Schwarze Melodie. Ditte Birkemose

Schwarze Melodie - Ditte Birkemose


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zog einen Stuhl heran. »Ich bin gleich wieder da. »Eilig hängte ich meinen Mantel in den Schrank und holte die immer noch recht volle Thermoskanne aus der Kochnische.

      »Möchten Sie eine Tasse Kaffee?« Ich sah sie an. Sie saß auf der Stuhlkante und umklammerte ihre Handtasche.

      »Ja«, antwortete sie und fügte dann hinzu: »Gern.«

      »Nehmen Sie Milch und Zucker?«

      »Nur Milch.«

      Ihre Stimme war so leise, es war fast schon ein Flüstern.

      Als ich Milch und Tassen holte, fragte ich mich, was sie wohl in mein Büro geführt haben mochte. Ich tippte auf einen Mann. Sie wirkte unausgeglichen, vielleicht sogar unglücklich. Die Tatsache, daß sie sich nicht vorgestellt hatte, bedeutete natürlich, daß sie noch nicht entschieden hatte, ob ihr Kommen richtig gewesen war.

      Als ich ihr Kaffee eingeschenkt hatte, ließ ich mich im Sessel zurücksinken, lächelte sie an und fragte: »Und was führt Sie zu mir?«

      Sie seufzte. »Stört es Sie, wenn ich rauche?« fragte sie und öffnete ihre Tasche.

      »Kein bißchen«, ich schob ihr den Aschenbecher hin. »Ich rauche selber.«

      »Ja dann...«, sie zog eine Packung Prince aus der Tasche und hielt sie mir hin. »Möchten Sie eine?«

      »Nein, danke«, ich hob abwehrend die Hand. »Ich rauche nur Zigarren oder Mentholzigaretten.« Der Schatten eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. »Das ist ja eine witzige Kombination.«

      Ich nickte.

      Sie zündete ihre Zigarette an, wir schwiegen beide. Ihre Hände zitterten leicht. Sie schien sich nicht zu fürchten, aber offensichtlich stand sie unter psychischem Druck. Ich betrachtete sie abwartend. Sie sah ein wenig künstlerisch aus. Große Ohrringe, blonde Locken, Augen-Make-up, aber kein Lippenstift. Ich fand sie sympathisch.

      »Ich muß Sie leider nach Ihrem Namen fragen«, sagte ich schließlich und griff zu Block und Bleistift.

      »Ja, natürlich«, sie räusperte sich. »Tine Juul.«

      »Mit h?«

      »Nein, mit zwei u.«

      Ich notierte ihren Namen, legte dann den Bleistift weg und beugte mich vor. »Ja?«

      »Brauchen Sie auch meine Adresse?« fragte sie.

      »Das hat Zeit«, antwortete ich. »Im Moment möchte ich vor allem wissen, was ich für Sie tun kann.«

      Sie nickte und holte tief Luft. »Ich habe einen Freund in Århus«, fing sie an.

      »Mm«, ich bedachte sie mit einem aufmunternden Blick.

      »Er möchte, daß ich zu ihm ziehe, aber ich weiß nicht so recht...«

      »Wo liegt das Problem?«

      »Ich habe eine Tochter, und wenn ich umziehe, muß sie doch die Schule wechseln...«

      Ich blickte sie leicht verständnislos an und fragte: »Aber was hat das alles mit mir zu tun?«

      »Er setzt mich unter Druck«, antwortete sie. »Ruft mich nachts an und so...«

      »Gibt es einen besonderen Grund, aus dem Sie nicht umziehen wollen – abgesehen von Ihrer Tochter, meine ich.«

      »Ich weiß nicht«, sie rutschte unruhig hin und her. »Es ist schwer zu erklären, aber... ich habe nicht genug Vertrauen zu ihm.«

      »Warum nicht?«

      »Das kann ich gar nicht klar sagen, das ist ja gerade das Problem. Ich habe so ein seltsames Gefühl...«

      »Haben Sie ihn bei einer Lüge erwischt?« machte ich den Anfang.

      »Vielleicht...«, sie biß sich auf die Lippe. »Er ist schrecklich eifersüchtig«, sagte sie dann. »Er ruft mich mitten in der Nacht an, nur um zu kontrollieren, ob ich zu Hause bin.«

      »Aber Sie glauben, daß er lügt?« Ich öffnete die Schreibtischschublade, nahm eine Zigarre heraus und steckte sie an.

      »Wenn ich ihn abends anrufe, ist oft besetzt.«

      Den ganzen Abend?«

      Sie nickte.

      »Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?«

      »Ja, aber er behauptet, er habe ein Interview gemacht.« Sie legte eine Pause ein. »Er ist Journalist«, fügte sie dann hinzu.

      »Haben Sie den Verdacht, daß er den Telefonhörer daneben gelegt hat?«

      »Ja.«

      »Das läßt sich doch überprüfen«, sagte ich. »Sie können bei der Telefongesellschaft anrufen und sich erkundigen, ob von seinem Anschluß aus ein Gespräch geführt wird.«

      »Das habe ich getan«, antwortete sie leise. »Und es wurde kein Gespräch geführt?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Haben Sie ihn denn damit konfrontiert?«

      »Ja, aber nun behauptet er, daß mit seinem Telefon etwas nicht in Ordnung ist... oder daß der Hörer nicht richtig aufgelegt war.«

      »Aha.« Ich schwieg eine Weile und betrachtete den Rauch meiner Zigarre. Ich konnte mir schon vorstellen, worauf das alles hinauslief. Vermutlich wollte sie mich nach Århus schicken, damit ich ihren Verdacht be- oder entkräftete.

      Meiner Ansicht nach bestanden zwei Möglichkeiten: Sie war entweder tief neurotisch, oder sie war an einen Hallodri geraten. Ehe ich mich engagierte, mußte ich das genauer wissen.

      »Sie haben gesagt, Sie hätten ihn bei einer Lüge ertappt?« Ich blickte sie abwartend an.

      »Einmal hat er gesagt, er müßte den ganzen Abend in der Redaktion arbeiten«, sie schüttelte den Kopf. »Ich wollte ihn am nächsten Tag besuchen, mußte aber absagen, weil meine Tochter krank geworden war. Da habe ich in der Redaktion angerufen...« nervös machte sie es sich an ihrem Ledergürtel zu schaffen. »Aber er war nicht da. Also habe ich es bei ihm zu Hause versucht...«

      »Ja?«

      »Aber da war er auch nicht.«

      »Und was hat er dazu gesagt?«

      »Ich habe ihn nicht darauf angesprochen. Ihn nur gefragt, ob er in der Redaktion viel zu tun gehabt hätte«, sie starrte vor sich hin.

      »Und das hatte er?«

      »Ja.«

      »Ist die Sache damit nicht entschieden?«

      Vielleicht...«, wieder umklammerte sie ihre Tasche.

      Bei mir war das jedenfalls so. Die Frau war keine Neurotikerin, sie war an einen Hallodri geraten. Eine Neurotikerin hätte sich immer neue Probleme ausgedacht, Tine Juul dagegen weigerte sich, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Während ich noch überlegte, wie ich mich verhalten sollte, klingelte das Telefon.

      »Spreche ich mit der Detektei?« fragte eine sinnliche Frauenstimme. Ich sagte ja, und es entstand eine kurze Pause.

      Dann stellte die Anruferin sich vor. »Hier spricht Lykke. Ich würde gern einen Termin machen.«

      »Ja«, ich griff zu meinem Terminkalender. »Wann paßt es Ihnen denn?«

      »Könnte ich vielleicht morgen kommen?«

      »Mal sehen«, ich versuchte, professionell zu klingen. »Um elf ist noch etwas frei, geht das?«

      »Das geht sehr gut.«

      »Wie war noch gleich der Name?«

      »Lykke.« Der Nachname sollte offenbar ein Geheimnis bleiben.

      »Kann ich dich irgendwo anrufen, wenn mir etwas dazwischen kommt?«

      »Ja, aber... ich bin selten zu Hause. Ich gebe dir lieber die Nummer von meiner Arbeit. Ich bin Kosmetikerin beim Fernsehen


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