Kämpfen im Geiste Buddhas. Jeff Eisenberg

Kämpfen im Geiste Buddhas - Jeff Eisenberg


Скачать книгу
im psychiatrischen Dienst beschäftigte Menschen darin ausgebildet, die dieses Training später sehr erfolgreich angewendet haben – genau wie ich während meiner Tätigkeiten als Leibwächter und als Leiter des Krisenstabs in der Notaufnahme einer Klinik und ihrer psychiatrischen Abteilung.

      Was Sicherheit und Schutz betrifft, so ist es vorrangig, allen Menschen mit Respekt zu begegnen und ihre Würde zu achten (wie es der buddhistischen Praktik entspricht). Die Aufgabe besteht dabei darin, nicht nur professionelle körperliche Taktiken anzuwenden (»Weise Handlung«), sondern auch angemessene verbale Anweisungen zu geben (»Weise Rede«). Menschen, die in den oben genannten Bereichen tätig sind, lernen, die jeweilige Person, von der Aggression ausgeht, lieber um Zusammenarbeit zu bitten, als Befehle zu erteilen, und dabei eine respektvolle Sprache zu verwenden – also »bitte« und »danke« zu sagen und sie mit »Herr Soundso« oder »Frau Soundso« anzusprechen, wenn man sie um Zusammenarbeitet bittet.

      Und das gilt nicht nur im Vorfeld der körperlichen Reaktion, sondern auch während dieser Reaktion. Oft habe ich gesagt: »Bitte kommen Sie mit mir mit, Herr Soundso«, während ich den Mann in den Polizeigriff nahm, und mich bei ihm bedankt, wenn er mitkam, ohne Widerstand zu leisten. Solche Situationen habe ich niemals als gewalttätig erlebt. Im Gegenteil empfand ich sie als kontrollierte, ungefährliche Situationen der Gelassenheit und Zurückhaltung – eher hilfreich als verletzend für beide beteiligten Parteien. Diese Erlebnisse haben mir wiederholt bewiesen, dass die Ausbildung in einem »harten« Kampfstil die realistische Anwendung meditativer Fähigkeiten nicht nur fördert, sondern auch erfordert.

      In der Absicht liegt der wichtigste Unterschied zwischen einer reaktiven Anwendung von körperlicher Stärke und einer gewalttätigen Handlung. Doch wenn wir die Kette von Ereignissen untersuchen, die zu einer kritischen Situation geführt haben, ist der entscheidende Faktor, der seinerseits die Intention bestimmt, der Ausgangspunkt dieser Kette. Die buddhistische Lehre der Bedingtheit, wie sie in dem Text »Die zwölf Glieder des Abhängigen Entstehens« erläutert wird, definiert den Ausgangspunkt eines schädlichen Handlungsverlaufs als Unwissenheit. Ich würde sagen, dass ein gewalttätiger Akt selbst Unwissenheit ist und das unmittelbare Ergebnis einer Kette von Ereignissen, bei der es an jeglicher Achtsamkeit mangelt. Achtsamkeit oder Besonnenheit ist tatsächlich das Letzte, das in einer schädlichen Situation auftaucht (wenn überhaupt). Schließlich hat ein Mensch, der sich gewalttätig verhält, währenddessen jede Selbstbeherrschung verloren. Erst danach wird ihm in einem lichten Moment schlagartig klar, was er angerichtet hat. Meistens geschieht das, während man ihm Handschellen anlegt und auf den Rücksitz eines Polizeiwagens verfrachtet, vielleicht auch, wenn sich die Tür seiner Zelle schließt, oder wenn er in der Notaufnahme einer Klinik liegt.

      Doch bei einer angemessenen Anwendung körperlicher Stärke ist die Achtsamkeit das Erste und Wichtigste. Sie ermöglicht einen klugen Blick und die vollständige Kontrolle über den eigenen Entscheidungsprozess, die Wahl, die man trifft, und die Handlungen, die sich daraus ergeben.

      Wenn die Unwissenheit der Ausgangspunkt einer schädlichen Folge von Ereignissen ist, dann ist das Wissen der Ausgangspunkt einer hilfreichen Ereigniskette. Tatsächlich führt die Ausbildung in einem »harten«, an der Realität orientierten Kampfstil dazu, dass man weniger geneigt ist, körperliche Gewalt einzusetzen, da man bereits über Erfahrungen in einer realen kritischen Situation verfügt. Da man sich dabei Achtsamkeit und Besonnenheit aneignet, beseitigt man die Unwissenheit, die einen dazu bringen würde, sich aufs Geratewohl auf eine bedrohliche Situation einzulassen.

      Wie schon erwähnt bringen viele Lehrer der Kampfkunst, vor allem diejenigen, die Tai Chi, Aikido oder andere traditionelle Kampfsportarten unterrichten, ihren Schülerinnen und Schülern bei, dass das höchste Können darin besteht, die eigenen Fähigkeiten niemals einzusetzen. Dieser Grundgedanke ist wirklich seltsam. Sie erzählen ihren Schülerinnen und Schülern, dass sie Fähigkeiten erwerben, die tödlich sind – zu tödlich, um sie jemals anzuwenden. Also ist das höchste Können, über diese tödlichen Fähigkeiten zu verfügen, jedoch niemals zu wagen, sie zu nutzen, da sie allzu tödlich sind. Ha!

      Ihr wisst ja bereits, dass ich anderer Meinung bin, und hier folgt nun meine Begründung dafür. Ich behaupte, dass das höchste Können darin besteht, die eigenen Fähigkeiten mit der Absicht zu nutzen, anderen zu dienen und sie zu schützen. Für mich lautet die wahre Definition von Gewalttätigkeit folgendermaßen: Über Mittel zu verfügen, Schäden und Verletzungen zu verhindern, sie jedoch bewusst nicht einzusetzen. Wenn man sich dafür entscheidet, nicht zu reagieren, einem Opfer von Gewalttätigkeit nicht beizuspringen, ist das keine Höchstleistung, sondern macht einen in Wahrheit zu einem Mitschuldigen und trägt zum Kreislauf der Gewalt bei. Wenn man der gewalttätigen Handlung ein Ende bereitet, hilft man sowohl dem Angreifer als auch seinem Opfer.

      Wie das? Nun ja, wenn man die Unwissenheit aus dem Angreifer herausprügelt, ist das für ihn vielleicht ein Auslöser, sein schädliches Verhalten zu erkennen und sein Leben zu ändern. (Ruhe bewahren! Das war nur ein Scherz … wenn auch mit einem gewissen Wahrheitsgehalt.) Liegt es nicht nahe, dass das baldmöglichste Beenden eines Angriffs nicht nur dem Opfer, sondern auch dem Täter größere Schmerzen und größeres Leid ersparen, als er bei einer Fortsetzung seiner Gewalttätigkeit erlitten hätte? Übeltäter sind selbst krank und leiden, und die Wurzel des Schadens, den sie anrichten, ist die Verblendung. Dass wir das begreifen, entschuldigt ihre Handlungen nicht. Aber dieses Verständnis macht es uns möglich, unsere Fähigkeiten eher mit Mitgefühl als mit Böswilligkeit einzusetzen, und genau das ist der Unterschied zwischen Gewalttätigkeit und bewusster Anwendung körperlicher Stärke. Wenn man das klar erkannt hat, wie kann man dann nicht eingreifen?

      Die buddhistischen Übungen lehren uns, uns nicht an feste Vorstellungen zu klammern, nicht in bestimmten Gedankengebäuden steckenzubleiben. Und sie lehren auch, dass es gefährlich ist, nur nach dem zu gehen, was wir selbst für richtig oder falsch halten. Natürlich hat jeder von uns ein individuelles Verständnis von richtig und falsch. Wir benutzen es als ethische und moralische Richtlinie, wenn wir uns für bestimmte Handlungen entscheiden. Meiner Meinung nach wären wir alle jedoch recht verblüfft, wäre uns klar, wie weit unsere Auffassungen über diese Richtlinien voneinander abweichen.

      Ist Frieden nur die Abwesenheit von Gewalt? Können wir die Gewalttätigkeit völlig beseitigen? Oder ist das nur ein frommer Wunsch? Verursacht eine solche Idealvorstellung in Wahrheit womöglich genau den Schaden, den sie doch beseitigen will, und zwar dadurch, dass sie unangemessene Handlungen befürwortet oder ein Nichteingreifen empfiehlt? Verzichten wir darauf, jemandem zu helfen, weil wir der Idealvorstellung von Gewaltlosigkeit anhängen? Halten wir uns heraus und schauen zu, wie jemand geschlagen wird? Ein Kind missbraucht wird? Eine Frau überfallen wird? Wenn wir die Gültigkeit unseres Ideals auf persönlicher Ebene untersuchen, landen wir schnell in einer Grauzone, die uns hart trifft! Es ist ganz in Ordnung, wenn ihr mit meinen Anschauungen zu diesem Thema nicht übereinstimmt.

      Nur sollten wir darüber nicht in heftigen Streit geraten!

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4RjdRXhpZgAATU0AKgAAAAgADAEAAAMAAAABBl4AAAEBAAMAAAABCeAAAAECA
Скачать книгу