Polly bekommt ein Pferd. Thea Oljelund

Polly bekommt ein Pferd - Thea Oljelund


Скачать книгу
nicht genug Boxen hier im Stall.“

      Sven hatte bisher nur mit Arbeitspferden und Reitpferden zu tun gehabt; von Trabrennpferden verstand er nichts. Doch er war ein guter Reiter. Die Stute gefiel ihm. Sie war ein Fuchs mit weißen Fesseln und einem weißen Stern auf der Stirn. Er fand, daß sie sanft und freundlich aussah.

      „Ja, sanft und freundlich ist sie – im Übermaß“, sagte der Trainer, dem die Stute gehörte. „Aber sie ist auch eigensinnig und verausgabt sich nicht. Für einen Fünfjährigen ist das kein gutes Zeichen. In unserem Beruf brauchen wir Tiere, die in Feuer geraten, wenn’s darum geht, sich mit anderen Pferden zu messen – beim Training und beim Wettkampf. Thunderbird hat einfach kein Feuer mehr. Es kann natürlich wiederkommen, vielleicht ist das nur ein vorübergehender Zustand. Im Herbst hatte sie einen leichten Hufschaden und durfte einen Monat lang auf der Weide bleiben. Vielleicht gefällt es ihr nicht, daß sie wieder im Stall eingesperrt ist. Man weiß ja nicht, was in so einem Tier vorgeht…“

      Manche Leute wissen es, dachte Sven bei sich.

      „Aber als Reitpferd könnte sie doch vielleicht besser sein?“ fragte Sven. „Ist sie zugeritten?“

      „O ja. Als Reitpferd ist sie sicher gut.“

      „Wieviel wollen Sie denn für Ihre Stute haben?“

      „Ich habe fünftausend Kronen für sie bezahlt. Dreitausend sind mir vor kurzem schon angeboten worden…“

      „Aber ich kann nicht mehr als zweitausend bezahlen“, sagte Sven.

      „Wenn Sie mir zweitausend auf die Hand bezahlen, können Sie sie mitnehmen“, sagte Andersson nach kurzem Überlegen. „Ich kann Ihnen auch einen Pferdetransportwagen leihen, wenn Sie wollen. Natürlich ist es ein Verlustgeschäft für mich. Andererseits brauche ich Platz im Stall und könnte dann das andere Pferd kaufen, das mir angeboten worden ist. Es wird gerade billig abgegeben, aber meiner Meinung nach könnte man einen großartigen Traber aus ihm machen. Wenn Sie also zweitausend Kronen hier auf den Tisch des Hauses legen…“

      Sven zögerte nicht lange. Er zog seine Brieftasche heraus und zählte die Hundertkronenscheine ab.

      Andersson nahm das Geld zufrieden entgegen. „Gut“, sagte er. „Dann brauchen wir nur noch den Pferdeanhänger an Ihren Wagen anzukoppeln. Haben Sie einen weiten Weg?“

      „Ach, nur etwa fünf Kilometer“, erwiderte Sven. „Ich bringe Ihnen den Anhänger dann gleich wieder zurück. Aber ich brauche ja auch Heu und Hafer und all das…“

      „Das bekommen Sie beim Landhandel. Ich kann Ihnen auch die Adresse eines hiesigen Bauern geben, der noch Landwirtschaft betreibt, obwohl er selbst keine Tiere mehr hat. Dort bekommen Sie alles billiger. Wollen Sie das Pferd für sich selbst?“

      Sven schüttelte den Kopf. „Unsere Tochter soll es bekommen. Auf dem Land gefällt es ihr nicht, wissen Sie; sie sehnt sich nach der Stadt zurück. Und meine Frau und ich dachten, wenn sie etwas hätte, womit sie sich beschäftigen kann… Sie liebt Tiere sehr. Vielleicht vermißt sie ihre Freunde in der Stadt dann nicht mehr so, wenn sie für ein Tier sorgen muß!“

      „Aha“, erwiderte der Trainer und nickte. „Ich verstehe. Haben Sie schon einen Sattel?“

      „Nein. Ich wußte ja nicht, daß es mit dem Pferdekauf so schnell gehen würde.“

      An den Sattel hatte Sven noch nicht gedacht. Kardätsche und Decke und einiges andere, das war ihm eingefallen, aber der Sattel nicht. Er rieb sich nachdenklich das Kinn.

      „Kein Problem“, sagte Herr Andersson. „Ich wollte Ihnen sowieso eine gebrauchte Trense mit dazugeben; da schenke ich Ihnen eben auch noch einen alten Sattel. Es ist eigentlich ein Rennsattel, der schon lange bei uns im Stall herumliegt. Für den Anfang geht er schon, und er paßt so gut wie allen Pferden. Später müssen Sie aber zusehen, daß Ihre Tochter einen besseren Sattel bekommt.“

      Svens Miene hellte sich auf; er nickte. Fürs erste war dieses Problem gelöst. Später würde sich schon eine Möglichkeit ergeben, Polly einen neuen Sattel zu kaufen.

      „Lassen Sie doch mal von sich hören“, sagte der Trainer zum Abschied. „Ich wüßte gern, wie Ihre Tochter mit der Stute zurechtkommt. Thunderbird ist gutmütig und ausgeglichen; wenn die beiden Freunde werden, läuft bestimmt alles prima. Falls es nicht klappt, liegt das an Ihrem Mädchen, nicht an dem Pferd. Das muß ich gleich vorausschicken.“

      Alles war so schnell gegangen, daß Sven richtig überwältigt war. Er fuhr gleich noch beim Landhandel vorbei, und dort versprach man ihm, sofort Heu und Hafer nach Sunnansjö zu liefern. So hieß der Hof, auf dem Sven, Aila und Polly wohnten.

      Aila war außer sich vor Freude, als Sven mit der Stute nach Hause kam.

      „Herrje, wird Polly überrascht sein!“ rief sie. „Heute kommt sie mit dem Halbfünfuhr-Bus zurück. Da kannst du vorher noch den Anhänger zurückbringen.“

      Die Stute schnaubte und sah sich ängstlich um. Sven führte sie in den Stall und in die Box, die er schon vor einigen Tagen mit Torfstreu ausgelegt hatte. Aila rannte ins Haus und holte Karotten.

      „Einen kleinen Begrüßungsimbiß muß sie kriegen“, rief sie. „Hoffentlich kommt die Lieferung mit dem Heu und dem Hafer bald. Und jetzt mußt du mir alles erzählen… Wie heißt das Pferd überhaupt?“

      „Ich habe eine Menge Papierkram von ihrem früheren Besitzer bekommen“, sagte Sven und wühlte in seiner Aktentasche. „Hier ist die Stammtafel. Da steht es, Thunderbird. Das bedeutet soviel wie Donnervogel. Aber Polly kann die Stute natürlich anders nennen, wenn sie will. Glaubst du, daß sie sich freuen wird?“

      In diesem Augenblick kam ein Lastwagen auf den Hofplatz gefahren. Aila und Sven schlossen die Boxtür und verließen den Stall. Ein Mann im blauen Arbeitsmantel sprang aus dem Führerhaus des Lastautos. Er sah abgehetzt aus.

      „Wohin wollen Sie es haben?“ fragte er. „Die Heuballen und die Hafersäcke, meine ich?“

      Sven half beim Abladen, und bald hatten sie das Heu auf die Tenne über dem Stall gebracht. Die Hafersäcke leerten sie in eine riesige Kiste, die Sven selbst zusammengezimmert und in den Geräteschuppen gestellt hatte.

      „Gut, dann unterschreiben Sie bitte hier. Die Rechnung bekommen Sie dann zugeschickt“, sagte der Mann im blauen Mantel und sprang wieder ins Auto. Er hatte es eilig.

      Auch Sven fuhr gleich darauf wieder los, um den Anhänger nach Fornaboda zurückzubringen.

      Aila fütterte die Stute. Sie hatte seit ihrer Kindheit kein Pferd mehr gefüttert, und das duftende Heu erinnerte sie an glückliche Ferientage in ihrer finnischen Heimat. Vorsichtig strich sie über den weichen Hals der Stute, kraulte sie mit den Fingern in der kupferroten Mähne und redete leise zu ihr.

      „Du sollst Pollys beste Freundin werden“, sagte sie. „Denk daran! Sei nett zu Polly, damit sie sich endlich hier wohl fühlen kann…“

      Die Stute hatte schöne, sanfte Augen, fand Aila, fast wie ein Reh. Sie schmiegte ihr Maul vertrauensvoll in Ailas Handfläche und schnaubte leise.

      „So, jetzt lasse ich dich aber allein“, sagte Aila nach einer Weile. „Damit du dich an deine neue Box gewöhnst und dein Futter in aller Ruhe fressen kannst, ehe Polly kommt!“

      Ein Freund für Polly

      Als Polly an diesem Tag nach Hause kam, war sie besonders schlecht gelaunt. Kerstin hatte sich im Schulbus neben sie gesetzt und von ihrem Pferd erzählt. Amorina hieß es. Und Polly fand, daß alles, was Kerstin sagte, überheblich und angeberisch klang. Mußte sie andere Leute unbedingt mit ihren Pferdegeschichten langweilen?

      Schließlich hatte sie Kerstin kurz abgefertigt. „Wie schön für dich“, sagte sie. „Aber du begreifst wohl einfach nicht, daß es Leute gibt, die sich nicht für Pferde interessieren? Kannst du denn von gar nichts anderem reden als von deinem Pferd?“

      „Du bist ja bloß neidisch“, hielt ihr Kerstin verletzt


Скачать книгу