Evelinas Katzenzauber. Camilla Gripe

Evelinas Katzenzauber - Camilla Gripe


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Und als sich das Brot, das sie anfaßte, oft schwarz färbte und die Rosinen sich in Mäusedreck verwandelten, warf sie der Bäcker hinaus. Und das, obwohl sie versprach, daß ihre Magie jederzeit wieder weißer werden könnte, und daß sie den Bäcker zu den berühmtesten Bäcker aller Feinschmekker von ganz Frankreich machen würde. Aber zurück im alten Schweden machte sie aus dem Bäcker einen Herzog, der sie um alles in der Welt zu seiner Gemahlin haben wollte. Der Indianerhäuptling in Indianapolis war in Wirklichkeit der Besitzer einer Bar, in der Doris die Gäste mit ihrem Gesang unterhalten sollte. Daß sie überhaupt dafür in Frage kam, lag daran, daß ihr diesmal ihre magische Schönheitscreme gelungen war und sie ganz annehmbar aussah. Aber sobald sie zu singen anfing, zersprangen Gläser, Flaschen und Spiegel in tausend Stücke, und die Trommelfälle der Gäste drohten ebenfalls zu platzen. All die Scherben und all die Schadensersatzforderungen, die die gehörgeschädigten Gäste einreichten, wurden dem Barbesitzer auf die Dauer zu teuer.

      Er hörte auch nicht auf sie, wenn sie beteuerte, daß eine zukünftige weiße Magie seine Bar zu dem am meisten besuchten Vergnügungslokal in der ganzen Neuen Welt machen würde ...

      Als Doris nach Schweden zurück kam, bekam sie einen Sohn, den sie Louis taufte (später in Ludwig verschwedischt), nach dem französischen Herzog, den es nicht gab. Das letzte Fünkchen weißer Magie, das sie je besessen hatte, ging bei der Geburt an ihren Sohn über.

      Nun fingen ihre wirklichen Schwierigkeiten an. Alle zogen sich zurück, als sie merkten, daß Doris keine Kontrolle mehr über ihre Magie hatte. Denn es ist eine Sache, schwarze Magie auszuüben, wenn man sie unter Kontrolle hat. Das bedeutet nämlich auch, daß man, wenn nötig, weiße Magie ausüben kann, auch wenn die Absicht schwarz ist. Man muß vielleicht zum Beispiel irgendwann Disteln in Rosen verwandeln können und Steine in Goldbarren. Aber das konnte Doris nicht, denn sie beherrschte nur noch schwarze Magie. Und sie traute sich auch nicht, die schwarze Magie aufzugeben. Sie könnte ja von Nutzen sein – wenn sie sie nur weiß machen könnte. Sie glaubte fest, daß ihr das gelingen würde, wenn sie nur eine gute Katze bekäme.

      Ihr Sohn war ein ziemlich hoffnungsloser Fall. Seine weiße Magie verwendete er nur dazu, den lieben langen Tag Gebäck und Süßigkeiten herbeizuzaubern und dann alles in sich hineinzustopfen. Er saß die ganze Zeit nur da und aß und war zu gar nichts nutze.

      Ihr eigener Kater Napoleon, der angeblich verschwunden war, lag in Wirklichkeit zu Hause am Herd und hatte die gleichen Fähigkeiten wie Ludwig, aber einen anderen Geschmack. Wenn Ludwig Gebäck herzauberte, zauberte Napoleon Krabben, schaffte Ludwig Gummibärchen her, kam Napoleon mit echten Ratten an, als Sahneragout, versteht sich. Niemals würde dieser Kater rohe Ratten essen, oder wenigstens jagen. Eine dreifarbige Katze wäre natürlich etwas ganz anderes, dachte Doris.

      Doris mag Evelina nicht. Evelina taugt nichts, sie ist ein Feigling, eine Anfängerin und noch schlimmerer als das. Fromm steht sie da und rührt ihre Salben, heilt kleine Gebrechen und ist zufrieden. Ja, das Allerschlimmste ist, daß sie damit so zufrieden ist, dort oben auf Pukkel zu leben und ihre weiße Magie zu betreiben. Sie hat, findet Doris, keinen Ehrgeiz. Evelina bastelt, mixt und liest Zauberformeln aus ihrem geerbten Hexikon und hilft jedem, der darum bittet. So etwas bringt weder Macht noch Reichtümer.

      Naja, und selbst wenn es das getan hätte, würde Doris sie kaum lieber mögen.

      Aber es ist auch so schlimm genug. Denn Evelina hat etwas, was Doris nicht hat – sie beherrscht die weiße Magie Und die schwarze. Nur, daß sie die schwarze kaum verwendet. Sie ist mit anderen Worten vielseitiger als Doris, und das kann Doris ihr nicht verzeihen.

      Das muß an der alten Katze liegen. Denn an sich ist ja mit Evelina nichts los. Aber an dieser Cora liegt es, die immer dreifarbige Kätzchen bekommt. Da liegt die Katze begraben. Nun hatte ja Doris nicht viel Glück mit den Kätzchen, die sie das letzte Mal gestohlen hatte. Auch damals waren es zwei Katzen. Sobald sie in Doris’ Hexenhäuschen kamen, benahmen sie sich wie Wildkatzen: zischten, kratzten und knurrten. Sie ließen ganz und gar nicht mit sich reden. Dafür hätte Doris nämlich weiße Magie beherrschen müssen. Sie wollte ihnen Sahne zu trinken geben, aber die Sahne war sauer, noch ehe sie sie in die Schale gegossen hatte. Und als sie nach Daunenkissen suchte, um den Katzenkorb gemütlich zu machen, ringelten sich kleine schwarze, zischende Schlagen darin, obwohl Doris Formeln vor- und rückwärts herunterleierte, um die Magie zu neutralisieren.

      In ihrer Not wandte sie sich an ihren Sohn Ludwig, der wie immer im Sessel vor dem Feuer saß und Süßigkeiten aß. Er lallte darauf undeutlich eine Tirade und schwups, war das eine Kätzchen in eine Sahnetorte verwandelt. Auch Napoleon, der an seiner Seite saß und Spatzenauflauf fraß, fackelte nicht lange und verwandelte das zweite Kätzchen in eine Mäusesülze. Dann verspeisten sie in aller Ruhe das, was sie hergezaubert hatten, und danach brach die wahre Katastrophe aus.

      Napoleon und Ludwig wurden beide von ungeheuerlichen Magenschmerzen überfallen. Es kam ihnen vor, als ob die Gedärme in ihrem Inneren zerfetzt würden. Sie flohen in den Wald, brüllten wie gestochene Wildschweine und kamen erst beim nächsten Neumond in jämmerlichem Zustand wieder zurück. Dünn wie die Mondsichel, mit blutunterlaufenen Augen und abgezehrten Gesichtern.

      Und dabei fanden sie zu allem Überfluß nur ein halbverkohltes Haus vor, denn in derselben Nacht war der Blitz in den Schornstein von Doris’ Hexenhaus eingeschlagen. Das Feuer verbreitete sich schnell und vernichtete das ganze Obergeschoß und den Dachboden. Doris konnte nichts dagegen machen, weil sie keine weiße Magie zur Hilfe hatte. Sie wurde also gezwungen – auf ganz unmagische Art –, auf die städtische Feuerwehr zu warten.

      Danach übte Doris Zurückhaltung, was das Stehlen von Katzen betraf. Aber sie behielt weiterhin Evelina im Auge, in der Hoffnung, etwas über ihre magischen Fähigkeiten herauszufinden. Und nachdem sie seit geraumer Zeit gesehen hatte, daß die Katze Cora immer dicker wurde, kam sie allmählich in die Versuchung, noch einmal neue Katzen auszuprobieren.

      Es kann jedenfalls kaum schlimmer werden als das letzte Mal. Sie hat sich vorgenommen, sie die erste Zeit in den Keller zu sperren. Dort wird sie sich langsam und vorsichtig anschleichen, und indem sie alle Zaubersprüche noch einmal rückwärts aufsagt, wird sie versuchen, sie zu zähmen und sie zu ihren Gehilfinnen zu machen.

      Es macht ihr ein Strich durch die Rechnung, daß Evelina ihren Wäschekorb ins Haus genommen hat, und daß die Katze zu mißtrauisch und wachsam wirkt. Evelina scheint die Sache überhaupt nicht diskutieren zu wollen. Sie dazu zu überreden, die Kätzchen freiwillig abzugeben, hält Doris für ausgeschlossen. Evelinas Kaffeebohnen werden bestimmt nach einer Weile zu Ende sein – jedenfalls für Doris.

      Während sie bei Nacht und Wind den glitschigen Pfad entlangradelt, jagen verschiedene Pläne und Spekulationen durch ihr verwildertes und verwirrtes Gehirn.

      Was kann sie noch zustandebringen? Wie nah ans Ziel kann sie allein durch schwarze Magie kommen?! Gibt es eine Möglichkeit, Ludwig und Napoleon Beine zu machen, solange ihre eigene Magie ihnen alles gibt, was sie brauchen, nämlich Süßigkeiten und einen gemütlichen Platz am Herd?

      Plötzlich stößt sie einen Schrei aus.

      Aber freilich! Es könnte eine Lösung geben! Wenn sie ihre schwarze Magie an ihrem Sohn und den Kater ausprobieren würde. „Das wird sie vielleicht weich machen“, kichert sie. „Da werden sie etwas vermissen und werden vielleicht etwas hilfsbereiter, um das Gute wieder zurückzubekommen ... Juhu! Daß ich nicht früher draufgekommen bin!“

      Einen ihrer Gassenhauer singend – mit denen sie in Indianapolis Glas zertrümmert hat – steuert Doris auf ihr Haus zu. Zum Glück gibt es im Wald kein Glas. Aber die Fledermäuse kräuseln erschrocken ihre großen Ohren, Eulen fliehen unter düsteren Schu-Hu-Rufen, und die eine oder andere schlafende Krähe fällt ohnmächtig von den Fichtenzweigen.

      Ein kleines, schmales Tier, das Doris’ Wackelfahrt begleitet hat, bleibt jäh auf dem Pfad stehen und verschwindet blitzschnell in das hohe Gras am Wegesrand. Es ist ein Wiesel. „Oh, Susanna, why don’t you cry for meeeee“, grölt Doris durch den Wald, von der quietschenden Kette des verrosteten Fahrrads begleitet.

      3.

      Die


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