Last Mile: Erlösung. Katie Ashley
Instinktiv überdeckte ihre Wut ihre Angst. „Ich heiße Samantha Vargas. Mein Vater ist Agent Antonio Vargas. Er wurde …“ Sie sah kurz zu ihrem leblosen Vater hinüber und kniff die Augen zu. „Es wurde auf ihn geschossen.“
„Um Himmels willen!“
Sie hörte jede Menge Aktivität auf der anderen Seite. Sie ließ das Funkgerät fallen und hörte nicht mehr zu, was der Mann noch zu sagen hatte. Sie nahm die Hand ihres Vaters in ihre.
Noch immer starrte sie seine Hand an, als die Polizei und die Sanitäter erschienen, begleitet von flackernden Lichtern und heulenden Sirenen.
Jemand öffnete die Beifahrertür. „Verfluchte heilige Scheiße“, murmelte jemand.
Als Arme sie ergriffen, wehrte sich Sam nicht. Sie drückte einen Kuss auf Vaters Hand und ließ sich aus dem Wagen heben. Eine freundliche weibliche Stimme sprach beruhigend auf sie ein. Sie hörte nicht zu. Denn niemand hätte etwas sagen können, das alles wieder gut gemacht hätte.
Ihr Vater war tot.
Kapitel 1
Bishop
Der Klang der Eröffnungsglocke hallte in meinen Ohren wider und jagte elektrische Energie durch mich hindurch. Adrenalin wurde in mein Blut gepumpt und meine Muskeln und Sehnen zogen sich erwartungsvoll zusammen, als ich aus der Ecke des Rings trat. Meine Boxhandschuhe befanden sich vor meiner Brust, um entweder Schaden zu verursachen oder einen Treffer zu blockieren.
Wenn man vor einem Gegner stand, war gutes Timing alles. Sich eine Sekunde zu spät zu ducken, machte den ganzen Unterschied zwischen dem Verfehlen deines Kinns oder einem K.-o.-Schlag. Und im richtigen Moment aus der Deckung zu gehen, war ausschlaggebend, um den Gegner kampfunfähig zu machen und zu gewinnen.
Ich hatte schon vielen Gegnern gegenübergestanden. Meistens in überfüllten, lauten Bars oder schlecht beleuchteten Hinterhöfen.
Obwohl ich die Fäuste auch einsetzte, um meine Club-Brüder zu beschützen, benutzte ich dafür lieber andere Waffen.
Heute allerdings stand ich in dem grellen Licht eines Boxrings einem Kämpfer gegenüber, den ich vorher noch nie gesehen hatte. Im Ring war ich am stärksten. Zwischen den Seilen musste ich mich nicht auf Knarren und Messer verlassen, um meinen Arsch zu retten. Meine Hände und mein Körper waren die einzigen Waffen, die ich brauchte. Damit konnte ich viel Schmerz und Leid verursachen und zum Gewinner werden.
Mit fünfundzwanzig hatte ich den größten Teil meines Lebens gekämpft. Als ich noch ein Kind war, hatte mein alter Herr mich dazu gebracht, um Dampf abzulassen. Da er ein früherer Verbrecher war, der ein heiliger Pastor wurde und dann ein MC-Präsident, hatte er genug Erfahrung darin, wie man heißes Temperament in intensive körperliche Aktivität umsetzen konnte. Was er nicht hatte ahnen können, als er mich ins clubeigene Fitnessstudio brachte, war mein gottgegebenes Talent im Ring.
Als ich heute Abend kämpfte und rechte Haken und Geraden austeilte, fand ich meinen Gegner derartig pussymäßig, dass ich den Verdacht hegte, man hätte ihn fürs Verlieren bezahlt. Doch in der fünften Runde bekam er Aufwind und schlug auf mein Gesicht ein. Ich spürte das Brennen aufgeplatzter Haut auf der Stirn und in den Augenbrauen. Blut brannte in meinen Augen und meine Sicht verschwamm. Doch anstatt mich davon behindern zu lassen, machte es mich nur wütender.
Im Laufe dieser Runde erschöpfte ich meinen Gegner. Endlich, nach der neunten Glocke, verpasste ich ihm einen ans Kinn und dann auf die Nase. Er stolperte rückwärts, sackte auf die Knie und kippte nach vorn auf sein Gesicht.
Der Schiedsrichter kam auf die Matte, um sicherzustellen, dass mein Gegner k. o. war. Als er sich erhob, nahm er meinen Arm und riss ihn in die Höhe. Die Zuschauer sprangen auf und brachen in Jubel aus. Ein arrogantes Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Ich drehte mich triumphierend um und hob beide Arme, was die Zuschauer zum Ausflippen brachte. Ich stieß mit der Faust in die Menge und ging dann in die Ecke, wo mich Boone, der offizielle Schatzmeister der Raiders und mein inoffizieller Trainer, erwartete.
Er reichte mir eine Flasche Wasser, die ich dankbar leerte.
„Breakneck ist unauffindbar, also habe ich in dieser fiesen fünften Runde Rev geschrieben, dass er Annabel schicken soll, um dich zu versorgen.“
„Ach, fuck, Mann. Mecker von Rev, weil seine Frau mich zusammenflicken soll, ist das Letzte, was ich brauchen kann.“
„Tja, entweder Annabel oder die Notaufnahme.“ Boone schnaubte. „Schließlich wollen wir nicht, dass deine hübsche Fresse Narben bekommt.“
„Wie auch immer“, brummte ich, nahm das Handtuch von den Seilen und trocknete mich ab.
„Soll ich das für dich machen?“, schnurrte eine Stimme hinter mir.
Ich blickte über meine Schulter und betrachtete die spärlich bekleidete Figur eines Nummerngirls. Sie gehörte zu den scharfen Mädels, die mit über den Köpfen gehaltenen Rundennummern um den Ring liefen. Ich hatte sie schon bei den letzten paar Kämpfen gesehen. Sie neigte den Kopf seitlich und schenkte mir ihren besten Fick-mich-Blick. Trotz meiner Schmerzen und dem blutigen Gesicht reagierte mein Schwanz sofort auf diese Offerte.
Ich trat näher an sie heran. „Meinst du, du kannst mir helfen, wenn ich nachher zusammengeflickt bin?“
Sie spitzte die roten Lippen. „Vielleicht.“
„Es wird sich lohnen. Mehrmals. Das verspreche ich dir.“
Sie ließ den Blick über meinen Körper schweifen, ehe sie mich wieder ansah. „Okay, Champ. Mal sehen, ob du heute zwei K. o. hinbekommst.“
„Gib mir eine halbe Stunde.“
„Klingt gut.“
Boones Hand landete auf meiner Schulter. „Los jetzt, Casanova. Gehen wir.“
Als ich vom Ring sprang, stand ich direkt Rev gegenüber. Er grinste bei meinem Anblick.
„Boone hat nicht übertrieben, als er gesagt hat, dass du heute ziemlich verbeult worden bist.“
„Fühlt sich aber gar nicht anders an als sonst.“
Rev deutete mit dem Kinn auf den Ring, wo meine baldige Bettgefährtin stand. „Scheint dich auch nicht daran zu hindern, dich flachlegen zu lassen.“
Ich grinste. „Nichts außer dem Tod oder einem Ganzkörpergips kann mich davon abhalten, mich flachlegen zu lassen.“
Rev lachte in sich hinein. „Du bist mir echt einer, Bro.“
Wir arbeiteten uns durch die Menge nach hinten zu den Trainingsräumen. Revs Handy klingelte. Nachdem er es aus seiner Tasche geholt und draufgeschaut hatte, bedeutete er mir, zur letzten Tür links weiterzugehen.
Als ich eintrat, stand Annabel mit dem Rücken zu mir und suchte etwas in ihrer Arzttasche.
Ich schlich mich an sie heran und sagte dann: „Hallo, sexy Frau.“
Sie machte einen erschrockenen Satz und ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Obwohl es jetzt ein Jahr her war, dass sie von einem Mitglied des Rodriguez-Drogenkartells in Mexiko gefangen gehalten worden war, war sie immer noch schreckhaft, was Männer anging.
„Entschuldige, das war blöd“, sagte ich verlegen.
Sie sah nicht von ihrer Tasche auf. „Ich sollte inzwischen daran gewöhnt sein.“ Ein Lächeln hob ihre Lippen. „Zumindest daran, dass du dich wie ein Affe benimmst.“
Ich warf den Kopf zurück und lachte. „Wohl wahr.“
Als Annabel mich ansah, weiteten sich entsetzt ihre Augen.
„Keine Sorge. Der Mistkerl sieht viel schlimmer aus als ich.“ Ich setzte mich auf den Massagetisch.