Untergärig und Dunkel. Horst Dornbusch

Untergärig und Dunkel - Horst Dornbusch


Скачать книгу
Brauerei stellten die Benediktiner ein Starkbier namens Celia aus Weizen- und Gerstenmalz her, welches ausschließlich für den Abt und dessen Besucher von hohem Rang reserviert war. In der zweiten Brauerei wurde Cervisa gebraut, ein Bier für die gewöhnlichen Mönche, die diesen Gerstensaft in Riesenmengen von morgens bis abends konsumierten. Letztlich produzierte die dritte Brauerei Conventus, ein Dünnbier, welches aus Hafer und den Nachgüssen der Celia- und Cervisa-Maischen hergestellt und dann an die Laienarbeiter und Leibeigenen des Klosters sowie an Bettler ausgeschenkt wurde. Der Klosterplan weist auch Skizzen eines Getreidespeichers (granarium) und einer Stelle „für das Rösten von Getreide / Mörser / [und] Mühlen“ (ad torrendas annonas / pilae / molae) auf. Im Getreidespeicher droschen die St. Gallener Pater das Getreide, befeuchteten es bis es spross. Dann darrten, schroteten und maischten sie es. Die Sudpfannen waren alle direkt befeuert. Sie waren über runde, gemauerte Feuerstellen montiert, deren Wände aus einem mit Lehm verputzten Weidengeflecht bestanden. Die Rauchabzüge der Sudpfannen-Feuerstellen wurden entweder ins Freie oder durch die Darre, in der das Malz getrocknet wurde, geleitet. Mit anderen Worten, das in St. Gallen verwendete Malz wurde direkt mit Hilfe heißer Verbrennungsgase getrocknet. Das fertige Malz war daher meistens etwas dunkel, manchmal sogar leicht angeröstet und definitiv auch rauchig und phenolisch im Geschmack. Ungefähr eintausend Jahre lang gehörten solche direkt befeuerten Darren zur Standardausstattung aller Mälzereien, nicht nur auf dem europäischen Kontinent, sondern auch auf den britischen Inseln, wie wir aus einem anglo-normannischen Gedicht aus der Mitte des 13. Jahrhunderts mit dem Titel Le Tretiz (Die Abhandlung) von Walter von Bibbesworth entnehmen können. In diesem Gedicht bezieht sich der Autor u.a. auf getrocknetes Malz aus direkt befeuerten Darren. Bibbesworth bezeichnet diese Darren mit dem altfranzösischen Wort torrail, was vom lateinischen torrere abgeleitet ist und etwa „braten“ oder „rösten“ bedeutet.

image

      Diese Architekturzeichnung zeigt, wie das Kloster St. Gallen im 9. Jahrhundert n. Chr. möglicherweise aussah. In diesem Kloster gab es drei Brauereien, in denen die Mönche Bier mit dunklem, rauchigem Malz herstellten.

      Viele spätere Quellen über das britische Mälzen und Brauen belegen, dass solche „torrail“-Darren aus perforierten Siebböden bestanden, auf denen das Getreide über offenen Flammen lag. Diese Darren verrichteten ihren Zweck schnell und effektiv; aber alle Malze, die mit dieser Methode hergestellt wurden, waren relativ inhomogen, wobei einige Körner „untergemälzt“ und hell, andere perfekt verarbeitet und wieder andere mit Sicherheit bräunlich, versengt oder gar schwarz waren. Die Farbe eines aus solchem Malz hergestellten Bieres war daher immer eine Schattierung von Braun oder dunkler. Der Geschmack war oft brenzlig und bitter, denn er spiegelte den in der Darre verwendeten Brennstoff wider – von verschiedenen Holzarten über Holzkohle, Stroh, Torf und in späteren Jahren auch Kohle und Koks.

       Die Rückkehr von Malz ohne Rauch

      Die britischen Brauer machten schließlich aus der Not eine Tugend. Wenn ihre Biere fast immer dunkel sein mussten, so sollten sie doch wenigstens keinen Rauchgeschmack haben. Die erste Neuerung in dieser Richtung war eine Erfindung, welche zunächst nichts mit Malz zu tun hatte, denn im Jahre 1713 patentierte ein britischer Eisenfabrikant namens Abraham Darby ein Verfahren zum Erhitzen von Kohle in Abwesenheit von Luft. Dabei gelang es ihm, die flüchtigen Elemente der Kohle zu vergasen und entweichen zu lassen. Was zurückblieb, war nichts als reiner und gleichmäßig brennender Kohlenstoff. Darbys Ziel war es, ein Brennmaterial zu produzieren, mit dem er die Qualität von Gusseisen verbessern konnte. Mit anderen Worten, Darby hatte herausgefunden, wie man Kohle in Koks umwandeln kann.

      Obwohl Mr. Darby mit seiner Erfindung wohl kaum an die Malz- und Brauindustrie seiner Zeit gedacht hatte, stellte sich heraus, dass Koks auch ein sehr geeigneter Brennstoff für Malzdarren war, da Koks langsam glüht und nicht wie Stroh, Torf, Holz oder Kohle lodernde Flammen schlägt und mit viel Phenolrauch brennt. Stattdessen ist Koks eine saubere Hitzequelle, mit der britische Mälzer selbst in ihren direkt befeuerten Darren relativ homogenes, helles („pale“) Malz herstellen konnten – natürlich zu höheren Kosten als konventionell gedarrtes Malz. Koksgetrocknetes Malz war einfach ideal für die besten, helleren britischen Ales und andere feine Bierspezialitäten der damaligen Zeit, wohingegen normales, billigeres, rauchiges, braunes Malz weiterhin zum Brauen von Bier für die einfachen Leute verwendet wurde.

      Die nächste Revolution in der Malztechnologie kam im Jahre 1817, als der britische Ingenieur Daniel Wheeler eine Erfindung patentierte, die er als „Eine neue oder verbesserte Methode zum Trocknen und Zubereiten von Malz“ (A New or Improved Method for Drying and Preparing Malt) betitelte. Mr. Wheeler gelang es zum ersten Mal, die Rauchgeschmacksbildung in dunklen Malzen komplett zu verhindern. Seine Erfindung war eine geschlossene Rösttrommel, die er den Kaffeeröstern abgeschaut hatte. Das Grünmalz ging dabei in die Trommel und die „verbesserte Methode“ bestand darin, dass die mit einer Kurbel rotierbare Trommel von außen durch Feuer erhitzt wurde, ohne dass das Malz direkt mit der Hitzequelle oder deren Verbrennungsgasen in Berührung kam. Bei diesem Vorgang trockneten die feuchten Körner langsam und gleichmäßig im Trommelinneren ohne jedwede Aufnahme von Rauchgeschmack. Wheelers Trommel wurde hauptsächlich zum Rösten dunkler bis schwarzer Malze verwendet, welche zu dieser Zeit aufgrund der wachsenden Popularität von Porter und Stout auf den Britischen Inseln besonders gefragt waren. Da Wheeler für seine Erfindung ein Patent bekommen hatte, erhielt das mit seiner Methode hergestellte Malz den Namen black patent malt (schwarzes Patentmalz).

       Die Rückkehr von Malz ohne Dunkelheit

      Als nächstes kam eine Erfindung von Patrick Stead, einem schottischen Mälzer, der im Jahre 1842 ein sogenanntes „pneumatisches“ Malzverfahren patentierte. Dieses Patent kann man auch heute noch unter dem Titel Patent No. 9475, 1842, Specification of Patrick Stead, Manufacture of Malt beim britischen Patentamt einsehen. „Steads Patent“, erklärt die Historikerin Rachel Lawrence (siehe Referenzen für Kapitel 1), „war sehr umgreifend. Es basierte auf der Verwendung von Dampf und von mit Dampf erzeugter Wärme, sowohl während das Getreide auf dem Boden keimt und schwellt als auch während des Darrvorgangs. Anstelle der damals üblichen Ein-Horden-Darren sprach Stead sich für eine Vier-Horden-Darre aus. Jede Horde hatte eine Falltür durch die das Malz von einer Horde auf die nächsttiefere fallen konnte. Die oberen Horden wurden mit Dampf beheizt, welcher mit Hilfe eines [mechanischen] Gebläses von unten durch die Böden und durch das Malz getrieben wurde.“

image

      Entwurf eines pneumatischen Galland-Keimkastens, welcher 1899 bei der Firma Weyermann® installiert wurde.

      Im pneumatischen Verfahren wird das gekeimte Getreide ausschließlich heißluftgetrocknet. Das Blasen der sauberen, mit Dampf erwärmten, rauchfreien Luft erfordert natürlich mechanische Kraft, die zu Steads Zeiten dank der Erfindung einer praktischen Dampfmaschine von James Watt, der diese mechanische Energiequelle im Jahre 1781 patentiert hatte, verfügbar war. Das pneumatische Mälzen war ein großer Fortschritt, denn es ermöglichte den Mälzern den Malzprozess kontrolliert zu steuern und ihn damit auf einen reproduzierbaren Sieben-Tage-Rhythmus zu standardisieren. Mit anderen Worten, Steads Methode der mechanischen Belüftung ersetzte das Tennenmälzen; und seine „mit Dampf erzeugte Wärme“ ersetzte direkt befeuerte Darren. Diese einfachen Prinzipien werden selbst heute noch in Varianten in nahezu jeder modernen Mälzerei eingesetzt.

image

      Das Schema einer pneumatischen Galland-Keimtrommel.

       Die Weiterentwicklung der Malztechnologie


Скачать книгу