Rien ne va plus. Katalin Sturm

Rien ne va plus - Katalin Sturm


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schon zu viele. Nichts ist so abturnend wie ein Mann, der sich als Frauenversteher begreift. Jedenfalls nicht im Bett.

      Vielleicht schreibe ich ihm heute eine Mail. Einfach so. Bedanke mich für den gelungenen Abend im Rahmen meines Jobs. Mal sehen, ob er antwortet.

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       Schwere Entscheidung

      Mein Herz begann wild zu pochen, als ich den Absender in meinem Mail-Account sah. Ihre Worte waren allgemein; man hätte ihnen auch normale Freundlichkeit unterstellen können, doch ich spürte hinter den Buchstaben genau, dass da noch etwas war. Eine Neugierde, eine Frage, eine Hoffnung vielleicht. Was sollte ich ihr antworten? Sollte ich auf der gleichen Ebene bleiben, oder sollte ich einen Haken setzen, dem sie sich nicht entziehen konnte? Ein unausgesprochenes Angebot, auf das sie eingehen, oder das sie überlesen könnte, ganz wie es ihr beliebte?

      Ich grübelte an der richtigen Formulierung herum, wollte zeigen, dass ich nicht nur der ewig lächelnde Croupier war, sondern auch geistreich und eloquent sein konnte und mehr auf der Pfanne hatte, als im Kopf den Einsatz der Spieler mit den Gewinnfaktoren zu multiplizieren.

      Doch warum wollte ich mich so anbiedern? Was erwartete ich von dieser Frau? Ich sah doch, wie das bei meinen Kollegen ablief. Die meisten waren zum zweiten oder dritten Mal verheiratet, manche wagten es gar nicht mehr, weil sie wussten, dass eine Ehe zum Scheitern verurteilt war bei diesem Job. Man geriet einfach zu oft in Versuchung. Wenn man nach dem Dienst noch irgendwo was trinken ging und dort auf Frauen traf, die vorher am Tisch gespielt hatten, brauchte man nicht einmal die Initiative ergreifen. Die Frauen sprachen einen von selbst an, zeigten, dass sie nicht abgeneigt waren, auch den Rest der Nacht mit einem zu verbringen. Und welcher Mann konnte schon auf Dauer zu einem solchen Angebot Nein sagen? Auch kleine Zettel mit Zimmer- oder Telefonnummern wurden da schon mal verschämt unter dem Tisch gereicht. Und manch eine wunderte sich, dass meine Smokingtaschen zugenäht waren.

      Ich muss gestehen, dass ich auch schon manches Mal einer dieser Einladungen gefolgt war. Vor allem, als ich noch nicht mit Ulrike zusammen war. Oder aber auf Veranstaltungen mit dem mobilen Casino, wenn wir weiter weg eingesetzt waren und dort übernachten mussten.

      Und da waren noch jene speziellen Nächte, die es leider nur ein, zwei Mal im Jahr gab. Der Inhaber einer ganz auf das erotische Vergnügen ausgerichteten Agentur, forderte uns ab und zu an. Seine Zielgruppe waren interessierte Singles und Paare, die sich in gepflegtem Ambiente miteinander amüsieren wollten. Und zu dem Ambiente gehörte eben manchmal eine Casino-Nacht. Da wurde schon mal der Croupier zum Gewinn bestimmt, und wem das Spielgeld ausging, der konnte erotische Dienstleistungen anbieten und bekam dafür unterschiedlich viele Jetons ausgezahlt. Auch in Deutschlands größtem Sexclub waren wir schon für einen Spieleabend engagiert. Interessante Einblicke konnte man da in die Szene bekommen. Ob Claudia auch auf solche Veranstaltungen gehen würde? Ob sie vielleicht sogar schon Erfahrungen im Swingen hatte?

      Bei diesem Gedanken bekam ich eine Erektion. Was sollte ich ihr zurückschreiben? Sollte ich überhaupt antworten? Mich auf etwas einlassen, dessen Ausgang ich nicht abschätzen konnte?

      Meine Mail wurde recht kurz, aber ich ließ durchblicken, dass ich sie gern mal privat auf eine Tasse Kaffee treffen würde. Obwohl – dann müssten wir auf jeden Fall irgendwohin gehen, wo uns nicht zufällig eine Bekannte von mir oder meiner Frau über den Weg laufen konnte. Sicher nicht hier in der Stadt. Bevor ich auf den Senden-Button drückte, schwebte mein Finger sekundenlang darüber.

      Was soll’s, dachte ich schließlich, vielleicht würden wir schon beim Kaffeetrinken und Gespräch merken, dass wir doch nicht auf derselben Wellenlänge lagen. Vielleicht war alles nur ein Irrtum. Eine Ausgeburt meiner überreizten Fantasie.

      So sagte ich mir, doch ich wusste im Inneren damals schon ganz genau, dass dem nicht so war. Ich ahnte, dass diese Frau einen sehr viel tieferen Einfluss auf mein Leben nehmen würde, als nur eine kleine Affäre zu sein, an die man sich Jahre später gerne erinnerte. Hätte ich damals, wenn ich mir des ganzen Ausmaßes wirklich bewusst gewesen wäre, die Reißleine gezogen? Das Bemerkenswerte daran ist, dass ich es nicht weiß.

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       Tagebuch Claudia

       Ich weiß nicht, was mich dazu trieb, seine Kaffeeeinladung anzunehmen. Fühle ich mich wirklich so bedürftig, so einsam, dass ich es nötig habe, mit einem viel zu jungen und noch dazu verheirateten Mann etwas anzufangen? Etwas anfangen. Wie das klingt. Was fange ich denn an? Wohin könnte das alles führen? Ich weiß es nicht, vermute aber, mehr oder weniger schnell ins Bett. Vermutlich meines, da seines ja nicht frei ist. Ist er einer, der auf dieser Masche reitet? Ältere Frauen anmachen, die er durch seinen Job kennenlernt, weil er bei ihnen mehr Chancen hat zu landen? Sich weniger ins Zeug legen muss? Hat er einen Mutterkomplex?

      Ich muss gestehen, dass mich Sascha an Oliver erinnert. Dieselbe Größe und Statur; auch Oliver hatte diese ganz besondere Ausstrahlung, mit der er jeden und vor allem jede in seinen Bann ziehen konnte. Eloquent und schlagfertig, Eigenschaften, die ich so sehr schätze. Und auch Oliver war verheiratet gewesen. Nachdem er seine Frau zunächst wegen mir verlassen hatte, ging er doch nach ein paar Monaten zu ihr zurück, und ich stand wieder allein da. Weil ich ihn nicht jeden Tag in der Bank sehen wollte, ließ ich mich sogar in eine andere Filiale versetzen.

       Nun also Sascha. Was erhofft er sich? Was erhoffe ich mir? Zugegeben: Ich hatte schon lange keinen Sex mehr. Ich hatte mich sogar schon damit abgefunden, nie mehr in meinem Leben welchen zu haben. Und es hätte mir nicht einmal was ausgemacht. Die Wechseljahre habe ich hinter mir, jetzt war meine biologische Uhr auf Ruhe eingestellt. Irgendwie. Aber ich habe auch gemerkt, dass da in meinem Körper noch nicht alles abgestorben ist. Dass da tief drinnen noch Bedürfnisse sind, die durch Sascha geweckt wurden. Ist das jetzt gut oder schlecht?

       Hätte ich seine Kaffee-Einladung nicht annehmen sollen?

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       Erstes Treffen

      Wir trafen uns in einem Ausflugscafé mitten im Taunus, das damals, im November nur spärlich besucht war. Als ich ankam, saß sie schon drin. Sie stand auf und streckte mir die Hand zur Begrüßung hin. Ich ignorierte die Hand und umarmte sie stattdessen. Ich küsste sie rechts und links auf die Wange. Sie roch gut. Sie trug über einem engen Bleistiftrock eine weiße, lose fallende Bluse, unter der man den BH sehen konnte. Er war schwarz. Sehr inspirierend. Ich stand auf schwarze Dessous. Ich durfte mir ihre langen Beine nicht in schwarzen halterlosen Strümpfen vorstellen, sonst hätte ich die Beule in meiner Hose nicht verbergen können. Die anfängliche Unsicherheit legte sich schnell, und wir redeten über unsere Jobs und Filme, die wir gesehen, Bücher, die wir gelesen hatten. Ich trank Kaffee, Claudia Tee. Ich hatte zwei Stunden Zeit, bis ich wieder ins Casino musste, um meinen Dienst dort anzutreten.

      Sie schien beim Friseur gewesen zu sein, denn ihr Haar war dunkler und glatt geföhnt, so dass es etwas länger schien und ihren schlanken Hals umspielte. Sie gefiel mir. Als sie auf die Toilette ging, sah ich, dass sie Stiefel trug und ihre langen Beine in dem Rock ebenso gut zur Geltung kamen, wie ihr sehr frauliches Hinterteil. Der Gedanke, der mir angesichts von Claudias wiegendem Gang durch den Kopf schoss, ließ mir meine Hose zu eng werden. Als sie wiederkam, entschuldigte ich mich und ging ebenfalls aufs Klo.

      Als ich zurückkam, setzte ich mich nicht mehr ihr gegenüber, sondern über Eck auf die andere Seite der Ledercouch, und während wir über unsere Vorlieben beim Wellness sprachen, legte ich, wie nebenbei, meine Hand auf ihr Knie. Würde sie es tolerieren? Mein Herz schlug wie ein Presslufthammer. Sie tat


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