Polly bekommt ein Pferd. Thea Oljelund

Polly bekommt ein Pferd - Thea Oljelund


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die Futtertröge waren geborsten und abgebröckelt und die Fensterscheiben zerbrochen.

      „Ja, vielleicht geht es“, sagte Sven nach einer Weile. Ich sehe mal auf dem Dachboden nach, was wir an Holzbrettern und Balken vorrätig haben. Vielleicht…“

      Stella – Thunderbird

      Als Polly von der Schule zurückkam, hörte sie seltsame Geräusche aus dem Nebengebäude. Sie schleuderte ihre Schulmappe auf den Boden, aß die frischgebackenen Dampfnudeln und trank eine Tasse Milch dazu.

      „Was ist denn draußen im Kuhstall los?“ sagte sie gleichgültig. „Das ist ja ein toller Lärm!“

      „Sven zimmert etwas.“ Aila wollte nicht verraten, was sie vorhatten, ehe es sicher war, ob sie wirklich ein Pferd kaufen konnten.

      „Ach so“, sagte Polly und tauchte ihre Dampfnudeln in die Milch. „Was zimmert er denn?“

      „Ein paar Nistkästen“, schwindelte ihre Mutter. „Jetzt kommt doch der Frühling bald, da wär’s schön, wenn wir auch ein paar Vogelfamilien auf unserem Hof hätten.“

      „Nistkästen“, wiederholte Polly herablassend. „Gibt’s bei den Vögeln denn auch Wohnungsnot? Können sie nicht selbst ihre Nester bauen? Wer weiß, vielleicht müssen sie eines Tages auch noch umziehen…, in die Stadt.“

      „Rede keinen Unsinn“, erwiderte ihre Mutter.

      „Das tu ich doch dauernd“, sagte Polly bitter. „Ich wollte, Sven könnte mir auch so einen Kasten zimmern, in dem ich dann leben könnte. Aber in Stockholm natürlich.“

      „Vielleicht tut er das“, antwortete Aila. Und ihr Ton war so seltsam, daß Polly aufsah. „Was hast du übrigens gegen Sven, weil du bei jeder Gelegenheit auf ihm herumhackst?“

      „Ich hab nichts gegen ihn“, erwiderte Polly. „Nur wenn du meinst, daß ich ihn als Vater ansehen soll, werde ich böse. Er ist Sven, nicht mehr und nicht weniger; jemand, mit dem du zusammenleben wolltest. Aber nicht ich.“

      „Aber wenn er jetzt zufällig dein richtiger Vater wäre? Man kann sich seine Eltern nicht aussuchen, wie du weißt. Wie wäre es dann?“

      „Keine Ahnung. Sven ist jedenfalls nicht mein Vater.“

      „Nein. Dein Vater ist tot. Ich finde jedenfalls, daß er nicht so nett war wie Sven. Dein Vater konnte sehr wütend werden. Glaub mir, er war ein guter Mensch, aber er ging wegen jeder Kleinigkeit in die Luft. Herr im Himmel, war er leicht zu reizen! Es war schwierig, mit ihm zu leben. Ich weiß nicht, ob ihr beide nicht häufig aneinandergeraten wärt. Du und Sven, ihr beide streitet wenigstens nicht.“

      „Vielleicht ist es das gerade“, meinte Polly. „Ich möchte manchmal streiten.“

      „Das hat dein Vater auch oft gesagt. Aber ich will keinen Streit. Ich finde Streitereien dumm und kindisch.“

      „Na gut, dann bin ich eben kindisch“, sagte Polly. „Was gibt’s zum Abendessen?“

      „Wirsinggemüse und Fleisch.“

      Pollys Miene heiterte sich auf. „Wenigstens etwas, worauf ich mich freuen kann“, sagte sie. „Du bist schon in Ordnung, Mama. Wenn du nicht wärst, wäre ich bestimmt schon längst weggelaufen.“

      Aila sah ihre Tochter bekümmert an. „Warum denn nur? Gefällt es dir denn so wenig hier? Wie ist’s in der Schule?“

      „Ach, ich hab ja keine Freunde. Die Mädchen sind unmöglich… Sie interessieren sich für gar nichts.“

      „Und wofür interessierst du dich?“

      „Hier kann man ja keine Interessen haben. Was soll man hier draußen schon tun?“

      „Aha. Und was willst du heute nachmittag machen?“

      „Ich gehe in mein Zimmer und lese. Schularbeiten muß ich auch erledigen. Dann gibt’s Essen. Und Fernsehen…“

      „Könntest du nicht mal ein Mädchen aus deiner Klasse mit nach Hause bringen?“

      „ Wen denn? Die meisten wohnen in Lindesberg und wollen nicht hierher. Und Kerstin, die in der Nähe wohnt, ist vollauf beschäftigt.“

      „Womit denn?“

      „Sie hat ein Reitpferd. Von morgens bis abends redet sie in der Schule bloß von ihrem Pferd! Es ist früher ein Trabrennpferd gewesen. Und ihrer Meinung nach ist es das klügste und beste Pferd der Welt. Aber das ist natürlich Quatsch!“

      Ein seltsamer Unterton schwang in Pollys Stimme.

      Ihre Mutter betrachtete sie nachdenklich. „Pferde sind teuer“, sagte sie langsam.

      „Das weiß ich“, erwiderte Polly gereizt. „Und jetzt geh ich in mein Zimmer. Tschüs.“

      Erst abends, als Polly ins Bett gegangen war, konnte Aila mit Sven reden. Den ganzen Tag hatte er im alten Stall gesägt und gehämmert, genagelt und gelärmt.

      „Wie kommst du mit der Arbeit voran?“ fragte sie.

      „Gut. Ich hab die alten Zwischenwände herausgebrochen und eine Box gezimmert. Morgen gehe ich zum Glaser und lasse die Fenster reparieren. Wenn man dann noch die Wände weiß kalkt, sieht die Sache schon viel besser aus. Natürlich müssen die elektrischen Leitungen von einem Fachmann überprüft werden. Aber das Holz ist in viel besserem Zustand, als ich geglaubt habe. Sogar die Wasserleitung ist noch in Ordnung.“

      „Aber haben wir denn genug Geld, um ein Pferd zu kaufen?“

      „Ja, wenn’s nicht zu teuer ist“, meinte Sven. „Ich werde mich mal umhören, wenn ich wieder eine Fahrt zur Trabrennbahn in Fornaboda habe. Dort gibt’s viele Pferde. Vielleicht haben wir Glück.“

      Polly interessierte sich nicht weiter dafür, was Sven da im Kuhstall machte. Sie ging nicht zu ihm. Als sie die neu verglasten Fenster an der Stallmauer lehnen sah, wunderte sie sich aber doch ein bißchen.

      „Machst du Nistkästen mit Fenstern?“ fragte sie verdutzt.

      Sven lächelte. „Ja, das ist die neueste Mode. Vögel wollen schließlich auch nicht im Dunkeln sitzen.“

      Polly mußte lachen. „Wie wär’s, dann noch mit einem Fernseher?“

      „Ja, vielleicht. Das ist die Idee!“ sagte Sven vergnügt. „Die Vogeljungen hätten bestimmt Spaß daran.“

      „Du spinnst ja“, sagte Polly.

      Der alte Stall war wie verwandelt. Sven war oft in Fornaboda gewesen und hatte gesehen, wie die Trabrennpferde dort untergebracht waren. So hatte er eine geräumige Box gezimmert, dazu eine neue Futterkrippe gebaut und ein großes Fenster in die Mauer gebrochen, das viel Licht hereinließ. Vor die Glasscheibe hatte er ein Drahtgeflecht gesetzt, damit sich das Pferd nicht verletzen konnte, falls die Fensterscheibe einmal zerbrach. Die Wände hatte er zuerst mit Lauge abgewaschen und dann weiß gestrichen.

      Der große Raum sah richig sauber und freundlich aus. Eine Ecke des Stalles hatte Sven zur Sattelkammer umgebaut, in der genug Platz war, um alle Geräte aufzubewahren. Er hatte sogar eine Treppe zum Heuboden hinauf gezimmert und das schadhafte Dach repariert.

      Polly hatte noch keinen Fuß in den Stall gesetzt. Sie wollte zeigen, daß es ihr gleichgültig war, womit Sven seine Freizeit verbrachte. Helfen wollte sie ihm auch nicht. Doch in diesem besonderen Fall waren Aila und Sven froh über ihre Gleichgültigkeit. Um so größer würde die Überraschung werden, hofften sie.

      Als Sven wieder einmal eine Fahrt nach Fornaboda hatte, hörte er sich um, welche Pferde zu verkaufen waren. Einer der Trainer, ein Mann namens Andersson, hatte eine Stute, mit der er nicht zufrieden war. Er sagte, er hätte sich seit einiger Zeit schon überlegt, ob er sie nicht verkaufen sollte.

      „Anfangs war sie große Klasse, folgsam und lammfromm. Doch im letzten Herbst, nachdem sie ein paar Wochen auf der Weide war, wurde sie plötzlich schwierig.


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