Der leiseste Verdacht - Schweden-Krimi. Helena Brink
Ordnung, Sie haben mich überzeugt. Kommen Sie doch herein, es ist ziemlich windig heute.« Er deutete auf den Wagen. »Und Ihr Kollege auch, wenn er möchte.«
Der Kommissar gab dem anderen ein Zeichen, worauf ein kleiner, gedrungener Mann mit blauem Anorak und blonden Stoppelhaaren aus dem Wagen stieg. Er gab PM die Hand und stellte sich in aller Kürze vor: »Polizeimeister Bergh.«
»Patrik der Maler«, erwiderte PM.
Er hielt den beiden Beamten die Tür auf und bat sie mit einer einladenden Geste ins Wohnzimmer.
»Wir sind vorhin schon mal da gewesen«, sagte der Großgewachsene, »aber da waren Sie nicht zu Hause.«
PM ließ den Blick rasch durchs Zimmer schweifen, um sich zu vergewissern, dass keine allzu privaten Dinge herumlagen.
»Doch, ich war zu Hause«, entgegnete er. »Aber ich öffne niemals die Haustür, wenn ich noch im Bett liege.«
»Das macht nichts. Wir hatten noch andere Besuche zu erledigen. Wir haben mit Kalle Svanberg auf der anderen Seite von Knigarp gesprochen.«
PMs Miene verfinsterte sich wieder. »Was soll das heißen, das macht nichts? Veranstalten Sie immer so einen Heidenlärm an den Haustüren fremder Leute?«
Der andere lachte versöhnlich. »Es gab keine Klingel, und man will doch schließlich sichergehen, dass man gehört wird.«
»Sie wurden gehört«, versicherte PM trocken.
Der hoch aufgeschossene Kommissar sah sich neugierig um und sagte beeindruckt: »Also ich muss schon sagen, Sie haben wirklich ein sehr schönes Haus. Haben Sie alles selbst restauriert?«
»Ja.«
Er musterte die Wände, die Decke und das Gebälk. »Da müssen Sie aber viel Arbeit gehabt haben. Eine wundervolle Arbeit, versteht sich. Wann ist das Haus gebaut worden? Ich schätze, so um die Mitte des 19. Jahrhunderts.«
PM nickte anerkennend.
Die Augen des Kommissars schimmerten entrückt. »Ach, solche Häuser haben doch viel mehr Charme als diese gleichförmigen Neubauten. Ich habe nördlich der Stadt eine Sommerhütte, viel kleiner als dieses Haus hier, aber meine Frau und ich rackern uns jedes Wochenende ab, um sie auf Vordermann zu bringen. Das grenzt an Besessenheit.«
PM lachte verständnisvoll. »Ich weiß, was Sie meinen. Wir wohnen hier seit achtzehn Jahren und werden auch niemals fertig.«
»Der Boden muss noch von früher sein. Solche breiten Dielen gibt es heute gar nicht mehr.«
»Ja, ich vermute, die sind schon immer hier gewesen.«
Polizeimeister Bergh schien gegen den Charme des Hauses immun zu sein. Er hatte schweigend in einem breiten Sessel Platz genommen, streckte den Rücken und zückte pflichtbewusst seinen Notizblock. Doch der Kommissar schien den eigentlichen Grund seines Kommens vollkommen vergessen zu haben. Nichts entging seinem Kennerblick, ja, er steckte sogar den Kopf in den offenen Kamin, um nach einer Weile zu verkünden, dass dieser nur teilweise als Original angesehen werden könne. Es bestand kein Zweifel, dass er lieber die Ärmel aufgekrempelt und mit einem Stück Sandpapier die alte Holztäfelung in Angriff genommen hätte, als seine polizeilichen Ermittlungen voranzutreiben.
Schließlich räusperte er sich und bemühte sich um eine dienstliche Miene. Er setzte sich in den anderen Sessel, worauf PM, der ahnte, dass der entscheidende Augenblick gekommen war, rasch auf dem Sofa Platz nahm.
Der Kommissar sagte: »Ihr Nachbar vom Hof Knigarp hat heute Morgen gemeldet, er habe in seiner Jauchegrube vor dem Schweinestall eine Leiche gefunden. Sie kam an die Oberfläche, als ein Teil der Jauche abgepumpt wurde, um damit die Felder zu düngen.«
PM blickte von einem ernsten Gesicht zum anderen.
»Was ...?«, sagte er.
»Die Leiche hat vermutlich längere Zeit in der Grube gelegen. Können wir nun mit unseren Fragen beginnen?«
PM breitete die Arme aus. »Schießen Sie los!«
»Können Sie sich - sagen wir, während des letzten Jahres - an irgendwelche ungewöhnlichen Vorkommnisse erinnern? Ist vielleicht eine Person aus dieser Gegend spurlos verschwunden?«
PM dachte eine Weile nach, bevor er den Kopf schüttelte. »Hier geschieht nie etwas Ungewöhnliches«, entgegnete er. »Zumindest nicht, was die Menschen betrifft. Außerordentliche Beobachtungen habe ich nur in der Natur gemacht.«
»Und die wären?«
»Ich spreche von Tieren.«
Der Polizeimeister hielt seinen Stift bereit.
PM begann zögerlich: »Ungefähr vor einem Monat hatten wir zeitweise einen Steinadler auf unserem Grundstück. Der hielt sich in der großen Eiche unten am Bach auf, aber ich nehme an, das gehört nicht hierher.« Er blickte aus dem Fenster und fuhr nachdenklich fort: »Von den Leuten in dieser Gegend kann ich nichts Ungewöhnliches berichten. Manchmal fällt mir das Leben hier schwer, weil alles so vorhersehbar ist. Obwohl man natürlich nicht vorhersehen kann, dass jemand in die Jauchegrube fällt. Das muss jemand gewesen sein, der nicht aus der Gegend kam. Jemand, der nicht wusste, dass die hiesigen Bauern die Angewohnheit haben, tonnenweise Schweinekot in ihren Gruben aufzubewahren. Andererseits sind die Jauchegruben doch eingezäunt.«
»Eben«, entgegnete Wagnhärad. »Wir glauben nicht, dass der Mann versehentlich in die Grube fiel. Es sieht eher so aus, als sei er hineingestoßen worden.«
PM streckte den Rücken. »Ein Mord also?«
»Vermutlich.«
»Das wäre in dieser Gegend ja wirklich ziemlich ungewöhnlich«, räumte PM ein.
Der Kommissar nahm einen weiteren Anlauf. »Sie haben also nichts Ungewöhnliches bemerkt, das in Verbindung mit dem Vorfall stehen könnte, den wir soeben geschildert haben?«
»Nein.«
»Kennen Sie jemanden aus dieser Gegend, der plötzlich verschwunden oder weggezogen ist?«, wiederholte Wagnhärad.
»Natürlich kommt es vor, dass Leute wegziehen. Der vorherige Besitzer von Knigarp ist vor einem halben Jahr weggezogen.«
»Das ist uns bekannt. Noch andere, die weggezogen sind?«
»Der alte Ström oben an der Kurve ist letzten Herbst ins Altersheim gezogen.«
»An welcher Kurve?«
»Wenn Sie die Straße in nordwestliche Richtung nehmen, sehen Sie oben am Waldrand ein Haus stehen, genau dort, wo die Straße einen Knick macht. Wahrscheinlich steht es jetzt leer. Ström war Witwer und nicht mehr sehr gut beieinander. Ich nehme an, sie konnten ihn schließlich davon überzeugen, dass er in einem Altersheim besser aufgehoben ist als zu Hause. Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen.«
»Wir werden das nachprüfen. Können Sie uns etwas über Ihren neuen Nachbarn sagen?«
»Da fällt mir nichts ein.«
»Also irgendwas werden Sie uns doch sagen können.«
PM lachte. »In diesem Fall haben Sie Pech, dass Sie ausgerechnet heute kommen. Meine Frau und meine Tochter haben eine viel bessere Wahrnehmung, was Ereignisse in der Nachbarschaft betrifft. In dieser Hinsicht gelte ich in meiner Familie als hoffnungsloser Fall.«
Wagnhärad warf einen Blick auf die Uhr. »Dann sollten wir vielleicht auch mit Ihrer Frau und Ihrer Tochter sprechen. Wann kommen sie nach Hause?«
»Meine Frau kommt gegen drei Uhr, aber meine Tochter werden Sie nicht antreffen, es sei denn, Sie fahren nach Kalmar. Sie geht dort aufs Gymnasium und wohnt bei meiner Schwester.«
Wagnhärad stieß einen unwillkürlichen Seufzer aus und wirkte mit einem Mal ein wenig gehetzt. »Wir werden sehen, ob wir bis drei wieder hier sein können.«
Er sah PM forschend an, als überlege er, ob es der Mühe wert war, diesem Sonderling noch mehr Informationen aus der