Kratz. Skye MacKinnon
hast du recht. Es gab durchaus Zeiten, wo ich mich am falschen Platz gefühlt habe, als ob ich anders war als die anderen Katzen. Ich hab das meistens ignoriert, aber wenn ich jetzt darüber nachdenke…“
Ohne Vorwarnung springt er hoch auf die Mauer.
„Ich brauche ein bisschen Zeit, um damit klarzukommen. Ich komme wieder.“
Damit lässt er mich stehen und allein mit allen meinen Fragen.
Wie zum Teufel soll ich aus einer Katze einen Gestaltwandler machen?
Kapitel 3
Das Leben ist so kompliziert. An manchen Tagen wünschte ich, ich wäre nur eine Katze. Ein Panther. Oder so. In der Sonne liegen, fressen, entspannen, durch den Tag dösen. Schmetterlinge jagen, mich an den Beinen von irgendeinem Fremden reiben, dann weiter schlafen.
Stattdessen gehe ich auf und ab und versuche, Herr meiner Gedanken zu werden. Ich bin allein im Haus und froh darüber. Ich will nicht, dass mich die anderen in diesem Zustand der totalen Verwirrung sehen. Sonst bin ich immer so beherrscht, nach außen hin kühl, aber jetzt …weiß ich gerade nicht, ob ich mit Dingen um mich werfen, jemanden umbringen oder Berge von Eiscreme essen soll. Am besten alles gleichzeitig. Jemandem das Eis an den Kopf werden, ihn so umbringen und es dann essen.
Ich werde noch verrückt. Bestes Zeichen – Eis als Mordwerkzeug verwenden. Da käme nicht mal ein blutiger Anfänger drauf, totaler Scheiß. Mit mir stimmt was ganz und gar nicht. Ich muss wieder in die Spur kommen, weg von diese ganzen wirren Gedanken und Gefühlen. Ich renne ins Büro und nehme die erste beste Akte vom Stapel. Ich muss jemanden umbringen.
Es handelt sich um einen einfachen Auftragsmord, ein Geschäftsmann, der sich mit den falschen Leuten eingelassen hat. Die zahlen gut, hört sich einfach an. Sie würden einen Giftmord bevorzugen, sind aber mit allem einverstanden, was nicht zu viel Schweinerei verursacht. Kein Problem. Ich öffne das Schränkchen hinter dem geschmacklosen Portrait einer schottischen Hochlandkuh (war schon im Haus, als ich’s gekauft habe) und nehme einige Messer und Pfeile heraus. Ich habe immer einige Giftpfeile dabei, die in meine Kleidung eingenäht sind, aber es ist immer gut, eher zu viele als zu wenige dabei zu haben. Man weiß nie, was man da draußen antrifft.
Ausgestattet mit einer größeren Zahl Messern, als die meisten Leute in ihrer Küche haben, gehe ich aus dem Haus und gleich hoch auf die Dächer. Es ist spät am Nachmittag und nicht der perfekte Tag für einen Anschlag, aber ich will nicht länger warten. Ich brauche den Adrenalinschub, das Gefühl absoluter Kontrolle und Körperbeherrschung, mit der ich von einem Dach zum nächsten springe und auf Giebeln balanciere, als hätte ich festen Boden unter den Füßen.
Die frische Luft beruhigt mich weiter. Es riecht nach Regen. Besser, ich bringe das schnell hinter mich und bin wieder zu Hause, bevor die Dächer zu nass und damit unsicher werden. Selbst mir sind Grenzen gesetzt. Um mich auf nassen Schindeln gut fortbewegen zu können, müsste ich wieder Panthergestalt annehmen, und das geht nicht am helllichten Tag. Die Leute mögen ja noch akzeptieren, dass ein Mensch über die Dächer rennt, aber ein Panther … das nähme wohl ein schlimmes Ende.
Meine Zielperson lebt in einiger Entfernung vom M.I.A.U. Hauptquartier und bis ich dort bin, fühle ich mich wieder viel besser. Dies hier ist Routine, etwas Vertrautes. Ich weiß, was ich in dieser Situation tun muss. Jetzt muss ich nur noch die Umgebung auf Verdächtiges absuchen, nachsehen, ob noch jemand im Haus ist und dann zuschlagen. Ganz einfach. Ich lecke meine Lippen, als der Panther in mir sich bemerkbar macht. Vielleicht werde ich doch etwas gewalttätiger vorgehen als geplant.
Ich kauere mich auf dem Dach gegenüber dem Haus der Zielperson nieder und konzentriere mich auf alle Sinneseindrücke. Es ist nur eine Person im Haus, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zielperson. Und auch wenn es jemand anderes sein sollte – ich bin in der Art von Stimmung, die mich keine Überlebenden zurücklassen lässt. Töten ist eine gute Art sich abzulenken. Nachdem ich sicher bin, dass alles ist, wie es sein soll, trete ich zurück, um mehr Raum zu haben. Ich atme tief ein, nehme Anlauf und springe vom Dach – direkt auf das andere Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Trotz aller schlimmen Erfahrungen, die mich mein Wandler-Dasein hat machen lassen, würde ich nicht anders sein wollen. Und wenn ich wählen müsste, würde ich lieber ein Panther als ein Mensch sein.
Das Dach ist in erbärmlichem Zustand, und ich muss aufpassen, dass die Schindeln mir nicht unter den Füßen wegrutschen. Also lieber wieder runter auf festen Boden. Ich will doch meine Zielperson nicht durch merkwürdige Geräusche an der Decke aufmerksam machen. Mit einem Salto rückwärts katapultiere ich mich vom Dach und lande auf allen vieren in einem kleinen Garten. Gänseblümchen wachsen im Gras, ihr Duft kitzelt meine Nase. Ich lächle. Auch das werden die meisten Menschen nie erfahren – wie herrlich Gänseblümchen duften.
Geräusche an der anderen Seite des Hauses geben mir die Sicherheit, mich aufzurichten und das Schloss an der rückseitigen Tür zu knacken. Das alte, rostige Schloss leistet nicht viel Widerstand. Die Tür öffnet sich mit einem leichten Quietschen, das selbst ich nicht verhindern kann. Nun gut. Wenn der Mann das hört, müsste ich ihm halt direkt entgegentreten. Wäre mir eigentlich lieber. Ein kleiner Kampf, ein bisschen Hilfe-Geschrei, dann ein zielsicherer Tritt gegen den Hals. Oder ein Messer zwischen die Rippen. Ich lache in mich hinein, als mir klar wird, wie blutgierig ich bin. Diese ganze Ermittlerei hat wohl diesen Blutdurst hervorgerufen.
„Hallo?“, ruft eine tiefe Stimme. Also hat er doch die Tür gehört. Hurra. Das ist doch viel spannender, als mich von hinten anzuschleichen und ihm mit einer schnellen, langweiligen Handbewegung die Kehle durchzuschneiden. Ich eile der Stimme entgegen. Er ist in der Küche und hält ein großes Brotmesser in der Hand. Noch mehr Spaß. Er macht dies zu einer Herausforderung.
Ich grinse raubtierhaft und ziehe zwei Dolche aus meinem Gürtel, werfe sie langsam von einer Hand in die andere. Er reißt die Augen auf.
„Bist du hier um mich zu töten?“ fragt er und hält das Messer fester. Die Fingerknöchel treten weiß hervor, ich kann den Schweiß riechen, der sich auf seiner Haut bildet. Armselig.
„Bitte nicht“, fleht er, taumelt nach hinten, aber die Tischplatte verhindert, dass er weiter zurückweichen kann. Er versucht ein paar hilflose Stöße mit dem Messer, zeigt aber nur, dass er noch nie im Leben ein Messer zu diesem Zweck in der Hand hatte. Das ist zu einfach. Ich hatte gehofft, er wüsste wenigstens mit dem Messer umzugehen.
Ich stürze vorwärts, berühre seine Wange mit dem Dolch und weiche dabei mit Leichtigkeit seinem Messer aus. Ich springe zurück und gebe ihm Zeit zu erkennen, dass ich ihn schon hätte töten können, es aber nicht getan habe. Er fasst sich an die Backe, seine Finger färben sich rot von Blut.
„Bitte“, wimmert er noch einmal mit zittriger Stimme.
Ich greife wieder an und verpasse diesmal der anderen Wange einen Schnitt. Er schreit auf vor Angst und Schmerz. Das macht Spaß. Mit der Beute spielen. Immer wieder treffe ich ihn, bis sein Körper übersät ist mit blutenden Schnitten. Nicht genug, um ihn zu töten, aber genug, mir Vergnügen zu bereiten.
Jemand kommt zur Hintertür herein. Ich sauge die Luft prüfend ein, ohne meinem Opfer anzudeuten, dass er vielleicht doch Glück hat. Ich grinse, als ich einen vertrauten Geruch wahrnehme. Und ziehe dann die Stirn in Falten. Was macht Lennox ausgerechnet hier?
„Bist du noch nicht fertig?“, fragt er, als er die Küche betritt. „Ich konnte die Schreie schon kilometerweit hören.“
Ich zucke mit den Schultern. „Gibt noch ein paar Stellen, die ich nicht erwischt habe. Was willst du hier?“
Der Mann glotzt Lennox an und gibt die Hoffnung auf Rettung wohl auf.
„Du warst nicht zu Hause, also bin ich deiner Spur gefolgt. Wir müssen reden.“
Ich seufze. „Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht wieder Detektiv spielen will. Und ich werde mich auch nicht gegen die Meute stellen.“
„Das