Der Prinz ist tot - Skandinavien-Krimi. Kirsten Holst

Der Prinz ist tot - Skandinavien-Krimi - Kirsten Holst


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sagte der andere. Er hieß Thomsen und war ein alter Hase. Er kannte alle und jeden in der Gegend. Er sprach den Namen seines Kollegen Ralp aus. Er fand es ziemlich affig, Ralph zu heißen. Mit ph. Entweder man hieß Ralf oder man hieß Ralp. Und deshalb nannte er ihn Ralp – egal wie lautstark er protestierte.

      »Vielleicht ist er Grönländer und hat ein Hundegespann«, sagte Ralph lachend, klopfte dabei aber instinktiv auf seine Dienstwaffe.

      Thomsen schaltete die Scheibenwischer ein, ohne zu antworten. Im Laufe der Nacht hatte es zu tauen begonnen und jetzt nieselte es. Platt wie ein Pfannkuchen breitete sich die Landschaft im Dunst vor ihnen aus. Der Westwind hatte die Windschutzhecken nach Osten gebogen und hier und da lagen kleine, weiß gekalkte Höfe oder ehemalige Häuslerstätten, die einsam, traurig und ärmlich aussahen. Im Sommer, wenn Erde und Horizont unter dem nördlichen Himmel mit seinem ganz besonderen Licht in Grün, Gelb und Blau erstrahlten, konnte das großartig aussehen, manchmal sogar pittoresk, doch jetzt bei dem schlechten Wetter wirkte es nur deprimierend.

      Sie kamen an einem Hof vorbei, der direkt an der Straße lag, und ein paar Hundert Meter weiter, mitten im freien Feld, sahen sie mehrere, von einem hohen Eternitzaun umgebene Gebäude.

      »Da sind wir«, sagte Thomsen, als sie sich der Festung näherten. »Ich war mir ziemlich sicher, dass es hier sein muss.«

      »Was ist das?«, fragte Ralph. »Eine Minkfarm?«

      Es hätte durchaus eine sein können. Alles Mögliche hätte sich hinter dem Eternitzaun verbergen können.

      »Ein Fort«, sagte der andere. »Das war einmal ein Fort, aber in den letzten Jahren hat es hier draußen keinen Ärger mehr gegeben. Das Anwesen gehört Rockern. Inzwischen ist die Bande allerdings in der Auflösung begriffen. Die einen haben sich zurückgezogen, die anderen sitzen im Knast und ihr Anführer liegt seit drei Monaten im Krankenhaus und kann sich nicht entschließen, ob er leben oder sterben will. Als ich das letzte Mal von dem Fort gehört habe, wohnten hier drei, vier Typen, aber die sind offenbar nicht mehr da. Sie haben einen Teil des Rauschgifthandels in der Stadt kontrolliert und das tun sie, meinen Informationen zufolge, immer noch.«

      Sie parkten vor dem Tor und Ralph stieg aus, um es zu öffnen.

      Einen Moment später kam er zum Auto zurück.

      »Ich glaube, das Tor öffnet sich automatisch, aber ich bekomme nicht heraus, wie.«

      Thomsen drückte versuchsweise auf die Hupe – ohne Ergebnis.

      »Probier es mal mit den Scheinwerfern«, sagte Ralph, doch auch ein Ein- und Ausschalten der Scheinwerfer führte nicht zum Erfolg.

      »Wahrscheinlich funktioniert es per Fernbedienung«, meinte Ralph. »Vielleicht hat er ein entsprechendes Teil in seinem Auto.«

      »Okay«, sagte Thomsen. »Dann müssen wir zu Fuß rein.«

      Er griff nach der Pistole und ging auf die kleine Tür zu. Bevor sie sie öffneten, blieben sie einen Augenblick stehen und sahen auf den Hofplatz.

      »Da drinnen liegt ein Hund«, sagte Thomsen. »Tot.«

      »Und da«, sagte Ralph, während er auf etwas zeigte.

      »Wo?«

      »Da bei der Pumpe. Du kannst den Kopf neben dem Wassertrog sehen.«

      »Die beiden sind jedenfalls tot«, sagte Thomsen und griff versuchsweise nach der Klinke. Die kleine Tür öffnete sich mit einem leisen Quietschen.

      Sie gingen zum Haus und blieben neben Tjekkas Leichnam stehen. Thomsen sah sich um. »Da liegt seine Pistole.«

      Er kratzte sich kurz am Kopf. »Merkwürdig«, sagte er. Dann zuckte er mit den Schultern. »Na schön, sehen wir uns den Burschen einmal an. Ich glaube nicht, dass hier noch weitere Hunde sind. Zumindest keine lebenden.«

      Die zusammengesunkene Gestalt lag auf dem Bauch, den Oberkörper auf der Stufe zur Eingangstür.

      Thomsen beugte sich über ihn. »Mausetot«, sagte er. »Und steif wie ein Brett.«

      Von der Landstraße waren Sirenen zu hören, die sich näherten.

      »Das können sie sich ruhig sparen«, sagte Thomsen.

      Ralph nickte und ging zu der Pumpe, die Pistole noch immer im Anschlag.

      »Hier liegt noch ein Hund«, rief er kurz darauf. »Auch erschossen.« Er ging weiter Richtung Zaun, drehte eine Runde um das Haus und kam zum Eingang zurück.

      »Mehr sind hier nicht«, sagte er. »Insgesamt drei und alle tot. Erschossen. Er hat sie erwischt. Aber offenbar zu spät.«

      »Hm«, sagte Thomsen, während er sich wieder nachdenklich am Kopf kratzte.

      »Juckt es dich?«, fragte Ralph.

      Thomsen antwortete nicht und erst jetzt sah Ralph sich die Leiche genauer an.

      »Das sieht merkwürdig aus«, sagte er. »Wo haben sie ihn denn gebissen?«

      Thomsen schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte er. »So, wie er liegt, lässt sich das nicht so leicht sagen, aber bei allem Respekt, ich glaube, in die Eier. Es sieht ganz so aus, als hätten sie ihm die Juwelen abgebissen.«

      »Pfui Teufel!«, sagte sein Kollege.

      »Aber etwas passt trotzdem nicht«, sagte Thomsen.

      »Was meinst du?«, fragte Ralph.

      »Ich kann es nicht vor mir sehen«, sagte Thomsen. »Ich kann es nicht vor mir sehen.«

      »Das ist doch auch egal«, sagte Ralph. Er hatte nicht die geringste Lust, dieses Bild vor sich zu sehen. »Die Hunde müssen darauf trainiert gewesen sein, dort zuzubeißen. Das tun sie nicht von selbst.«

      »Genau, aber das ist es nicht allein«, sagte Thomsen und sah sich um. »Er kommt raus. Der eine Hund springt ihn an und was passiert? Der Hund beißt ihn – er zieht den Revolver und erschießt ihn. Und dann erschießt er die beiden anderen. Einfach so, der Sicherheit halber.«

      »Das hätte ich auch getan.«

      »Du würdest also ein paar Hunde erschießen, die noch ziemlich weit weg sind, während du wie ein Schwein blutest? Statt im Haus Schutz zu suchen?«

      »Sie hätten ihn innerhalb von Sekunden anfallen können. Vielleicht hatten sie ihn auch schon gebissen.«

      »Wo? Er hat keine anderen Wunden. Sieh dir seine Arme an. Nicht ein Kratzer. Und er trifft sie. Beide. Würdest du wirklich mit einer tödlichen Verletzung hier stehen bleiben und einen Hund niederschießen? Und anschließend die beiden anderen kaltmachen? Die haben ihn nämlich nicht angerührt. Wenn du mich fragst, da stimmt etwas ganz und gar nicht.«

      Der Krankenwagen hielt vor dem Tor. Ein Sanitäter kam herein.

      »Wie bekommen wir das verdammte Tor auf?«

      »Das eilt nicht«, sagte Thomsen. »Der Typ ist tot und ihr bekommt ihn ohnehin nicht sofort.«

      »Wir haben nicht zu entscheiden, ob er tot ist«, wandte der Sanitäter ein. »Wir müssen nur dafür sorgen, dass er so bald wie möglich ins Krankenhaus kommt.«

      »Ich übernehme die Verantwortung. Der Typ ist mausetot, da könnt ihr ganz beruhigt sein, aber es gibt Anzeichen, dass dafür nicht die Hunde verantwortlich sind.«

      Der Sanitäter sah ihn skeptisch an.

      Thomsen zeigte auf den Hund. »Was glaubst du, woran der gestorben ist?«, sagte er.

      »Erschossen«, sagte der Sanitäter. »Lernt ihr so etwas nicht auf der Polizeischule?«

      Thomsen tat, als hätte er nichts gehört.

      »Ganz meine Meinung«, sagte er. »Aber ich glaube nicht, dass der Schuss hieraus abgefeuert wurde.« Er zeigte auf die Pistole.

      »Das kann man nicht sehen.«

      Thomsen lachte leicht. »Doch, das


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