fantasie. Das gilt heute, und es galt vor fünfzig Jahren. Ich bin im Übrigen sicher, dass der Fußball nicht „stehen bleibt“, sondern dass er sich fortlaufend ändert. Und irgendwann könnte auch einmal wieder ein Linksaußen gefragt sein, der ausschließlich vorwärts agierend dem Spiel den Stempel aufdrückt. Ribéry, Robben und Reus sind drei Spieler, die dem, was vor Jahrzehnten als „klassischer Außen und Linksaußen” bezeichnet wurde, sehr nahekommen. Es wird überhaupt sehr viel über Fußball geredet und geschrieben, vor allem über Strategie und Taktik, dabei unterscheiden sich viele Systeme und viele Spieler heutzutage nur unwesentlich von dem, wie früher eine Mannschaft eingestellt wurde. Der wesentliche Unterschied scheint für mich im Vergleich zu früher darin zu liegen, dass die Anforderungen an gute, höherklassige Spieler in puncto Kondition und Kraft enorm gestiegen sind.

      Anmerkung des Autors:

      Hermann Fischbach starb im Sommer des Jahres 2013 an einer Krebserkrankung. Neben seiner Familie und seinem Beruf gehörte dem Fußball und seinem Heimatverein, dem SV 1911 Eckelshausen, sein ganzes Herz. Zu seiner Zeit war er sicher einer der besten Linksaußen in Oberhessen. Das Interview wurde kurz vor seinem Tod geführt.

       Helden meiner Jugend

       Der „Flutlicht-Meier“, Eintracht Frankfurt und Gerd Becker, Karlsruher SC

      Gerne wird der deutsche Fußball von seinen Kritikern so dargestellt, als sei er über Jahrzehnte hinweg taktisch rückständig gewesen, von besonders starker Defensivorientierung geprägt. Richtig ist, dass in den Schüler- und Jugendmannschaften vor allem Wert auf Zerstörung und Ordnung gelegt wurde. Sieht man sich die starken deutschen Vereinsund Nationalmannschaften in Vergangenheit und Gegenwart an, so bestätigen sich solche Verallgemeinerungen eher nicht. Alle national und international erfolgreichen Mannschaften aus Deutschland waren und sind von genialen Regisseuren, grandiosen Ballzauberern und dynamischen Außenstürmern


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