Kratz. Skye MacKinnon

Kratz - Skye MacKinnon


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Kontrolle haben wird, wenn er erst einmal in seine Wolfshaut geschlüpft ist. Ist schon ein bisschen furchteinflößend, zumal ich ja auch zum Panther werden muss, um ihn notfalls in Schach zu halten. Man könnte ja vielleicht noch eine Erklärung dafür finden, warum ein Wolf durch die Stadt läuft, aber eine riesige schwarze Katze … dafür eher nicht. Das würde Panik auslösen, und die von der Meute würden Wind davon bekommen. Ich will nicht, dass sie sich an meine Existenz erinnern.

      „Fertig?“, frage ich Lennox, auch wenn ich weiß, dass er es nicht ist. Ich kann seinen Herzschlag hören, der viel schneller ist als er sein sollte. Er hat Angst, viel mehr, als ich je an ihm gesehen habe.

      Er zuckt mit den Schultern. „Lass uns das jetzt durchziehen. Besser, ich weiß, woran ich bin, als mein Leben lang diesen inneren Drang bekämpfen. Aber versprich mir, dass du mich wegziehst, wenn die Auserwählte so gar nicht zu mir passt?“

      Ich lege die Hand auf mein Herz und wackele mit den Fingern „Wandler-Ehrenwort“.

      Er kichert und erinnert sich sicher an die Zeit, als wir diesen Schwur erfunden haben.

      „Gut. Du bist größer als ich und wirst mich aufhalten können. Nimm’s nicht persönlich, wenn ich zurückschlage“. Er grinst schief „Mein Wolf spielt gerne“.

      „Genau wie ich. Und keine Sorge, mir ist nach einem Kämpfchen zumute, spätestens seit du mich vorhin beim Schneiden unterbrochen hast.“

      Er atmet tief ein, sein Herzschlag rast. Ich kann kaum glauben, dass wir das jetzt wirklich tun. Irgendwie konnte ich mir nie vorstellen, dass einer von uns je einen Partner haben würde. Gelegentlich einen Bettgenossen, das schon, aber nichts Festes. Das soll sich nun ändern und löst bei mir Gefühle aus, die ich schwer benennen kann. Trauer? Eifersucht? Sehnsucht? Ich schiebe das alles zur Seite. Muss mich konzentrieren. Lennox braucht mich jetzt. Er schaut mir in die Augen. Mir gefällt nicht, was ich da sehe. Er hat Angst, und das mag ich nicht. Er zeigt nie Angst oder überhaupt ein Gefühl. Besonders keines, das als Schwäche ausgelegt werden könnte.

      „Verwandle dich“, sage ich ihm und schlüpfe selbst in meine Katzengestalt, schnurre sobald ich auf allen vieren dastehe. Ich strecke meinen Rücken und fahre ein paarmal die Krallen aus und ein. Tut so gut. Und jetzt ein kleines Schläfchen…

      Lennox heult. Sein wunderschöner weißer Wolf liegt zuckend auf dem Boden. Ich springe an seine Seite, stoße ihn mit dem Kopf sanft in die Seite. Ich wünschte, ich könnte mit ihm sprechen, aber wir gehören verschiedenen Arten an, auch wenn wir beide tierische Gestalten annehmen können. Ich kann nur versuchen, seine Körpersprache zu lesen.

      Er ist offensichtlich erregt und hat Schmerzen, rollt sich im Gras hin und her und stößt kurze, bellende Laute aus. Ich hatte eigentlich erwartet, dass er losrennen würde, zu seiner Auserwählten. Dieses Verhalten macht mir Angst.

      „Was kann ich tun?“, frage ich in Panik, auch wenn ich weiß, dass er mich nicht verstehen kann.

      Er heult erneut, dann stellt er sich auf, nur lang genug, um einen Schritt zurück zu machen, weg von meiner Berührung. Ich fühle mich zurückgestoßen. Er will meine Hilfe nicht. Warum lässt er mich nicht teilhaben an seinem Schmerz, geteilt soll der doch nur halb so groß sein. Er leidet, und ich kann nichts tun.

      Ich schnurre, um ihm meine guten Absichten zu zeigen, als ich mich ihm wieder nähere, aber ohne ihn zu berühren. Vielleicht war ihm diese Berührung unangenehm. Vielleicht lässt der Wolf im Moment nur eine Berührung durch seine neue Gefährtin zu.

      Plötzlich nimmt er wieder seine menschliche Gestalt an, aber statt seine normalen Kleider zu tragen ist er nackt. Er liegt zusammengekrümmt am Boden, die Beine vor die Brust gezogen.

      Ich weiß nicht, was ich tun soll. Er sieht so verwundbar aus, so schrecklich verwundbar, und das gefällt mir überhaupt nicht. Er ist ein stolzer Mann und ein noch stolzerer Wolf.

      Statt auch wieder in die menschliche Haut zu schlüpfen, lege ich mich neben ihn, nah genug, dass er mich berühren kann, wenn er möchte, aber weit genug weg, um ihn nicht einzuengen. Ich will, dass er weiß, ich bin da für ihn, ich werde ihn nicht verlassen, egal, was passiert ist.

      Vielleicht hat er ja gar keine Partnerin? Vielleicht ist was schiefgegangen?

      Ich beginne zu schnurren. Mich beruhigt das auch immer, wenn eine Katze es tut, also könnte es auch ihn beruhigen. Ich lausche seinem Herzschlag, schnell und flach. Er atmet zu schnell.

      Wir bleiben lange so liegen. Er zu einer Kugel zusammengerollt, nackt, leidend. Ich als Katze, schnurrend, auch leidend.

      „Wir müssen reden“, flüstert er. „Kannst du wieder menschlich werden?“

      Na endlich, ich dachte schon, er würde das gar nicht mehr sagen. Ich springe auf und nehme in einer einzigen fließenden Bewegung meine menschliche Gestalt an, kaum dass ich mich vollständig aufgerichtet habe. Wie immer, trage ich dieselbe Kleidung, die ich vor der Wandlung anhatte, was seine Nacktheit nur noch betont. Ich habe noch nie gehört, das so was passieren kann. Auch als Gestaltwandler sorgt die in uns wohnende Magie dafür, dass wir normalerweise unsere Kleidung anbehalten.

      „Was ist los?“, frage ich sanft, zu meiner größten Überraschung. Sanftheit ist nicht so mein Ding.

      Er setzt sich auf, in seiner ganzen Nacktheit. Ich versuche darüber hinwegzusehen, wie perfekt sein Körperbau ist. Wie seine Muskeln über dem Brustkorb zu harten Bogen gespannt sind, wie eine dünne Linie dunkler Haare von seinem Bauchnabel hinunter läuft zu…

      Er ist hart. Groß. Sehr hart.

      Oh je.

      Er kreuzt die Beine und legt die Hände in den Schoß und bedeckt damit fast seine Erektion. Er fühlt sich sichtlich unwohl, also ziehe ich meine Jacke aus und gebe sie ihm. Ohne mir in die Augen zu schauen, nimmt er sie und legt sie wie eine Decke in seinen Schoß. Nachdem er sich so etwas bedeckt hat, senkt sich sein Pulsschlag etwas, obwohl er noch immer nervös ist.

      „Was ist denn?“, wiederhole ich. „Sprich mit mir.“

      „Ich kann dagegen ankämpfen“, murmelt er. „Ich muss meinem Wolf nicht nachgeben.“

      „Also hast du herausgefunden, wer deine Gefährtin sein soll?“, frage ich aufgeregt. „War mir nicht sicher, ob das geklappt hat.“

      Er lacht heiser. „Hab ich. Er hat’s mir sofort gezeigt. Ich weiß nur nicht, was ich daraus machen soll. Oder wie ich’s dir sagen soll.“

      „Einfach raus damit. Das ist oft am einfachsten“, sage ich so dahin und versuche, die wachsenden Anspannung in meinem Innern zu verbergen.

      Schließlich schaut er zu mir auf, unsere Augen begegnen sich. Seine sind voller Gefühle und unausgesprochener Gedanken. Er versucht es mir durch diesen Blick schon mitzuteilen, aber ich verstehe ihn nicht.

      „Er hat mir meine Auserwählte gezeigt. Sie steht da vor mir.“

      Mein Herz macht einen Satz.

      Und dann tue ich das Dümmste, was man sich vorstellen kann. Ich lache los. Hysterisches Lachen blubbert aus meinem Hals, und ich presse mir die Hände vor den Mund, um diese verräterischen Laute zurückzuhalten. Hilft nichts. Ich lache und lache, bis ich vollkommen außer Atem bin.

      Er verzieht das Gesicht zur Grimasse. „Diese Antwort hatte ich nicht erwartet.“

      Ich versuche mich zu beherrschen, wirklich, aber das Lachen hört einfach nicht auf.

      Er steht auf, ohne mich weiter anzusehen und wandelt sich. Sein weißer Wolf leuchtet in der Dunkelheit, ein wunderschöner Anblick, der immer mehr schwindet, als er vor mir davonrennt, so schnell er kann.

      Hätte er ein Messer nach mir geworfen, hätte mich das nicht so sehr getroffen.

      Ich stehe auf, etwas wacklig auf den Beinen. Ich sollte hierbleiben, ihn gehen lassen. Aber ich ducke mich, wandle mich und renne ihm nach.

      Am


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