Linksaußen. Hermann economist Schmidt

Linksaußen - Hermann economist Schmidt


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mit seiner Frau, die in einem anderen Hotel wohnte, verständigt. Für 320 Mark brutto habe er damals gespielt. Und schließlich gesteht er noch ein, dass dem 2:2 im Endspiel gegen die Ungarn ein Foul von ihm vorausgegangen sei, er habe den Ellenbogen herausgenommen, das sei eigentlich ein Foul gewesen.

      Das in „Die Zeit” erschienene Gespräch ist allein deshalb ein Stück Fußball- und Zeitgeschichte, weil es den Interviewern gelingt, den als sehr zurückhaltend bekannten Ausnahmefußballer der fünfziger und sechziger Jahre so zu befragen, dass dessen Antworten einen lebendigen und authentischen Einblick in die Lebenswelt und die Karriere eines der letzten noch lebenden Spieler der Berner Weltmeisterschaft self geben. Hans Schäfer überzeugt in diesem Gespräch durch Direktheit und Aufrichtigkeit. Er rückt den Mythos des grandiosen Sieges über die ungarische Wunderelf gerade und macht deutlich, wie bescheiden die Anfänge des bezahlten Fußballs nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland waren. Die für den Fußballinteressierten wesentlichen Passagen des Interviews sind nicht einmal so sehr die, in denen Schäfer Kritik am DFB und dessen Organisationsgebaren bei Festivitäten übt. Die wichtigsten Abschnitte sind solche, in denen er die Bedeutung des Fußballs jener Jahre für die Gesellschaft, für die Zuschauer und für die Spieler selbst in einfachen und überzeugenden Worten schildert. Frank und frei bekennt er, dass der Fußball ihm viele Türen geöffnet hat. Zugleich wird die Lebensphilosophie eines damaligen Spitzensportlers deutlich, der die Prioritäten – anders als heutzutage viele im bezahlten Fußball – bei Werten wie Heimat, Familie und langfristiger Berufsperspektive setzt. Kurz und prägnant macht Schäfer klar, dass Sepp Herberger ein Mann war, der sowohl klare Vorstellungen von Fußball als auch Regeln für eine vernünftige Lebensführung seiner Spieler hatte.

      Was der in seiner Zeit „beste Linksaußen der Welt” mit heutigen erfolgreichen Spielern und Weltstars teilt, das war sein unbedingter Wille zum Erfolg und zum Sieg. Im Interview mit den Journalisten von der „Zeit” bekennt er, dass er so „ziemlich alles für den Fußball getan hätte”.

      17 Jahre lang hat Hans Schäfer für den 1. FC Köln seine Knochen zu Markte getragen, zweimal, 1962 und 1964, wurde er mit seinen Geißböcken als Kapitän Deutscher Meister. Hans Schäfer hat im Jahr 2012 seinen 85. Geburtstag gefeiert. Er hat zu diesem Anlass gesagt, dass er keinen Bock habe, gefeiert zu werden. Seinen Ehrentag hat er im Kreise seiner Verwandtschaft verbracht. Immer dann, wenn sich „Hänschen” Schäfer einmal zu seiner Karriere als bester Linksaußen der Welt äußert, vergisst er nicht, seine Frau zu erwähnen. Sie, die Tochter des damaligen Schiedsrichterobmanns Wolf Degenhard, habe als Frau eines Fußballers auf manches verzichten müssen, da er ständig für seinen Sport unterwegs gewesen sei. Dafür sei er ihr dankbar.

      Joggen und Tennisspielen kann er nicht mehr. Mehrmals in der Woche setzt er sich aufs Rad, er spielt Schach und besucht die Heimspiele seiner Geißböcke. Seinen voraussichtlichen Renteneintritt gibt er scherzhaft mit „90 Jahren” an, und auszuschließen ist das nicht, denn er hilft einem Freund noch immer gelegentlich in dessen Werbeagentur. Den Journalisten der „Sport-Bild” sagte er einmal, dass er sich wie 60 oder 65 fühle, denn er habe „weder gesoffen noch geschlemmt und trotzdem alles mitgenommen – aber in Maßen”. Anlässlich seines 80. Geburtstages äußerte er den Wunsch: „Ich will 105 Jahre alt werden und dann in meiner Stammkneipe mit einem Glas Kölsch in der Hand an der Theke sterben.”

      Der Junge aus Zollstock, der erzählt, dass er als Einziger in seiner Straße einen Fußball besaß und dass er, wenn ihm etwas nicht passte, einfach seinen Ball nahm und ging, war schon immer ein ganz eigener, besonderer Typ. Ein Linksaußen eben. Der Mann, der durch seine Flanke auf Helmut Rahn den Triumph von Bern ermöglichte, hat Fußballgeschichte geschrieben. Und dennoch kennen viele junge Menschen den Namen des wahrscheinlich besten Linksaußens aller Zeiten heute nicht mehr.

       Herr Eckel, Sie waren Zimmerkollege von Hans Schäfer während der WM 1954 in der Schweiz.

      Horst Eckel: Ja, Hans Schäfer hat mit mir bei der WM in der Schweiz in einem Zimmer gewohnt. Ich war damals das Greenhorn im Aufgebot, und Sepp Herberger hat mich gebeten, auf den Hans aufzupassen, damit er bei den Treffen mit seiner Frau unsere sportlichen Ziele nicht vergisst (lacht). Es war eine schöne Zeit.

       Was war das für eine Beziehung zwischen Hans Schäfer und Ihnen im Trainingslager damals?

      Horst Eckel: Wir waren Sportkameraden und wollten zusammen gewinnen. Der Hans hätte von sich aus schon alles getan, um optimal für die Spiele vorbereitet zu sein. Wir haben uns an die Ansagen des Chefs gehalten, obwohl im Übrigen nicht alle Hinweise und Anordnungen vom Chef auf Punkt und Komma sinnvoll waren, wie sich im Nachhinein erwiesen hat. Das strikte Verbot, während des Spiels zu trinken, war im Grunde unserer Fitness nach heutigen Gesichtspunkten nicht unbedingt dienlich.

       Inwieweit haben Sie Ihren Stubenkameraden Hans Schäfer denn unterstützt, damit er sich mit seiner Frau Isis treffen konnte?

      Horst Eckel: Das musste ich nicht. Der Trainer hat das geduldet. Und Hans hat das Vertrauen des Trainers gehabt. Er war ein Sportler durch und durch. Ich habe mich diskret zurückgezogen, wenn der Hans sich mit seiner Frau getroffen hat.

       Sind Sie heute noch mit Hans Schäfer befreundet?

      Horst Eckel: Wir haben so gut wie keinen Kontakt mehr. Das liegt auch daran, dass der Hans sauer auf den DFB ist. Er hat sich vom DFB nicht gut behandelt gefühlt. Da war ein Vorfall auf Fritz Walters Geburtstag. Der DFB hat Hans Schäfer und dessen Frau und auch andere ehemalige Nationalspieler und deren Frauen wohl nicht so recht beachtet.

      Mit Helmut Rahn hingegen habe ich noch Kontakt bis kurz vor dessen Tod gehabt. Es ging ihm nicht gut. Er war ein gutmütiger, offener Kerl bis zuletzt. Die Medien sind lange Zeit nicht gerade fair und freundlich mit ihm umgegangen.

       Wie beurteilen Sie die fußballerischen Fähigkeiten von Hans Schäfer?

      Horst Eckel: Hans Schäfer war zu seiner Zeit, zumindest aber in der Zeit von 1954 bis 1958, einer der besten Linksaußen im internationalen Fußball. Er hatte alles, er konnte alles, war ungeheuer dynamisch, körperlich durchsetzungsfähig, spielerisch gewitzt, mit allen Wassern gewaschen, ein Vorbild auf dem Platz, mit ständiger Präsenz und großer Torgefährlichkeit. Hans Schäfer war selbst in den ersten Bundesligajahren noch immer ein überragender Regisseur seines Heimatvereins. Es gab nur wenige vergleichbar starke Stürmer in der Bundesliga. Ich zähle ihn zu den besten Spielern seiner Generation.

      Anmerkung des Autors:

      Das Gespräch wurde im Rahmen einer Medienveranstaltung im Jahr 2008 in Baden-Baden geführt und im Anschluss an die Veranstaltung aufgezeichnet.

       Linksaußen der Aranycsapat

       Zoltan Czibor, Honved Budapest

      Wie schnell innerhalb weniger Jahrzehnte fußballerischer Ruhm vergeht, das lässt sich auch am Beispiel des Zoltan Czibor, Linksaußen der ungarischen Wunderelf, eindrucksvoll belegen. Die Ungarn hatten als erste Mannschaft im Jahr 1953 das als unschlagbar geltende England im eigenen Land besiegt, und sie waren Endspielgegner der Deutschen bei der WM in der Schweiz. Der nur 1,68 m große Czibor war mit Ungarn im Jahr 1952 in Helsinki bereits Olympiasieger geworden. Die „Goldene Elf “ (Ungarisch: Aranycsapat) war vor der Niederlage im Berner Endspiel vier Jahre lang in 32 Spielen in Folge unbesiegt geblieben. Drei der Mitspieler dieser Wunderelf waren übrigens deutscher Herkunft. Sandor Kocsis hatte früher den Namen Alexander Wagner gehabt, der legendäre Mittelstürmer Nandor Hidegkuti trug zuvor den Namen Ferdinand Kaltenbrunner, und Ferenc Puskas hieß einst Franz Purzeld.

      Der ungarische Trainer Gusztav Sebes gehörte zu den Ersten seiner Zunft, die das klassische WM-System aufbrachen. Die Verteidiger rückten bei Angriffen der eigenen Mannschaft weit vor, die drei Angriffsspitzen gingen häufig mit zurück ins Mittelfeld. Stanley Matthews bezeichnete die Mannschaft, gegen die die Engländer im eigenen Land mit 6:3 verloren hatten, als die beste aller Zeiten. Ferenc Puskas sagte über die


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