Emma schreibt. Armand Amapolas

Emma schreibt - Armand Amapolas


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zu tun.«

      »Ich denke, Schweigekartell trifft es ganz gut. Vielleicht sollten wir es dabei auch belassen. Ich war sehr froh, den Job bei der Revue zu finden, als die Halterner Post geschlossen – gemeuchelt – worden war. Aber eigentlich bin ich nicht der richtige Typ für Gutwettergeschichten.«

      »Gutwettergeschichten. Nett gesagt. Die Revue ist natürlich ein Schlabberblatt. Das wissen wir beide. Das Wertvollste an ihr ist das Papier, auf dem sie gedruckt wird. Hochglanz und bunt: wie eine schicke Verpackung rund um lauwarme Luft. Die Revue gibt’s ja auch nur, damit die Fürstin eine Aufgabe hat und ihr Göttergatte in Ruhe Golf spielen kann. Ich finde, es zeichnet Sie aus, dass Sie im Schleimen für die Revue nicht ihre journalistische Bestimmung sehen, Frau Schneider.« Aha, auch Hanisch nannte Tanja »die Fürstin«. Diese Gemeinsamkeit mit Paul Bärkamp ließ Hanisch in Emmas Augen gleich noch ein Stück sympathischer wirken. Aber misstrauisch blieb sie, trotz alledem.

      »Aber PR erwarten Sie doch auch schon von mir? Ich nehme nicht an, dass Sie mich anheuern wollen, um in Ihrer Vergangenheit zu wühlen und schmutzige Wäsche ans Licht zu zerren.«

      Hanisch schmunzelte schalkhaft. »Woher wollen Sie das wissen? Es muss ja nicht meine Wäsche sein. Da ist zwar auch nicht immer alles ganz sauber. Sie wird aber regelmäßig gewaschen. Im Ernst: man sagt mir manches nach, einiges vielleicht sogar zu Recht, aber niemand hat je behaupten können, ich sei korrupt oder täte nicht das, was ich sage.«

      »Stimmt. Das ist es nicht, was Ihnen nachgesagt wird.«

      »Oh, da bin ich aber gespannt. Nun? Was wird mir denn nachgesagt? Ich vermute, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«

      »Wenn ich direkt sein darf und Sie darin keine Unhöflichkeit sehen, wo Sie mich doch eingeladen haben…« Emma wartete die Antwort nicht ab: »Sie sind abgehoben, arrogant, übrigens auch in Berlin nicht gut gelitten, anders als Sie das an der Heimatfront zu verbreiten belieben. Außerdem extrem egozentrisch, oft aufbrausend. Als Arbeitgeber eine Plage. Selbst Ihre Ehefrau hat es mit Ihnen nicht mehr ausgehalten. Und auch Ihr gemeinsamer Sohn will von Ihnen nichts mehr wissen. Reicht Ihnen das? Fürs Erste?«

      »Oh ja. Vielen Dank. Vor allem für das mit der Plage. Das stimmt wohl. Bedauerlicherweise. Davon können Sie sich ja dann womöglich demnächst Ihr eigenes Bild machen. Nur eines stimmt nicht, das muss ich dementieren: mit meinem Sohn Max verstehe ich mich prächtig. Der ist übrigens auch gerade auf der Insel. Er ist ungefähr in Ihrem Alter.«

      Der Kellner servierte das Essen, Hanisch bestellte für sich ein drittes Glas Wein. Emma winkte ab. Ihr Glas war ohnehin noch halb voll.

      »Lassen Sie uns erst essen. Dann sage ich Ihnen, was ich von Ihnen erwarte. Im Falle, dass wir uns einig werden. Und dann können Sie sagen, ob Ihnen das passt. Übrigens werde ich zwar nachtragend sein, falls ich Sie anheuern wollen sollte, Sie aber ablehnen. Nur ändert das nichts an unserem Arrangement. Ich trage die Kosten Ihres Aufenthaltes hier, basta. Wenn wir nicht zusammenarbeiten, machen Sie sich einfach ein paar nette Tage. Das Wetter ist jedenfalls besser als in Herten oder Bochum. Sie wohnen doch in Bochum, sind aber eigentlich Hernerin, stimmt’s?«

      »Stimmt. Ich bin ein ideeller Gesamtruhri. Also: Bedingungen akzeptiert! Guten Appetit!«

      »Ideeller Gesamtruhri – wo haben Sie das denn her?«

      »Ist mir grade so eingefallen. In Anlehnung an den ideellen Gesamtkapitalisten. Das ist doch der bürgerliche Staat in Ihren Augen. Sie waren doch bei den Jusos ein Stamokap, stimmt’s? So nannte man das doch?«

      »Respekt. Gut recherchiert. Das ist ja schon lange her, fast drei Jahrzehnte, war also lange vor der Google-Zeit. Ich hätte gedacht, dass junge Menschen aus Ihrer Generation mit Begriffen wie Stamokap nichts anzufangen wissen.«

      »Wusste ich auch nicht. Ich habe nachgelesen und ein paar Senioren befragt. Staatsmonopolistischer Kapitalismus, abgekürzt Stamokap. Danach vertritt im Kapitalismus der Staat, egal welche Partei gerade dran ist, die Interessen des Kapitals, als ideeller Gesamtkapitalist eben, stimmt’s?«

      Hanisch kniff anerkennend die Lippen zusammen und nickte. Emma fuhr fort: »Was ich nicht kapiere, ist, dass daran jemand zweifelt. Das galt als ziemlich links. Marx und so, igitt. Ein Juso-Bundesvorsitzender ist sogar aus der SPD ausgeschlossen worden, weil er sich zur Stamokap-Theorie bekannt hat, richtig?«

      »Was Sie alles wissen! Ja, aber das war vor dem Fall der Mauer, in einer anderen Welt. Damals waren Stamokap-Anhänger verdächtig, heimlich der DKP zu folgen, indirekt also der SED hörig zu sein. Was ja nicht völlig verkehrt war: die DDR hat sich viel Mühe gegeben, soziale Bewegungen in der BRD zu finanzieren und zu steuern. Das Geld wurde gern genommen, die organisatorische Unterstützung auch, nur mit dem Steuern hat das nicht wirklich geklappt.«

      »Waren Sie IM oder so was, für die Stasi?«

      »Ohgottogott, nein!« Hanisch lehnte sich zurück und schüttelte heftig den Kopf. »Ich hab’ als Juso eine Delegationsreise in die DDR mitgemacht. Vorher habe ich es schon geahnt, aber danach war mir sonnenklar: aus dem Staat dort konnte nichts werden. Vermutlich komme ich in den Stasi-Akten vor, die Reise wurde sicher überwacht, und wir haben viele ziemlich offene Gespräche mit Jungen Pionieren geführt, mit Studenten, Nachwuchskommunisten. Für mich war diese Reise ganz wichtig. Erstens wusste ich danach, was Freiheit bedeutet. Dass das kein leeres Wort ist. Und zweitens habe ich dabei meine spätere Frau kennengelernt.«

      Emma fand, es war an der Zeit, wieder in die Gegenwart zurückzufinden. »Sie wollten mir sagen, was Sie von mir erwarten. Also: warum bin ich hier?«

      »Was ich Ihnen jetzt erzähle, erzähle ich Ihnen sozusagen als Vorschuss auf unsere Vereinbarung. Paul Bärkamp hat sich für Sie ins Zeug gelegt, und alles, was ich bisher gesehen und gehört habe, gibt ihm recht. Aber noch kenne ich Sie ja nicht wirklich. Also bitte verstehen Sie, dass ich vorsichtig bleibe.« Hanisch griff in die Innentasche des himmelblauen Sakkos, das er über die Lehne seines Stuhls gehängt hatte. »Ich habe eine Vertraulichkeitserklärung vorbereitet. Bevor ich ins Erzählen komme, bitte ich Sie, zu unterschreiben. Erschrecken Sie nicht: darin werden drastische Geldstrafen angedroht – beziehungsweise vereinbart – für den Fall, dass Sie die Vertraulichkeit brechen sollten. Ich hoffe, Sie verstehen. Ich will mir Unannehmlichkeiten ersparen und auch keine Prozesse führen wie Helmut Kohl. Was nicht heißt, dass ich Ihre journalistische Freiheit einschränken will. Sie können und sollen das, was ich Ihnen erzählen werde, journalistisch so verarbeiten, wie Sie es für richtig halten. Aber noch haben wir ja keinen Vertrag miteinander. Diese Vertraulichkeitserklärung wird ungültig, sobald wir einen richtigen Vertrag unterzeichnet haben. Der ist vorbereitet, liegt schon beim Notar.«

      Emma warf einen Blick auf das Papier. Der kurze Text war rasch überflogen. Im Kern stand darin, sie müsse 50 Tausend Euro an Hanisch zahlen, sollte sie unautorisiert aus Gesprächen mit ihm zitieren, direkt oder indirekt.

      »Das unterschreibe ich nicht.«

      Emma faltete das Blatt sorgsam wieder zusammen und schob es über den Tisch. »Erstens habe ich keine 50 Tausend Euro und werde sie wahrscheinlich niemals besitzen. Sie scheinen sich falsche Vorstellungen über die Einkünfte freier Journalisten zu machen. Und zweitens haben Sie entweder Vertrauen zu mir oder Sie haben keins. Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen. Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen keinen Schaden zufügen werde. Punkt. Aus dem, was Sie vorhaben, mir zu erzählen, werde ich keinen Nutzen zu Ihren Ungunsten ziehen. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Wenn Sie Wert darauf legen, können wir das auch gerne per Handschlag besiegeln, wie auf dem westfälischen Pferdemarkt. Wenn Ihnen das nicht reicht, bedanke ich mich für den netten Empfang, das gute Essen und die sonstigen Spesen.«

      »Uff!« Hanisch wirkte verblüfft und erheitert zugleich. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Das habe ich mir zwar anders vorgestellt – oder vielmehr, der Ehrlichkeit halber: mein Anwalt hat sich das anders vorgestellt, und er würde mir, wenn er hier jetzt mit am Tisch säße, vermutlich raten, Ihren Dank anzunehmen und das Gespräch ansonsten abzubrechen.«

      Emma schwieg, wartend.

      »Aber ich bin kein Anwalt. Mir gefällt die Art, wie Sie auftreten. Und auch wenn auf westfälischen


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