Evelinas Katzenzauber. Camilla Gripe

Evelinas Katzenzauber - Camilla Gripe


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und einem Schluck Rahm?“

      „Danke sehr! Da kann ich gar nicht nein sagen, denn heute ist der Mäusefang ausgefallen ..., und natürlich werde ich auch weiterhin die Ohren spitzen und die Augen aufhalten.“

      Zusammen setzen sich die zwei Freundinnen vor die Schale und lassen sich es schmecken. Cora weiß, daß sie wachsam sein und Kraft sammeln muß, aber ihr ist doch etwas wohler zu Mute, trotz allem. Doris wird kaum wissen können, daß Cora allein zu Hause ist, und es tut gut, eine Verbündete zu haben, der sie vertrauen kann.

      4.

      In einem Dunst von Schwefel und Maiglöckchenparfüm schwebt Doris in die rußige Küche im Keller des zur Hälfte verkohlten Hexenhauses.

      An der schwarzen Feuerstelle, wo die Glut seit langem verglommen ist, sitzt der faule Ludwig in einem kaputten Sessel, aus dem die Polsterung hie und da hervorschaut.

      Auf einem moosgrünen, übel mitgenommenen Samtkissen schnarcht der ebenso faule Kater Napoleon, vollgefressen und aufgedunsen. Eine fette schwarze Spinne hängt an einem Faden über der Herdplatte. Ludwig überlegt, ob er sie in eine Praline oder in ein Himbeerbonbon verwandeln soll – er weiß nicht, worauf er am meisten Lust hat.

      Doris zieht den Umhang aus und wirft ihn in eine Ecke. Einige schlaftrunkene Fledermäuse fliegen hoch und verschwinden in der dunklen Küche. Ludwig lehnt sich mit einem ängstlichen Blick auf die Mutter im Sessel zurück. Ihre wütend energischen Bewegungen beunruhigen ihn, und er hofft, daß sie ihn nicht bemerken wird. Das tut sie selten, aber wenn, dann will sie meistens etwas von ihm. Oft verlangt sie einfach die Teilnahme ihres Sohnes, wenn sie sich über die Ungerechtigkeiten der Welt aufregt und darüber schimpft, wie alle gegen sie sind. Da heißt es, ein paar aufmunternde Worte einzuwerfen, wenn sie eine Atempause einlegt. Wenn man nichts sagt, kann sie noch wütender werden und behaupten, daß man nicht zuhört. Man darf aber auch nicht zu viel sagen, oder sie gar unterbrechen. Er muß sich in Acht nehmen und sich vorsehen, wenn er den Hausfrieden nicht gefährden will – sonst können noch anstrengendere Dinge von ihm verlangt werden ...

      Doris setzt sich an die Feuerstelle und schaut ihren Sohn eindringlich an. Unruhig rutscht er hin und her. Wird sie denn nicht endlich losreden, damit er es bald hinter sich hat. Die zukünftige Praline oder das Himbeerbonbon gleitet schnell den Faden hinunter und verschwindet irgendwo im Dunkeln.

      „Und hier sitzt du wie ein Sack Kartoffeln – wie immer“, fängt Doris an.

      Das war eine unglückliche Einleitung, findet Ludwig. Das war ja ein direkter Angriff auf seine Person und handelte nicht wie sonst von der übrigen, ungerechten Welt.

      Doris macht eine Pause und schaut ihn noch eindringlicher an. Ludwig probiert ein frommes Lächeln. Es erzielt nicht die beabsichtigte Wirkung.

      „Grinst du etwa auch noch? Du bist ein völliger Taugenichts, weißt du das, du Schafskopf?“

      „Aber Mütterchen!“ sagt Ludwig mit belegter Stimme. „Hat dich schon wieder jemand geärgert? Hat die olle Quassel-Tine wieder zugeschlagen?“

      Er hofft, das Gespräch in andere Bahnen lenken zu können. Die Quassel-Tine rettet oft das Spiel. Über sie hat seine Mutter immer eine ganze Menge zu reden. Aber diesmal sticht nicht einmal Quassel-Tine. Die Mutter zischt nur verächtlich.

      „Und du sitzt nur den ganzen Tag herum und frißt! Andre Mütter haben tatsächlich einen gewissen Nutzen und Freude an ihren Söhnen, aber ich Nicht! Schau nur, wie es hier aussieht!“

      „Aber was soll ich denn machen, Mütterchen?“ fragt Ludwig verzweifelt. „Es ist doch nicht meine Schuld, daß es gebrannt hat!“

      „Andere Söhne hätten schon längst das Haus wieder repariert und Holz und Kaffee herbeigeschafft.“

      Der Kater Napoleon ist nun von Doris’ schriller Stimme aufgewacht und reckt sich unlustig – dabei hat er es doch so gemütlich gehabt. Auf niedrigen Beinen kriecht er davon, weg aus dem stickigen Lichtkreis der Petroleumlampe. Er hofft – wie vorhin Ludwig –, daß Frauchens ungnädige Blicke nicht auf ihn fallen mögen, was sie natürlich sofort tun. Sie bohren sich wie Speerspitzen in seine Nackenhaut.

      „Diese jämmerliche Katerfigur wollen wir schon gar nicht erwähnen. Der soll wohl der Dank sein für alle meine Wohltaten!“

      Ludwig schenkt ihr eins seiner einschmeichelndsten Lächeln und macht die Stimme sanft wie eine Liebkosung.

      „Es tut mir leid, daß Mütterchen heut so unzufrieden mit uns ist. Was hältst du von einem frischgekochten Kaffee oder einem Schluck Mistelwein oder einem Stück Zuckergußgebäck – du weißt schon ...“

      Doris zischt laut und versetzt dem armen Napoleon, der entsetzt davonrollt und hinter dem leeren Holzkasten in Deckung geht, einen Stoß. „Verstell dich nicht! Du bist nicht nur faul, sondern auch noch dumm!“

      „Willst du nicht doch ein Täßchen haben – oder einen anderen Leckerbissen. Ich werde mich sofort darum kümmern. Ich glaube, daß es deinen Nerven guttun würde, wenn du etwas Gutes im Bauch hättest.“

      Doris richtet sich auf und fuchtelt mit dem Feuerhaken in der Asche des Herdes herum, bis die Funken nur so sprühen. Rußflocken und Fledermäuse fliegen um sie herum, und der Docht der Petroleumlampe flackert. Sie murmelt etwas vor sich hin. Sie hat Ludwig den Rükken gekehrt, aber ab und zu wirft sie ihm über die Schulter wütende Blicke zu.

      Es ist jetzt fast ganz dunkel in der Küche. Die qualmende Petroleumlampe kämpft gegen den Erstickungstod. Ludwigs Hals ist ganz ausgedörrt. Er beschließt, einen der Rußflocken in ein Glas Limonade zu verwandeln, und murmelt einen seiner Zaubersprüche.

      Ein Glas mit einem goldenem Getränk erscheint sofort vor ihm in der Luft, aber als er die Hand danach ausstreckt, verändert es mit einmal seine Gestalt und wird zu einer großen schwarzen Fledermaus mit spitzen Zähnen, die sofort auf Ludwig hinsteuert und ihm in die Lippen beißt. Ludwig fuchtelt hilflos mit den Händen. Doris dreht sich blitzschnell um und lacht heiser. „Ist dir der Spruch falsch aus dem Maul gerutscht, was?“

      Die Fledermäuse sind jetzt weg, aber der Biß in Ludwigs Unterlippe tut noch weh. Er schaut erstaunt zu seiner Mutter.

      „Ja, ja, mein Lieber. Jetzt sind die guten Tage zu Ende. Noch habe ich das Sagen hier im Haus, das soll dir klar sein. Und meine Macht soll noch weiter reichen, und dafür bist DU zuständig, denn bis dahin werden alle deine lieben kleinen Süßigkeitsformeln schief aus deinem Maul rutschen.“

      Plötzlich hören sie ein Zischen und einen Schrei.

      Der sonst so friedfertige Napoleon springt aus seinem Versteck hinter dem Holzkasten und saust davon wie ein geölter Blitz. An seinem Schwanz hat sich ein Riesenhummer mit großen, kräftigen Scheren festgebissen. Napoleon hatte nämlich auch die Spinne entdeckt und versucht, sie in einen Krabbencocktail zu verwandeln ...

      Doris gluckst zufrieden.

      „Das gleiche gilt für den elendigen Kater, wie du siehst!“

      Ludwig wäre vor lauter Schreck fast aus dem Sessel aufgestanden. „Aber Mütterchen! Mußt du jetzt deine schwarze Magie an Uns ausprobieren? Das ist doch nicht lieb.“

      „Wer hat gesagt, daß ich lieb bin?“

      „So habe ich es doch nicht gemeint ...“

      „Schon gut. Wenn ich das bekommen habe, was ich will, könnt ihr wieder so weitermachen wie bisher.“

      „Aber was hättest du denn so schrecklich gern, Mütterchen?

      „Zu allererst möchte ich Evelinas Kätzchen. Lebendig und dressiert. Die können mir helfen, Macht und Status zurückzugewinnen. Du und Napoleon sollen sie mir besorgen. Und wenn ihr nur im geringsten versucht, Sahnegebäck aus ihnen zu machen, werden sie sich in Krokodile verwandeln und euch alle beide auffressen.“

      Ludwig sinkt in sich zusammen, schlägt die Hände vors Gesicht und schluchzt verzweifelt.

      Napoleon,


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