Last Mile: Erlösung. Katie Ashley
er.
„Gut zu wissen, wie dich der Gedanke an Sex mit mir abstößt“, neckte ich ihn und ging ins Bad, um mein Augen-Make-up zu reparieren.
„Himmel noch mal, Vargas. Es geht nicht um Sex mit dir, sondern um Sex mit einer Vagina, basta.“
Ich schnaubte und puderte über die Tränenspuren. Gavin erschien in der Tür.
„Aber grundsätzlich bist du die einzige Frau, mit der ich mir vorstellen könnte, hetero zu sein.“
Ich lächelte ihn im Spiegel an. „Ohhh, du kannst so süß sein, wenn du willst, McTavish.“
Er trat näher und drehte mich zu sich um. Nachdem er mir einen Kuss auf die Wange gegeben hatte, zwinkerte er. „Komm schon, heiße Braut. Wir zeigen es jetzt den Bikern.“
Zwar teilte ich seine Zuversicht nicht, doch ich nickte.
Ich schaltete die Alarmanlage scharf und folgte ihm aus der Tür. In meiner Einfahrt stand ein Motorrad, das die Agency Gavin zur Verfügung gestellt hatte. Lediglich mit einem Mechanikergehalt hätte er sich sein eigenes Bike nicht leisten können, also hatte ihm die Agency eins besorgt, das besser zu seiner Tarnung passte – und das er natürlich hasste.
„Was für ein Haufen Schrott“, sagte ich und nahm den Helm von der Sitzbank.
„Ich verabscheue jeden Moment auf dieser Mühle.“
„Du hättest dir bestimmt etwas Gaunerrespekt verschaffen können, wenn du so getan hättest, als ob du dein eigenes Bike geklaut hättest.“
Gavin setzte sich auf den abgenutzten Sitz und knurrte. „Glaub nicht, das hätte ich bei Peterson nicht versucht.“
Ich lachte und stieg hinter ihm auf. Ich umarmte seine Taille fest. Hinten auf einem Bike mitzufahren hasste ich fast so sehr, wie mich wie eine Nutte anzuziehen. Gavin und ich hatten an ein paar Abenden geübt, sodass ich auf dem Bike natürlich wirkte. Doch das waren nur Kurztrips in der Gegend und in der Stadt gewesen. Heute würde es die längste Strecke sein, die ich je auf einem Bike gesessen hatte.
Wir rasten in die Nacht, ließen mein Haus hinter mir, mein komfortables Leben und meine Kaliber-40-Glock. Das Clubhaus der Raiders lag gute fünfundvierzig Minuten nördlich von Marietta, dem Vorort von Atlanta, in dem ich wohnte.
Gavin ängstigte mich zu Tode, indem er sich durch den Freitagabendverkehr schlängelte. Ich schloss die Augen und dachte an das Briefing, das wir heute mit Peterson gehabt hatten. Heute Abend bot sich eine gute Gelegenheit für unseren Fall. Seit Wochen befreundete sich Gavin langsam mit Bishop Malloy, und endlich war Gavin, der sich ihm als Marley vorgestellt hatte, weil ihn angeblich jeder so nannte, von Bishop ins Clubhaus eingeladen worden.
Während Gavin Augen und Ohren offen halten sollte, was alle Mitglieder betraf, nicht nur Bishop, sollte ich mich allein auf Bishop konzentrieren. Als Sergeant at Arms hatte er am meisten mit dem Waffenhandel zu tun, außer natürlich dem Präsidenten und Vizepräsidenten. Aufgrund seines speziellen Rufs bei Frauen sollte ich meine weiblichen Waffen einsetzen. Seine beiden Brüder Deacon und Rev waren verheiratet und Bishop war der Inbegriff des Frauenhelden. Seine größten Freuden im Leben neben dem Club waren Flirten und Vögeln, und genau das wollte ich gegen ihn einsetzen. Das alte Klischee einer Frau, die einen Mann so ablenkte, dass er einen Fehler machte und man ihn festnageln konnte.
Als wir von der Schnellstraße abbogen, änderte sich die Gegend. Wir fuhren durch enge Kurven und über kleinere Hügel. In der Ferne konnte ich die Gebirgskette sehen. Es war schwer vorstellbar, dass sich ein MC auf dem Land breitmachte, doch genau dort hatte sich das Georgia-Chapter der Raiders niedergelassen.
Schon aus der Ferne erkannte ich das Clubhaus als solches. Es war hell erleuchtet und auf dem Parkplatz standen etliche Bikes. Gavin überraschte mich damit, nicht dort zu parken, sondern etwas weiter weg. Doch dann fiel mir wieder ein, was ich in den Informationen gelesen hatte. Nur Vollmitglieder parkten ihre Bikes zusammen, die dann von einem Anwärter bewacht wurden. Alle anderen Leute waren auf sich allein gestellt.
Gavin stellte den Motor ab und sah mich an. „Wie geht’s dir?“
„Gut.“ Eine Lüge. Meine Aufregung befand sich auf dem Höhepunkt, wo ich jetzt auf dem Gelände der Raiders stand.
Gavin lachte leise, und ich wusste, dass er mich durchschaut hatte. Er stieg vom Bike, nahm den Helm ab und half mir herunter. „Du schaffst das schon, Vargas.“
Ich hielt eine Hand hoch. „Bitte keine Ansprachen mehr. Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dafür bin, dass wir nicht verkabelt sind. Ich würde lieber sterben, als dass Peterson und die anderen mich in diesem zerbrechlichen Zustand sehen.“
„Ich verspreche dir, niemandem zu erzählen, dass meine toughe Kollegin Schiss gekriegt hat. Okay?“
Ich lachte und stieß ihn am Arm an. „Danke.“
„Okay, los geht’s.“
Wir gingen über den Parkplatz auf das Haus zu. Ich versuchte, ruhig zu atmen, und Gavin legte den Arm um meine Taille. Für Beobachter musste es so aussehen, also ob er mit dieser Bewegung seinen Besitzanspruch klarmachte, doch ich wusste, dass er es nur tat, um mich zu beruhigen.
An der Tür stand ein stattlicher, tätowierter Kerl mit vielen Piercings Wache. „Kann ich euch helfen?“
Ohne zu zögern sprach Gavin. „Ja, wir wollen zur Party.“
Der Tattoo-Typ grinste Gavin skeptisch an. „Ach ja?“
„Klar, Mann. Frag doch Bishop.“
„Bist du Marley?“ Gavin nickte und der Typ trat zur Seite. „Viel Spaß.“
„Danke“, sagte Gavin.
Als wir eintraten, erwartete ich fast, dass sich alle umdrehten und uns anstarrten und damit unser Außenseitertum bestätigten. Doch niemand sah wirklich in unsere Richtung, und die paar, die es taten, nickten uns freundlich zu. Am anderen Ende des Raumes spielte eine Hausband und in der Mitte tanzten Paare. Andere saßen an der Bar, tranken Bier und Cocktails.
Gavin trat einen Schritt vor, doch ich war wie festgewurzelt. Jedes Mal, wenn ich ins Gesicht eines Bikers sah, wurde er zum Mörder meines Vaters. Mein Herz raste, und ich hatte Mühe, zu atmen. Ich zog den Kopf ein, kniff die Augen zu und zählte innerlich bis zehn.
„Sam, alles okay?“, wisperte Gavin mir ins Ohr.
Dass er mich beim Vornamen nannte, bedeutete, dass er sich echte Sorgen machte.
„Toilette, wo ist die Toilette?“, hauchte ich. Er führte mich durch den Raum. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich gehe allein. Mach du weiter. Ich stoße nachher wieder zu dir.“
Gavin weitete die Augen. „Bist du sicher?“
„Ja. Gib mir nur zehn Minuten, um mich wieder einzukriegen.“
Er sah aus, als wollte er widersprechen, also riss ich mich los und ging weiter. Am Büfett stand die Frau des Vizepräsidenten, Alexandra, und schaukelte sanft ein dunkelhaariges Kleinkind auf der Hüfte. Ich wusste alles über sie aus den Akten, und genau wie bei der Frau des Präsidenten wunderte ich mich, wieso jemand wie sie, eine Lehrerin aus einer respektablen Mittelklassefamilie, sich mit einem Biker eingelassen hatte.
„Entschuldige bitte, wo sind die Toiletten?“, fragte ich.
Ihre dunklen Augen richteten sich auf mich, und sie sah verwirrt aus. Das wunderte mich nicht. Mit Sicherheit kannte sie alle Frauen hier. Doch der Ausdruck wurde schnell durch ein Lächeln ersetzt.
„Von der Küche aus einfach den Gang hinunter.“ Sie zeigte nach rechts.
„Danke.“ Ohne ein weiteres Wort zu ihr oder den anderen anwesenden Frauen eilte ich direkt zu den Toiletten. Ich stürzte durch die Tür, die deutlich machte, dass es die für Frauen war. Ein gigantisches