Kämpfen im Geiste Buddhas. Jeff Eisenberg

Kämpfen im Geiste Buddhas - Jeff Eisenberg


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      Ein Krieger kann sich für den Pazifismus entscheiden.

      Alle anderen sind dazu verdammt.

      image Verfasser unbekannt image

      Bevor wir fortfahren, müssen wir aus Gründen, die auf der Hand liegen, offen und ehrlich die buddhistische Lehre, keinem Lebewesen zu schaden, erörtern.

      Immer wieder habe ich von bestimmten Kollegen, die wie ich Dharma praktizieren, gehört, dass es falsch ist, wenn ich buddhistische Übungen mit knallhartem Kampfkunst-Training verbinde. Ihr solltet mal erleben, wie böse diese Kollegen werden, wie laut, barsch und sogar feindselig ihre erhobenen Stimmen klingen und wie aggressiv ihre Körpersprache ist, wenn wir über Gewaltlosigkeit diskutieren. (Eigentlich läuft diese Diskussion stets darauf hinaus, wie falsch ich liege.) Sie betrachten jede Art von hartem Kampfkunst-Training schon an sich als gewalttätig und unabhängig davon, ob man es jemals anwendet oder nicht, als unvereinbar mit ihrer buddhistischen Philosophie oder ihren Meditationspraktiken.

      Viele Menschen, die den Buddhismus praktizieren, glauben, dass nur die sanfte Form der Kampfkunst als Selbstverteidigung legitime meditative Übungen umfasst, die »Hardcore«-Kampfkunst hingegen nicht.

      Sie haben nichts gegen sanfte Arten von Kampfsport wie Tai Chi (das sich wunderbar für meditative Bewegungsabläufe eignet und das körperliche Wohlbefinden fördert, zur Selbstverteidigung jedoch nicht taugt) und Aikido (was dazu geeignet wäre, aber stets in einem choreografierten szenischen Ablauf mit einem entgegenkommenden Partner trainiert wird) und betonen, dass man im wirklichen Leben niemals kämpfen oder seine Fähigkeiten erproben sollte.

      Das kommt mir widersprüchlich vor. Immerhin glauben Buddhisten doch, dass wir bei allen Handlungen eine meditative Denkweise einnehmen sollten. Das betrifft die Art und Weise, wie wir unser Essen zu uns nehmen, genauso wie die Art und Weise, wie wir unseren Darm entleeren. Und dennoch haben einige Buddhisten mir gegenüber behauptet, bei körperlichen Aktivitäten könne man nur Übungen als für Meditationen geeignet einstufen, die man auf langsame und lockere Weise durchführe. Meiner Meinung nach ist das Unsinn. Wenn alle Übungen langsam und locker durchgeführt werden, worin liegt dann die Herausforderung? Ihr solltet einmal versuchen, eine meditative Geisteshaltung zu bewahren, wenn ihr unter Druck geratet und euer Adrenalin mit Millionen Stundenkilometern durch den Körper rast! Könnt ihr auch dann noch Achtsamkeit bewahren, wenn ihr mitten in einer chaotischen Situation steckt? Oder wenn jemand versucht, euch bewusstlos zu schlagen, euch zu würgen oder euch den Arm abzureißen?

      Keine Bange. Ich bin mir sehr wohl bewusst, wie es sich anfühlt, wenn man auf einem Meditationskissen in einer kontrollierten, förderlichen Umgebung sitzt und die Gedanken mit Höchstgeschwindigkeit rasen. Aber jetzt rede ich von Kampfkünsten. Und ich behaupte, dass unser Vermögen zur Achtsamkeit sich am besten in einer tempogeladenen extremen Situation des wirklichen Lebens testen lässt und eher nicht in einem bedächtigen, angemessenen und künstlich kontrollierten Umfeld. Wenn unsere Achtsamkeit keiner Bedrohung ausgesetzt ist, wie können wir dann unsere Fähigkeit prüfen, mit Achtsamkeit auf eine Bedrohung zu reagieren? Eine alte Zen-Geschichte weist darauf hin.

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      Als die Mönche während eines furchtbaren Erdbebens zwischen den Gebäuden herumrannten, ging der Meister des Tempels in den Küchenbereich und leerte inmitten des Chaos gelassen ein großes Glas Wasser.

      Sobald das Erdbeben vorbei war, versammelten sich der Meister und seine Mönche.

      »Habt ihr während des Erdbebens gesehen, wie ich, als ihr Novizen jede Beherrschung verloren habt, ganz ruhig bleiben und ein Glas Wasser genießen konnte?«, fragte der Meister. »Das lag daran, dass ich durch meine Jahre auf dem Kissen gelernt habe, die Meditation meisterhaft zu beherrschen.«

      Ein junger Mönch, der ebenfalls in der Küche gewesen war, stand auf, verneigte sich und sagte: »Ehrwürdiger Meister, das war kein Wasser, sondern Sojasoße.«

      Ein anderer mir bekannter Einwand gegen harte Kampfkünste behauptet, die an der Realität orientierten Kampfkünste seien mit dem Buddhismus nicht vereinbar, da sie keine meditative Geisteshaltung zuließen und gewalttätig seien. »Hart« wird hier also mit »gewalttätig« gleichgesetzt, und die »Gewalttätigkeit« als der unbeherrschte, schädliche Gemütszustand betrachtet, den der Buddhismus und die Meditation beseitigen wollen.

      In Wahrheit wurzeln die harten Kampfkünste jedoch nicht im Zorn oder in blindwütigem, schädlichem Verhalten. Diejenigen, die sich in Kampfkünsten des harten Stils üben, sind beim Training nicht von negativen Gefühlen oder schädlichen Empfindungen beherrscht. Und die müssen sie auch keineswegs haben, wenn sie ihr Können in einer real bedrohlichen Situation anwenden. Im Gegenteil würde das die Anwendung ihrer Fähigkeiten sogar beeinträchtigen. Die Anwendung von Können als Reaktion auf eine Aggression im wirklichen Leben ist keine von Wut gespeiste, desorientierte Handlung, sondern eine distanzierte Antwort darauf, eine kluge, angemessene Handlung, die einer klar definierten Absicht entspringt.

      Ich male mir gern aus, wie Buddhisten, die harte Kampfstile kritisch betrachten und der Meinung sind, diese Stile seien gewalttätig und sollten niemals angewendet werden, genau wie ich handeln würden, um eine aggressive Handlung zu verhindern, weil das sowohl aus buddhistischer als auch aus humanistischer Perspektive das Richtige ist. Als ich vor Jahren mein Studium bei einem buddhistischen Lehrer, Noah Levine, aufnahm, war er eisern in seiner Haltung, niemals Gewalt anzuwenden, auch nicht im Fall der Selbstverteidigung. Doch jetzt hat er Kinder und denkt darüber nach, wie er sich verhalten würde, wäre das Leben seiner Kinder bedroht. Wie er sagte, kann er sich nicht vorstellen, nichts dagegen zu unternehmen. Mehr zu dieser Sichtweise später.

      Ich habe außerdem festgestellt, dass schon die Körperlichkeit an sich ein Problem für Menschen darstellt, die von ihrem Wesen her nicht körperbewusst sind. Offenbar setzen sie bereits die körperliche Annäherung mit Gewaltsamkeit gleich oder zumindest mit Aggression und einem Mangel an Zurückhaltung.

      Kein Wunder, dass Buddhisten hinsichtlich der Frage von Gewaltlosigkeit so viele verschiedene Standpunkte einnehmen und sich nicht einig werden können, denn auch der Buddhismus selbst ist in dieser Frage uneinig. Manche Buddhisten legen die Lehren buchstabengetreu aus, sehen alles entweder schwarz oder weiß und sind fest davon überzeugt, dass man niemals, unter keinen Umständen, Gewalt anwenden sollte. Andere betrachten dieses Thema eher als Grauzone, in der Weisheit und Intention in jeder Situation eine individuelle, sorgfältig abgewogene, angemessene Reaktion verlangen. Wie ihr sicher schon vermutet habt, vertrete ich die zuletzt genannte Auffassung und werde in den folgenden Kapiteln näher darauf eingehen.

      Als Erstes müssen wir die Definition von Gewaltlosigkeit und Gewalttätigkeit betrachten. Buddha hat gesagt, dass wir eine Handlung nicht einfach als richtig oder falsch einstufen sollten, sondern vor allem die dahinter steckende Absicht untersuchen müssen. Gemäß dieser Richtlinie definiere ich Gewalttätigkeit als jede Handlung, die darauf abzielt zu verletzen, unabhängig davon, ob diese Verletzungen physischer, psychischer oder emotionaler Art sind. Und die angemessene Anwendung körperlicher Stärke definiere ich so, dass sie darin wurzelt, solchen Verletzungen Einhalt zu gebieten. Gewalttätigkeit entsteht aus Unwissenheit, Selbsttäuschungen, Wut und Angst, während die angemessene Anwendung von körperlicher Stärke als Reaktion auf Gewalttätigkeit ihre Grundlagen in einem in der Weisheit verankerten, klaren Verstand, Verständnis und Mitgefühl hat.

      Gewaltlosigkeit ist nicht die Abwesenheit von Anwendung körperlicher Stärke, sondern deren Anwendung ohne verletzende Absichten. Zwar bezeichnen viele meiner Kritiker meine Kampfkünste als Übungen in Gewalttätigkeit, doch nichts könnte der Wahrheit ferner sein. Gewaltlosigkeit bedeutet nicht, dass man sich passiv verhält und das Handeln unterlässt. Ich lehre in meinen Übungen die Anwendung körperlicher Stärke als angemessene Reaktion auf Gewalttätigkeit, die darauf abzielt,


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