Evelinas Katzenzauber. Camilla Gripe
sich die Lippen und schnuppert entzückt. Dann streift sie ihre schwarzen Wollhandschuhe ab, die an jedem Finger ein Loch haben, durch das jeweils ein schwarzlakkierter Nagel herausguckt, und stellt sich vors Feuer.
„Ja, dann werde ich wohl die Tassen holen“, sagt Evelina.
„Glaub bloß nicht, daß ich deshalb gekommen bin“, sagt die Frau, die nicht für einen Augenblick die Kaffeekanne aus den Augen gelassen hat. „Ich wollte nur mal reinschauen, wo ich ohnehin schon in der Gegend war, und da habe ich gesehen, daß du gewaschen hast ...“
„Ja, sicher ...“
Evelina stellt die Tassen auf den Tisch, hackt ein paar Stücke von einem Zuckerhut ab und legt sie zusammen mit ein paar Haferplätzchen auf einen herzförmigen Tonteller.
„Mehr habe ich nicht ... bin nicht zum Backen gekommen.“
Die Frau beugt sich jetzt neugierig über den Wäschekorb mit der knurrenden Cora.
„Sie ist ziemlich dick und rund, die alte Katz’. Ist es wohl wieder so weit?“
„Bitte, setz dich hin und bediene dich, Doris“, sagt Evelina und schenkt Kaffee ein.
Die Person, die Doris heißt, geht langsam an den Tisch, aber ihre Augen ruhen immer noch auf dem Wäschekorb.
„Ich weiß gar nicht, wo mein Napoleon geblieben ist. Dachte, daß du ihn vielleicht gesehen hättest. Mein schöner Kater ... Vielleicht ist er der Vater von Coras neuen Kleinen. Wer weiß, Evelina. Aber möglich ist alles.“
„Nein, daß glaube ich nicht“, antwortet Evelina.
„Napoleon hat sich hier nicht blicken lassen.“
„Wirst du sie behalten?“ fragt Doris.
„Wen behalten?“
„Die Kätzchen natürlich! Bei Katzen kennt man sich nie aus. Napoleon kann sehr wohl der Vater sein, und dann könnte ich ja ...“
Evelina fällt ihr ins Wort.
„Komm jetzt, Doris, sonst wird der Kaffee kalt!“
Doris nimmt Platz auf einem Küchenstuhl, und die beiden Damen widmen sich eine Weile schweigend dem Kaffee.
Evelina nimmt ein Stück Zucker in den Mund, gießt Kaffee auf die Untertasse und schlürft.
Doris will etwas welterfahrener wirken, und deshalb hält sie die Kaffeetasse zwischen Daumen und Zeigefinger und spreizt dabei gleichzeitig den kleinen Finger. Aber der Kaffe ist heiß, Doris nimmt sich einen ordentlichen Schluck, den sie nicht im Mund behalten kann, sondern über das Kinn und über die Kleider sickern läßt. Sie wischt sich mit dem Ärmel ab und stellt die Kaffeetasse mit Krach auf den Tisch.
„Svedala ist doch ganz schön klein und primitiv“, bemerkt sie. „Es ist eben gar kein Vergleich zu Paris, o lala!“
Evelina seufzt und zieht an einem losen Faden in der Tischdecke. Sie weiß, was nun kommt. Doris ist sowohl in Paris als auch in Amerika gewesen. Darüber spricht sie gern und lange. Manchmal verwendet sie Wörter und Ausdrücke aus beiden Sprachen. Evelina hat keine Ahnung, ob sie richtig sind, schließlich kann sie weder Englisch noch Französisch.
„Hier gibt es keine Kultur und keine Eleganz“, fährt Doris fort.
„Mir gefällt es so, wie es ist“, meint Evelina.
„Ja, wenn man nichts anderes kennt, dann schon. Aber over there – in Amerika also, gibt es ja alles. Und für alles haben sie Maschinen. Da muß man sich nicht abquälen und die Wäsche im Bach waschen, falls du dir das einbildest. Yeh, yeh, und viel sauberer wird sie auch, und trocken ist sie auch gleich.“
Evelina schenkt eilig noch Kaffee nach. Vielleicht besteht eine kleine Chance, daß Doris sich davonmacht, wenn die Kaffeekanne leer ist. Es wäre schön, das alles nicht noch einmal hören zu müssen.
„Und die Männer in Paris. Die können sich sehen lassen! Ich hätte einen Herzog haben können. Er hieß Louis, nach dem König. Ein stattlicher Kerl, oui, oui. Ein richtiger Mann von Welt – ein Lebenskünstler, das kannst du mir glauben, meine liebe Evelina.“
„Ja, das hast du schon erzählt. Nimm doch noch ein Plätzchen.“ Doris nimmt ein Plätzchen, bricht kleine Stückchen ab und stopft sie in den Mund. Trotzdem redet sie weiter. „Aber dann wollte ich doch wieder in das kleine Schwedenländchen zurück, und er bekam einen Korb, der Arme. Mon dieu, er war völlig außer sich vor Verzweiflung.“
Währenddessen bekommt Cora ihre Kätzchen. Sie kann sie nicht mehr zurückhalten, sie wollen hinaus. Es ist soweit. Sie gebiert still, nicht das leiseste Wimmern ist von ihr zu hören, und als die Kätzchen schließlich geboren sind – es sind zwei –, legt sie sie rasch an ihre Zitzen, damit sie sofort Milch bekommen und einschlafen können.
Die beiden Kätzchen sind merkwürdig gezeichnet. Eines hat Dreiecke in verschiedenen Farben und eine schwarze Maske um die Augen, das andere hat runde Flecken in verschiedenen Farben und schwarze Pfoten.
„Ihr seid schön“, flüstert Cora ihnen zu und wäscht sie. Es sind Katzen, alle beide. Wie gern hätte Cora sie Evelina gezeigt, aber das geht ja jetzt nicht, solange diese Vogelscheuche da ist. Stattdessen deckt sie ihre Kätzchen mit einem Zipfel der Decke zu, damit man sie nicht sieht. Doris redet unverdrossen weiter.
„Aber ich glaube nicht, daß ich dir von dem Indianer erzählt habe, dem Häuptling von Indianapolis. Der, der mich heiraten wollte ....“
„Doch, davon habe ich gehört ...“
„Er wollte seine ganze Federkrone für meine Hand geben. Aber, my God, ich habe ihn verschmäht. Der arme Kerl!“
„Ja, leider gibt’s keinen Kaffee mehr, Doris. Und mehr Bohnen habe ich nicht.“
„Oh, Café de Paris! Welche Atmosphäre ... die Franzosen können vielleicht Kaffee kochen!“
Aber schließlich verstummt Doris. Sie sieht ein, daß es wirklich keinen Kaffee mehr gibt und daß Evelina nicht die gute Zuhörerin ist, die ihre Erzählungen aus der großen weiten Welt verdienen. Evelina sollte dankbar sein, etwas von der phantastischen Welt zu erfahren, wo sie doch nicht einmal die Hauptstadt besucht hat. Aber Evelina bleibt, wie sie ist – ihr fehlt ganz einfach culture.
Auf dem Weg zu Tür wirft sie einen schnellen Blick in den Korb und zischt Cora zu:
„Warte nur, du alte Katze! Mir kannst du nichts vormachen! Ich poche auf mein Recht.“
Cora knurrt nur dumpf zurück. Sie ahnt nur zu gut, wer hinter dem Verschwinden der letzten Brut steckte. Das war nicht der Fuchs ...
Evelina stößt ein Seufzer der Erleichterung aus, als Doris endlich geht. Sie wartet eine Weile an der Tür, um sicher zu gehen, daß Doris wirklich außer Sichtweite ist, dann geht sie ins Haus und gibt neuen Kaffee in die Kaffeekanne. Sie beugt sich über den Korb und entdeckt, daß da drei Katzen liegen.
„Sie sind prächtig, Cora! Tüchtig, tüchtig! Und Mädchen alle beide. In der Kleinen mit den runden Flecken steckt eine echte Wahrsagerin. Solche Kreise haben nur Katzen, die in die Zukunft sehen können. Und nun bekommst du aber einen Schluck Sahne, den hast du verdient.“
2.
Doris’ Fahrrad steht ein Stückchen weiter weg am Waldrand. Auf dem Gepäckträger sind ihr Umhang und ein Korb festgeschnallt. Der Korb ist leer. Sie wollte eigentlich nicht mit leerem Korb von hier wegfahren, aber jetzt ist es doch so gekommen. Brummend und leise fluchend hüllt sie sich in den Umhang, packt das Fahrrad und schwingt sich drauf. Es ist ein schwarzes Fahrrad mit Rockschutz, trotzdem verheddert sich ihr Umhang in den Speichen, und sie wäre fast gestürzt. Schwankend fährt sie los.
Doris ist mit ihrem Leben unzufrieden. Paris und Amerika liegen lange zurück, fast kommt es ihr vor, als ob sie nie dagewesen wäre. Nur auf Kaffeekränzchen prahlt sie noch mit ihren Auslandserfahrungen. Wie es in Paris und Amerika war, hat sie fast vergessen, da sie nie