Gesammelte Werke. Ricarda Huch

Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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katholisch gebliebenen Vaters ausgesetzt waren. Als nach 13 Jahren, 1559, die Kurlinie mit Ottheinrich ausstarb, wurde Friedrich Kurfürst. Er hat in der Geschichte den Beinamen des Frommen erhalten, und sicherlich war sein Bekenntnis tiefste Überzeugung. Inzwischen war Maria, nachdem sie elf Kinder geboren hatte, eine gebrechliche, von allerlei Leiden heimgesuchte Frau geworden, denen sie tapfer widerstand, soweit es möglich war. Ob ihr wohl oder weh war, begleitete sie ihren Mann auf die Jagd, weil er es liebte, sie immer an seiner Seite zu haben. Wenn ihre verheirateten Töchter Kinder bekamen, ließ sie es sich nicht nehmen, sie zu pflegen; sie reiste hin, erfreute die Enkelkinder durch mitgebrachtes Spielzeug und betreute sie. In der feinsten und liebevollsten Weise suchte sie ihren unglücklichen Schwiegersohn, Johann Friedrich den Mittleren, den der Wunsch, seinem verhaßten Vetter August die Kur wieder abzugewinnen, in verhängnisvolle Unternehmungen verstrickte, durch verständige Warnungen zu retten. Solange sie bei den Töchtern war, fühlte sich Friedrich verwaist, einer Turteltaube gleich, die ihren Gesellen verloren hat, wie er selbst sagte, und erwartete ungeduldig ihre Rückkehr. Einen großen Schmerz tat er ihr an, als er vom Luthertum, in dem sie aufgewachsen war, zum Kalvinismus überging; allein die Innigkeit des ehelichen Verhältnisses konnte selbst dadurch nicht getrübt werden. Als sie mit 48 Jahren ihren Leiden erlag und Friedrich nun für immer von ihr verlassen war, schrieb er seinem Schwiegersohn, daß er seines besten Freundes, mit dem er in diesem mühseligen zeitlichen Leben mehr als 30 Jahre in aller herzlichen Liebe und Freundschaft zugebracht, beraubt sei. Eine schönere Grabschrift hätte ihrem heldenmütigen Herzen nicht gesetzt werden können. Wenn Friedrich trotzdem bald wieder heiratete, er wählte eine gleichfalls kürzlich verwitwete Frau, mit der er noch sieben Jahre zusammen lebte, so war das ein Beweis, wie glücklich ihn die Ehe gemacht hatte. Fast immer heirateten die Fürsten nach dem Tode der Frau sehr rasch wieder, zuweilen, um damit eine neue politische Kombination zu bekräftigen, doch aber auch, weil sie in dem harten wilden Leben der Zeit den einen süßen Klang, die holde Gegenwart einer Frau, nicht missen mochten.

      Einem edlen Fruchtbaum gleich war Juliane von Nassau, Tochter Bothos des Glückseligen von Stolberg; im Frühling wiegt er die rosige Blüte in lauen Lüften, im Sommer ist er schwer von reifenden Früchten, und im Herbst umtanzen ihn jubelnde Kinder, und die Landleute pilgern zu dem schätzespendenden verehrungsvoll wie zu einem Heiligtum. Mit 17 Jahren heiratete sie einen Grafen von Nassau, dem sie fünf Kinder gebar, und nach dessen frühem Tode den verwitweten Grafen Wilhelm von Nassau-Dillenburg, der dem jungen Hanauer Paare ein väterlicher Freund und Berater gewesen war. Er gehörte einem vornehmen, sehr alten Geschlecht an, das sich im 12. Jahrhundert nach dem Schlosse Nassau zu benennen angefangen hatte und aus dem einst ein Kaiser hervorgegangen war. Von ihrem zweiten Manne hatte Juliane zwölf Kinder, sieben Töchter und fünf Söhne, deren ältester einer der bedeutendsten Fürsten jener und aller Zeit war, Wilhelm von Oranien. Ihr Erbe und Einfluß war es wohl, daß alle Geschwister, namentlich die Söhne, die Standhaftigkeit und Opferwilligkeit besaßen, sich dem großen, zuerst aussichtslosen Werk der Befreiung der Niederlande zu widmen. Die stete, gleichmäßige Wirksamkeit ihrer Liebe und Sorgfalt, ihres sittlichen Ernstes, womit sie Kinder und Schwiegerkinder umfaßte, verband die Geschwister untereinander und an die Ehre Gottes und die Ehre des Hauses. Ohne daß sie besonders geistvoll oder unternehmend gewesen wäre, bildete sie den Mittelpunkt der Familie, dem sich alle beugten. Sie erlebte den Tod dreier Söhne, darunter ihres Lieblings Ludwig, in den Schlachten gegen Spanien und die bitteren Sorgen und Kämpfe des Oraniers unter Schmerzen, aber immer ihrem Glauben und ihren Pflichten treu und eine Stütze für andere. Sie hatte zu ihren Lebzeiten 160 unmittelbare Nachkommen. Von ihren Töchtern hatte eine zehn, eine fünfzehn, je zwei vierzehn Kinder. Das waren damals keine außergewöhnlich hohen Zahlen; aber nicht oft waren so viele Kinder einer Mutter so begabt und lebenskräftig wie die Julianes.

      Eine verehrte katholische Fürstin war die Erzherzogin Maria, Stammesmutter der jüngeren habsburgischen Linie, die nach dem Erlöschen der älteren an die Spitze des Hauses trat. Sie war eine Wittelsbacherin und regierte mit fester, etwas harter, bayrisch-bäuerlicher Hand ihren weicheren Mann und ihre unbändigen Kinder. Es war nicht ihre Schuld, wenn etwas von der gelockerten, spielerischen Art der letzten Habsburger auf ihren Sohn Ferdinand überging; aber daß der katholische Glaube in Österreich nicht unterging, war überwiegend ihr Verdienst. Ganz anders waren die Habsburgerinnen, die Schwestern Karls V., deren Tatkraft durch den diesem Hause eigentümlichen Tropfen Rausch und Duft durchsüßt war. Karls Lieblingsschwester war Eleonore; einem Engländer erschien sie in Brüssel, als sie nicht mehr jung war, in einem faltenreichen Batistkleide mit Stickereien anmutig wie eine weiße Taube. Trotz seiner brüderlichen Liebe trennte er sie von dem schönen Pfalzgrafen Friedrich, der seinem Anspruch für sie nicht genügte. Nach vielen Jahren treuen Dienens wurde er durch die Hand einer Nichte der einst Geliebten entschädigt, während Eleonore Königin von Portugal und dann Königin von Frankreich werden mußte. Maria und Isabella hatten eine ausgesprochene Neigung für das Luthertum. Isabella war in sehr unglücklicher Ehe mit dem König von Dänemark verheiratet, Marias liebenswürdiger Gatte, der König von Ungarn, fiel jung in der Schlacht bei Mohacz. Sie heiratete nicht wieder, wurde nach dem Tode Margaretens, der Tante Karls V., die kluge, einsichtsvolle Regentin der Niederlande. Wenn Karl ihr einmal schrieb, gelte es einen Kampf anstatt mit Waffen mit dem Verstande zu führen, so sei sie der beste Kapitän, tat er ihr eigentlich Unrecht: sie war eine kühne, unermüdliche Reiterin und Jägerin und führte auch persönlich Kriegszüge an. Wie seiner Frau in Spanien, wenn er abwesend war, überließ Karl seiner Schwester die Regierungsgeschäfte mit unbedingtem Vertrauen.

      Wenn uns in der Reformationszeit auf protestantischer Seite mehr interessante Frauen begegnen als auf katholischer, liegt das zum Teil daran, daß die im Vordergrunde der Zeit stehenden Männer, die Geistlichen, auf protestantischer Seite sich verheirateten, auf katholischer natürlich nicht; besonders aber daran, daß bei einer angreifenden, von neuen Ideen und Plänen erfüllten Partei mehr Kraft und Leben zu sein pflegt als bei den Beharrenden. Übrigens aber standen die katholischen Frauen unter denselben Bedingungen wie die protestantischen und haben sich in schwieriger Lage, zum Beispiel als Nonnen, überzeugungstreu und charaktervoll erwiesen. Viele Frauenklöster erzwangen durch unbeugsamen Widerstand eine längere Dauer, als den reformierten Gebietsherren bequem war. Am bekanntesten unter den aufrechten Klosterfrauen ist durch ihre Denkwürdigkeiten Caritas Pirckheimer geworden, Äbtissin eines Nürnberger Klosters. Sie war humanistisch gebildet, verstand Lateinisch und wechselte Briefe mit ihrem berühmten Bruder und seinen Freunden, deren Interesse sie teilte. Als der Nürnberger Rat die Reformation annahm und die Aufhebung der Klöster der Bevölkerung eine nützliche, notwendige Maßregel zu sein schien, weigerte sich Caritas Pirckheimer, sich und ihre Schützlinge dem Zwange zu unterwerfen, und wandte sich um Hilfe an den Pfleger, der die Rechte des Klosters im Rat zu vertreten hatte und sich jetzt zwischen der Pflicht seines Amtes und seiner Pflicht gegen Gott und den Staat in einer peinlichen Klemme fühlte. Man versuchte es mit Überredung durch einen protestantischen Prediger, der den Nonnen die evangelische Wahrheit erklären sollte. Sie hörten ihn an, und Caritas setzte ihn durch treffende Antworten und Einwendungen in Verlegenheit. Drei gewissenhafte, wohlwollende Personen, der Pfleger, der Pfarrer und die Äbtissin, in einen unlösbaren Konflikt verwickelt, bemühten sich verzweifelt, ihrer Aufgabe in anständiger Weise zu genügen. Die Frau tat es, als Angegriffene, als Schwächere und im Recht, in der stolzesten Haltung. Auf Bitten des Pflegers ließ sie sich schließlich auf ein Gespräch mit Melanchthon ein, mit dem sie sich leicht verständigte, die humanistisch gebildete Frau mit dem Humanisten. Er gestand zu, man könne im Kloster ebensogut selig werden wie in der Welt, und es sei unrecht, Leute mit Gewalt aus dem Kloster zu werfen. Sie schieden in Freundschaft.

      Wenn im Reformationszeitalter die Frauen Gelegenheit hatten, in Kampf und Opfer sich hervorzutun, so kann man doch sagen, daß Reformation und Humanismus in ihren Folgen die Frau eher herabgedrückt als gehoben haben. Daß es für die Protestanten nur noch männliche Götter, keine Göttin mehr gab, daß sie sich nicht mehr an die große Fürbitterin Maria wenden konnten, entzog dem weiblichen Geschlecht einen Glanz und eine Würde. Durch ihre Männer beleidigte und gefährdete Frauen, besonders Fürstinnen, hatten bei der Kirche nicht selten Schutz gefunden: der Hofprediger hatte nur schlotternde Ermahnungen für den Schuldigen und wendige Trostesworte für die Gekränkte. Die scharfe Gegenüberstellung von Obrigkeit und Untertanen, von Herrenrecht und rechtloser Untertänigkeit machte sich auch in den


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