Last Mile: Erlösung. Katie Ashley
wieder rauszukommen. Man kann wieder zu seiner Familie und seinem Bike zurück.“
Annabel lächelte. „Rev zitiert gern den MC-Prez, der das Chapter geändert hat. Der hat gesagt: ‚Im Gefängnis kann man nicht Motorradfahren.‘“
„Das ist die verdammte Wahrheit.“
„Und letztendlich ist euch Jungs das am wichtigsten, oder?“
„Motorradfahren und die Bruderschaft ist alles, was eine Rolle spielt.“
Rev erschien in der Tür. „Flickst du Humpty Dumpty wieder zusammen?“, fragte er grinsend.
Annabel lachte. „Ja, ich bin soeben fertig geworden.“
„Gut. Denn es wartet jemand auf ihn.“
Rev wackelte mit den Augenbrauen und Annabel stöhnte auf. „Das will ich gar nicht so genau wissen.“ Sie warf ihre Sachen in die Arzttasche. „Ich empfehle, für die nächsten zwei Tage Ibuprofen zu nehmen.“ Als ich widersprechen wollte, weil ich kein Weichei war, das was gegen die Schmerzen brauchte, hielt sie ihre Hand hoch. „Die sind auch gegen Entzündungen.“
Ich grinste. „Okay, Doc.“
Mein Nummerngirl erschien neben Rev. „Du siehst schon besser aus“, sagte sie mit einem verschwörerischen Lächeln.
Annabel warf einen Blick auf meine Eroberung, rollte mit den Augen und nahm ihre Tasche. „Ich empfehle auch einen Eisbeutel für die Stirn. Alles, was ich sonst noch sagen könnte, stößt bei dir eh auf taube Ohren.“
„Ganz genau.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ihr Malloy-Männer seid allesamt unverbesserliche Sturköpfe.“
Ich senkte die Stimme. „Außerdem sind wir alle geile Hunde, also tu dir selbst und meinem Bruder den Gefallen und geht nach Hause ins Bett.“
„Du bist unmöglich“, murmelte sie.
Doch als sie Rev ansah, erkannte ich an ihrem heimlichen Lächeln, dass er heute noch glücklich werden würde.
Sobald Annabel von meiner Seite gewichen war, nahm das Nummerngirl ihren Platz ein. Rev schloss die Tür von außen.
„Ich heiße übrigens Candy“, sagte sie.
Ich nickte. Am liebsten hätte ich ihr versichert, dass ich ihren Namen nicht brauchte, weil wir uns sowieso nicht wiedersehen würden. Den bräuchte ich höchstens, um nicht aus Versehen einen anderen Namen zu rufen, wenn ich kam, denn bei den vielen Frauen, die ich so traf, könnten sie sich eines Tages begegnen.
Nachdem ich mich schnell ausgezogen hatte, zeigte ich ihr, dass ich ein wahrer Champion darin war, mehrere K. o. an einem Abend zu erzielen.
Kapitel 2
Samantha
Der Asphalt strahlte glühende Sommerhitze ab und mir lief der Schweiß die Schenkel hinab. Obwohl die Sonne vor Stunden untergegangen war, gab es kein Entkommen vor der Hitze. Eigentlich sollten mein schwarzes Spitzenbustier und der schwarze Minirock genug Kühlung bringen, doch ich fächerte mir mit der Hand Luft zu, in der Hoffnung, zu verhindern, dass mein Make-up dahinschmolz. Wie zur Hölle machten das so viele Frauen tagtäglich?
Ein Knistern des Kommunikationsgerätes in meinem Ohr alarmierte mich. „Der Verdächtige wurde im Zwölf-Block-Radius gesichtet. Alle Teams sind bereit.“
„Verstanden.“
Nachdem ich mich schnell in der Umgebung umgesehen hatte, knisterte es erneut in meinem Ohr. „Voraussichtliche Ankunftszeit bei Vargas in zwei Minuten, dreißig Sekunden.“
„Siehst scharf aus, Sammie-Lou-Nutte“, sagte eine andere Stimme in meinem Ohr.
Ich unterdrückte den Drang, zu dem Wagen über die Straße zu blicken. Darin wartete mein Partner Gavin McTavish mit einem dreckigen Grinsen. Da er drei Jahre älter war als ich, benahm er sich wie ein nerviger Bruder. Er war mehr als nur mein Partner. Er war auch mein bester Freund. Vor fünf Jahren hatten wir uns auf der Polizeiakademie kennengelernt und mit ihm hatte ich mehr Blut, Schweiß und Tränen geteilt als mit jeder anderen Person auf der Welt.
Auch ohne den Sprechfunk wusste ich genau, wann der Verdächtige, Chuck Sutton, ankam. Eine Ahnung summte in meinen Knochen und ich tauchte in die Rolle meiner Tarnperson ein. Schon seit seinen Teenagertagen hatte Chuck Waffen an die Atlanta-Straßenbanden verschoben. Nachdem er ein paarmal erwischt worden war, war er vorsichtiger geworden und hatte gelernt, unseren üblichen Methoden auszuweichen. Wir mussten ihn unbedingt wegen eines geringeren Delikts erwischen, um ihn für einen größeren Fall, an dem wir arbeiteten, benutzen zu können.
Da kam ich ins Spiel. Wenn Chuck eine Achillesferse hatte, dann waren es Frauen. Besonders solche, die er sich erkaufte. Etwas an dem Verbotenen daran schien ihn zu reizen.
Als ich ihn hinter mir hörte, drehte ich mich um und schenkte ihm mein bestes sexy Lächeln. „Hallo. Willst du dich heute Abend ein bisschen amüsieren?“
Er leckte sich über die Lippen, und ich bemühte mich, ihm nicht vor die Füße zu kotzen. „Vielleicht.“ Leicht unsicher sah er sich um. „Bist du heute hier ganz allein?“
Schnell nickte ich. „Ich arbeite nur für mich selbst.“
„Das gefällt mir. Ich mag keine Mittelsmänner.“
Ich streichelte über seinen Arm und drückte seine Schulter. „Das ist nur eine Sache, die wir gemeinsam haben.“ Um ihn hochzunehmen, musste ich ihn dazu bringen, dass er sich mit mir auf einen Preis einigte. So wie jetzt um den heißen Brei herumzuschleichen, reichte nicht, um ihn festzunehmen. „Wollen wir woanders hingehen, damit ich herausfinden kann, worauf du sonst noch stehst?“
Ein langsames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Klar, gern. Von wie viel Kohle reden wir hier?“
„Einem Hunderter pro Stunde, auch wenn du nicht so lange brauchst.“ Ich sah einen Schatten über seine Augen huschen und schnurrte: „Aber ich bin sicher, du hältst lange genug durch, um das meiste aus deinem Geld rauszuholen.“
Mein kleines Kompliment heizte seinem Feuer ein. „Ich bin dafür bekannt, ein großzügiges Trinkgeld zu geben, wenn du die Sache wert bist.“
„Natürlich bin ich das, Süßer.“ Ich nahm die Finger von seiner Schulter und griff nach seiner Hand. „Wäre dein Auto okay oder bist du spendabel und wir gehen in das Motel da hinten?“
„Mein Auto reicht völlig.“
Als er mich dorthin führte, traf einer der Agentenkollegen eine blöde Entscheidung, indem er mit seiner Knarre zu früh eingriff. Als er aus den Schatten trat und Chuck ihn sah, brach die Hölle los.
Chuck ließ nicht nur meine Hand los, sondern schubste mich, sodass ich auf den hohen Absätzen rückwärts taumelte und auf dem Hintern landete. Dann flüchtete er in die entgegengesetzte Richtung.
„Greenburg, du dämlicher Idiot!“, knurrte ich den Agenten an, als ich versuchte, mich zu sammeln.
„Wir hatten, was wir brauchten, um ihn hochzunehmen.“
Ich kam wieder auf die Beine und sah ihn finster an. „Ach, wirklich? Warum haben wir ihn dann jetzt nicht mehr?“ Ich wartete nicht auf eine Antwort. Ich hatte nicht die letzte halbe Stunde in diesem widerlichen Outfit verbracht, ganz zu schweigen von dem Mist, den ich hatte sagen müssen, um dann den Verdächtigen zu verlieren.
Zwar kannte ich mich hier nicht aus wie in meiner Westentasche, ich wusste aber, wie ich Chuck noch einholen konnte. So schnell wie möglich rannte ich auf diesen Absätzen los. Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir den Vier-Block-Radius vor, den ich tagelang vorher auf der Karte studiert hatte. Kurz