Linksaußen. Hermann economist Schmidt
in die damalige „amerikanische Zone” in Westdeutschland. Er wechselte zum VFB Volkmarsen in Nordhessen, wo er sich unter den Fittichen des Vaters des späteren Profis von Eintracht Frankfurt, Horst Trimhold, noch einmal deutlich als Fußballer weiterentwickeln konnte.
Nach einem einjährigen „Exil” kehrte Hans Schäfer zurück an den Rhein und schloss sich wie geplant dem Klub Sülz 07 an. Durch den sich anschließenden Zusammenschluss von Sülz 07 mit dem Kölner Ballspiel-Club (KBC) war Hans Schäfer plötzlich hoffnungsvoller Angreifer in einem Klub, dem 1. FC Köln, der unter Leitung des Unternehmers Franz Kremer alsbald zu einem der führenden Fußballvereine in Deutschland heranreifen sollte.
Hans Schäfer springt über den Karlsruher Torwart Paul. Zweiter Spieltag der neu gegründeten Bundesliga, 31.08.1963: 1. FC Köln - Karlsruher SC (4:0).
Von 1948 an spielte Hans Schäfer für den 1. FC Köln. Sein Trainer war niemand anderer als Hennes Weisweiler. Nicht im Straßenkreuzer oder im Porsche fuhr Hans Schäfer zum Training, sondern mit der Straßenbahn begab er sich von Zollstock aus auf den Weg nach Müngersdorf. In den ersten Jahren seiner großartigen Karriere überragte bei Hans Schäfer noch das kämpferische Element, seine Dynamik, seine Schnelligkeit, sein Biss. Erst in den späteren Jahren reifte er zu dem exzellenten Techniker, der ihn zum besten Linksaußen des Landes werden ließ. Auffällig war von jeher für Beobachter des Kölner Fußballs, dass Hänschen Schäfer, wie er alsbald landauf, landab genannt wurde, eine völlig neue Variante des Flügelstürmers auf der linken Seite des Spielfelds zelebrierte. Hans Schäfer war seiner Zeit weit voraus. Er begann das Spiel zwar wie jeder Reservekicker auf der Mittellinie in Höhe der Außenlinie und sprintete bei eigenem Anstoß nach vorne. Aber er war darüber hinaus von der ersten bis zur letzten Minute unterwegs auf dem Feld, vorrangig auf der linken Außenbahn, aber eben nicht nur im Vorwärtsgang von der Mittellinie aus, sondern von hinten nach vorne über das ganze Feld, er wechselte den Flügel, er leistete Abwehrarbeit, er ging hart in die Zweikämpfe, praktizierte Pressing bei gegnerischem Ballbesitz bereits in der Hälfte des Gegners, und er verstand es auf geniale Weise, mit zwei, drei Zügen den Gegenschlag zu eröffnen und eigene Feldüberlegenheit in zählbare Torerfolge umzumünzen.
Der damalige Präsident des 1. FC Köln, Franz Kremer, war der Wegbereiter des unaufhaltsamen Aufstiegs der Geißböcke im deutschen Ligafußball und ein wesentlicher Förderer des Kapitäns der Kölner, Hans Schäfer.
In Jupp Röhrig erwuchs Hans Schäfer ein perfekt zu ihm passender Partner. Weit über Köln hinaus avancierten Jupp Röhrig und Hänschen Schäfer zum Traumflügel des deutschen Fußballs in den fünfziger Jahren. Die beiden Spieler waren großartig aufeinander abgestimmt, Hans Schäfer sprintete auf links los, und sekundengenau erreichte ihn der Pass seines Halbstürmers. Wahrscheinlich war der linke Flügel der Kölner der erfolgreichste Sturmteil aller Zeiten in Deutschland; nie wieder fielen so viele Tore von links. Dabei übernahm Hans Schäfer die Rolle des perfekt funktionierenden, extrem schnellen Sprinters, des technisch versierten Dribblers und abgebrühten Vollstreckers. Nie war er nervös, nie patzte er. Der Mann mit der Rückennummer 11 strotzte vor Selbstbewusstsein und ruhte in sich selbst.
Längst hatte Hans Schäfer die führende Rolle im Spiel des 1. FC Köln übernommen. 1953 erzielte er in der Oberliga West 26 Tore und wurde damit Torschützenkönig in der mit Abstand leistungsstärksten Klasse des deutschen Fußballs. Bereits im November 1952 hatte er im Augsburger Rosenau-Stadion sein erstes Länderspiel gegen die Schweiz absolviert. Er sollte der erste deutsche Fußballnationalspieler werden, der an drei Weltmeisterschaften teilnahm.
Zu Bundestrainer Sepp Herberger hatte Hans Schäfer von Anfang an ein vertrauensvolles Verhältnis. Die selbstkritische Sicht Schäfers gefiel dem „Bundes-Sepp”. Sie ging so weit, dass Hans Schäfer seinem Mentor im DFB seinerzeit sogar einmal empfahl, ihn nicht einzusetzen, da er von seiner besten Form weit entfernt sei. Sepp Herberger schätzte Hans Schäfers Drang zum Tor, den unwiderstehlichen Druck nach vorne, den er entfachen konnte, und außerdem den „explosiven Körpereinsatz im Kampf um den Ball”3. Herberger sprach auch davon, dass mit Hans Schäfer nicht gut Kirschen essen sei, wenn man als Verteidiger gegen ihn spielen müsse.
Im Laufe seiner Karriere wurde aus dem einstigen Flügelstürmer ein Halbstürmer. Auf halblinks agierte Hans Schäfer als der wohl zuverlässigste, geradlinigste, klügste und effizienteste Regisseur, den der deutsche Fußball Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre aufzuweisen hatte. In jenen Jahren erlebte er den Wandel vom Halbprofitum zum Vollprofi noch mit, und im Alter von 37 (!) Jahren hatte er maßgeblichen Anteil am Erringen der Meisterschaft seiner Geißböcke im ersten Bundesligajahr der Saison 1963/64.
Mancherlei Geschichten, die sich bei genauerem Hinhören als nicht haltbar entpuppen, ranken sich um die Persönlichkeit des Hans Schäfer. „Er sei schwierig, heißt es beim Deutschen Fußball-Bund“, so berichtet Hartmut Scherzer in der „Mitteldeutschen Zeitung”. Alle Einladungen des DFB sage er ab. Das Erzählen und Reminiszenzen an die Wiederauferstehung des deutschen Selbstbewusstseins nach dem grandiosen Sieg im Jahr 1954 in Bern überlasse er lieber anderen Spielern der damaligen Mannschaft.
Hans Schäfer lebt nach wie vor in Köln. Er ist seit sechs Jahrzehnten mit seiner Frau Isis verheiratet. Das glückliche Ehepaar hat zwei Töchter, Steffi und Regine. Für die, die ihn kennen, ist Hans Schäfer ein „echter kölscher Jung“, authentisch und ehrlich. Er war ein einzigartig begabter Spieler, technisch überragend. Typisch für ihn waren Scherenschlagrückzieher, knallharte Torschüsse, effektvolle Flanken und hoher Körpereinsatz – mit dem er, um nur ein Beispiel zu nennen, bei der WM 1958 in Schweden in der Vorrunde sogar ein umstrittenes Tor gegen die Tschechoslowakei in einer Strafraumsituation durch Tackling erzielte. Die Feierlichkeiten im Jahr 2004 um das „Wunder von Bern“, 50 Jahre nach dem legendären Sieg gegen die Ungarn, hat er gemieden. Am wohlsten fühlt sich Hans Schäfer in seiner Heimatstadt und dort in Müngersdorf im Kreise seiner Freunde und Vertrauten.
Nur einmal noch hat der großartige Spieler des 1. FC Köln sein Schweigen gebrochen. Moritz Müller-Wirth und Christof Siemes von der Wochenzeitung „Die Zeit” führten mit dem legendären Nationalspieler im Juli 2004 ein Interview. Er gab den Journalisten zu Protokoll: „Der Erfolg von 1954 hat mit einem Wunder gar nichts zu tun. Das ist für mich kein Wunder. Es war einfach eine großartige Leistung einer großartigen Mannschaft, die dabei auch viel Glück gehabt hat. Ich distanziere mich übrigens auch von dem Begriff Helden. Ich weiß nicht, was unser Sieg mit Heldentum zu tun hat. Helden sind für mich Jungs, die an die Front gehen, kämpfen und sich eventuell auch noch erschießen lassen müssen, um das Vaterland zu retten. Aber es ist doch kein Heldentum, wenn ich ein Spiel gewinne, und sei es eine Weltmeisterschaft […] Ich verkaufe mich nicht. Ich habe es nicht nötig. Und wenn die anderen das machen, ist es für mich traurig. Soll ich in meinem Alter noch für 3 Mark fuffzich durch die Welt tingeln? Das mache ich nicht. Das ist mir zu billig […]”
Auf die Frage der Journalisten, ob er vom DFB auch menschlich enttäuscht sei, antwortet Hans Schäfer: „Ja sehr. Vor vier Jahren bin ich mit meiner Frau zum 80. Geburtstag von Fritz Walter gefahren. Bei den Feierlichkeiten hat sich dann kein Mensch um uns gekümmert, da hat man meine Frau, mich und noch ein paar andere, zum Beispiel Alfred Pfaff oder die Frau von Jupp Posipal, einfach links liegen gelassen […] ob die 54er da waren, war denen total egal. Nur mit Fritz’ Bruder Ottmar und mit Horst Eckel haben sie sich dann zu einer Feier aufgemacht, zu der die anderen nicht mitkommen konnten. Das ist wohl unglaublich. Ich habe dem Fritz noch gratuliert und bin dann sofort nach Hause gefahren, war bei der offiziellen Feier am nächsten Tag nicht dabei. Da war der DFB natürlich sauer, hat sich dann aber offiziell entschuldigt. Aber von anderen, von Horst Eckel, von Ottmar oder vom Fritz – nicht ein Ton.”4
Hans Schäfer 2007 bei einem Heimspiel „seines” 1. FC Köln auf der Tribüne.
In der „Zeit” erzählt Hans Schäfer schließlich noch, dass er auch Angebote aus Italien hatte, unter anderem vom AC Bologna, aber in Deutschland sah er das geringere Risiko für