Evelinas Katzenzauber. Camilla Gripe
Camilla Gripe
Evelinas Katzenzauber
Aus dem Schwedischen von Marianne Vittinghoff
Saga
Ebook-Kolophon
Camilla Gripe: Evelinas Katzenzauber. Aus dem Schwedischen von Marianne Vittinghoff. © 1990 Camilla Gripe. Originaltitel: Evalina på Puckeln. Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen 2016 All rights reserved.
ISBN: 9788711463741
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
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1.
Es war ein grauer verhangener Spätwintertag. Grobkörniger Schnee bedeckte hie und da den Boden.
Auf einem abgelegenen Hügel, vor dem Hintergrund des dunklen Nadelwaldes, war eine Wäscheleine zwischen zwei knorrigen alten Birnbäumen gespannt. Am Waldrand standen einige alte Holzhäuser aus einem anderen Jahrhundert; ein kleines Häuschen, ein Stall, der im rechten Winkel zu einigen Nebengebäuden stand, in denen ein Plumpsklo, ein Holzverschlag und ein Geräteschuppen untergebracht waren, und ein niedriger, im Lehmboden eingegrabener Vorratskeller. Ein schmaler Pfad wand sich vom Haus schnurgerade an der Leine vorbei den Hügel hinauf. Noch schmalere Pfade liefen zwischen den Gebäuden und dem Keller.
Die Treppe zum Haus bestand aus einem halben Mühlstein, und an der Hauswand stand eine grün angestrichene Bank.
Der Ort lag weit ab von allem: Weit ab vom nächsten Dorf, weit ab von der Landstraße und noch weiter ab von einer Stadt. Die Zeit schien in Jahrhunderten, seit die Häuser gebaut worden waren, stehengeblieben zu sein. Der Ort nannte sich schlicht und einfach Pukkel, und seine Bewohnerin wurde von allen „Evelina von Pukkel“ genannt.
An so einem trüben Tag, wenn die Natur mit aller Farbe geizte, wirkte der Ort noch abgelegener und einsamer als sonst. Und dennoch fühlte man sich hier beobachtet, als ob überall Augen schweigend die kleinste Bewegung verfolgten. Es kam nicht oft vor, daß man Evelina begegnete. Niemand wußte so recht, auf welchen Wegen oder Pfaden sie gewöhnlich unterwegs war. Plötzlich konnte sie aus dem Wald treten, immer etwas auf dem Arm; einen Korb, einige Kräutersträußchen, oder wie jetzt, einen Korb voll Wäsche.
Sie geht rasch zu der Wäscheleine und fängt an, Wäsche aufzuhängen; Decken, Schals, Handtücher, Kissenbezüge, Schürzen und Blusen. Ab und an wenn der Wind so auffrischt, daß die Kleidungsstücke flattern, bevor sie sie glattgestrichen hat, brummelt sie wütend etwas vor sich hin.
Evelinas Alter ist ungewiß, vierzig, sechzig oder achtzig Jahre, das scheint zu wechseln. Keiner weiß es so genau. Sie war doch immer schon hier, genau wie das Haus und der Wald rundherum? Es heißt, daß sie zaubern kann. Manche sind mit hartnäckigen Ohrenschmerzen, Ekzemen oder anderen Leiden, die kein Arzt heilen konnte, zu ihr gegangen. Vielleicht ist sie also wirklich eine Zauberin.
Aber jetzt hängt sie gerade Wäsche auf, und das hat nichts Magisches an sich. Besonders, wenn ab und zu kleine Windstöße ihren Unfug mit ihr treiben, ihr die Leintücher ins Gesicht fliegen und die ganze Leine manchmal abhebt, so daß sie kaum noch hinauflangen kann. Und dabei brummelt sie so ziemlich die gleichen Tiraden vor sich hin wie die meisten von uns, wenn die Dinge nicht nach unserer Mütze gehen.
Aber plötzlich passiert etwas im farblosen Bild. Eine weitere Gestalt erscheint, ein Vierfüßler, eine Katze. Es ist eine runde, rote Katze mit schwarzen und weißen Flecken, mit weißen Pfoten und schwarzen Ohren.
Sie sieht aus wie ein Ausrufezeichen, die rote Farbe hebt sich leuchtend von dem vielen Grau, Schwarz und Weiß ab. Ihr Schwanz ist steil nach oben gerichtet, auch er wie ein Ausrufezeichen. Die Katze miaut laut. Evelina streicht eine schwarzweißgestreifte Schürze glatt, bevor sie sich zu der Katze wendet.
„Ja, was ist los, Cora?“
Die Katze geht zu dem Wäschekorb. Schaut mal zu dem Korb, mal ihr Frauchen an und miaut inständig.
„Aha, es ist wieder so weit. Ja, ja, aber gedulde dich, bis ich mit der Wäsche fertig bin.“
Die Katze läßt sich auf dem Boden nieder und wickelt ihren Schwanz um ihre weißen Pfoten. Wartet, verfolgt mit ihren türkisfarbenen Augen gespannt Evelinas Bewegungen zwischen Korb und Leine.
Schließlich reibt Evelina ihre verfrorenen Hände an der Schürze trocken.
„Ach ja, dann wären wir wieder einmal so weit! Ich bringe dir eine Decke, dann hast du es gemütlich warm.“
Sie nimmt den Korb und trägt ihn zum Haus. Die Katze richtet sich auf und folgt ihr, mit wiegendem Schritt. Evelina biegt um das Haus und geht zum Schuppen. Aber die Katze setzt sich auf die Mühlsteintreppe und miaut. Evelina bleibt stehen und schaut über die Schulter. Cora stößt mit ihrem runden Kopf gegen die Haustür und miaut die ganze Zeit auffordernd.
„Ach so! Der Holzschuppen ist dir diesmal nicht gut genug? Hmm ...“
Evelina schüttelt den Kopf und geht wieder zum Haus zurück.
„Nun ja, du wirst wohl deine Gründe haben ...“
Als sie die Haustür öffnet, macht die Katze einen krummen Rücken und streicht dankbar um Evelinas Beine.
Evelina versteht sich gut mit Katzen. Sie erinnert sich auch gut an letztes Mal, als Cora im Holzschuppen niederkam. Sie bekam zwei Junge, dreifarbige Kätzchen – aber beide verschwanden plötzlich.
Das Häuschen hat nur ein Zimmer und einen Dachboden, zu dem eine schmale Leiter hinaufführt. Evelina stellt den Korb an den großen offenen Herd ab, an dem sie kocht und bäckt. Dann öffnet sie den Schrank und holt eine weiche Wolldecke heraus, während sie mit der Katze redet.
„Hier habe ich was Schönes für dich. Nun hast du es gemütlich und warm, und nachher machen wir Feuer. Und hier kann dich der Fuchs nicht finden ...“
Cora kratzt am Korbrand, bis Evelina sie hineinsetzt. Ihr Bauch ist im Weg; der Korbrand ist jetzt zu hoch für sie. Unten im Korb fängt sie gleich an, herumzustöbern und die Decke zurechtzuziehen.
Evelina holt Tannenzapfen und Holzspäne und macht im Herd ein Feuer. Als die ersten Funken sprühen, füllt sie die Kaffeekanne mit frischgemahlenem Kaffee und stellt sie aufs Feuer. Sie kann wahrhaftig einen Schluck vertragen nach all dem Waschen und Aufhängen in der Kälte. Man spürt zwar schon den Frühling in der Luft, aber kalt ist es doch!
Bald brodelt es in der Kanne, und der herrliche Kaffeeduft verbreitet sich im Zimmer und mischt sich mit der Wärme des Feuers. Evelinas Nasenlöcher zittern schon vor Erwartung, und ihre Fingerkuppen kribbeln, als ihre klammen Hände langsam wieder warm werden.
Da kratzt es an der Tür, als ob ein trockener Ast dagegenschabte. Aber da es keinen Busch in der Nähe gibt, weiß Evelina, daß jemand draußen steht. Cora knurrt im Korb.
„So was! Da hat natürlich jemand den Kaffeeduft gerochen. Daß man nie in Ruhe ...“
Auf dem Weg zur Tür wirft sie einen schnellen Blick in den Korb. Doch, die Katze hat es sich mit der Decke gemütlich gemacht. Aber die Ohren liegen glatt an, der Schwanz ist dick, und ihr unterdrücktes Knurren klingt bedrohlich.
Ein kalter Luftzug strömt in die Hütte, als sie die Tür öffnet und eine schrille Stimme hörbar wird.
„Ich wollte nur mal vorbeischauen und sehen, wie es dir geht, Evelina. Hu, so ein Mistwetter! Will der Frühling denn überhaupt nicht mehr kommen?
„Meinetwegen, komm rein, dann lassen wir wenigstens nicht die Wärme raus“, sagt Evelina müde und macht einer aufgeputzten