Gesammelte Werke. Ricarda Huch

Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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kaiserliche Gewalt zu stärken, eine Erbmonarchie zu gründen, machte sie zu seinen entschlossenen Gegnern. Sie beklagten sich gelegentlich, daß er ihnen das Recht, mit auswärtigen Mächten Bündnisse zu schließen, nehmen wolle. Man kann nicht sagen, daß sie dies Recht verfassungsmäßig besaßen, sicherlich nicht, wenn es gegen Kaiser und Reich gerichtet war; aber sie übten es aus und betrachteten es als zum Begriff der Souveränität gehörend. Im Februar 1552 kam nach mehreren vorbereitenden Versammlungen das Bündnis zwischen Heinrich II. einerseits und Moritz von Sachsen, Wilhelm von Hessen und Joh. Albrecht von Mecklenburg auf dem Schlosse Friedewald bei Hersfeld zum Beschluß. Es wurde darin festgesetzt, daß der König die Städte, die von alters zum deutschen Reich gehört »und nit deutscher Sprach sein«, nämlich Cambrai, Metz, Toul, Verdun »und was derselben mehr wären« einnehme und als Vikar des deutschen Reiches behalte, doch vorbehalten die Gerechtigkeit des Reiches. Weiter hieß es, weil der König in diesem Werk nicht allein wie ein Freund, sondern wie ein treuer Vater gehandelt habe, würden die Fürsten ihm zur Erlangung seiner ihm abgewendeten erblichen Possession helfen – womit auf Artois angespielt war – keinen Kaiser wählen, der ihm nicht wohlgefalle, und sich so mit ihm verständigen, daß er sie mit Land und Leuten auf ewig beschütze. Die Kriegführenden sollten unter des Königs Wappen ausziehen, auf dem stehen solle: vindex libertatis Germaniae et captivorum principum. In dem Manifest, das die deutschen Fürsten ausgehen ließen, um ihren Angriff zu rechtfertigen, klagten sie über die viehische Servitut, die der Kaiser habe Deutschland aufdrängen wollen und führten als Beweis das Verbot auswärtigen Kriegsdienstes an, das fremde Kriegsvolk, das der Kaiser ins Reich geführt hatte, den Ausschluß fremder Gesandter vom Reichstage und den Umsturz der städtischen Verfassungen. Zu dieser Sorgfalt für die Freiheit der Städte bekannte sich auch der Feind und Verfolger der Städte, Markgraf Albrecht Alcibiades, welcher übrigens den Krieg auf eigene Faust betrieb und auch ein besonderes Kriegsmanifest erließ, in dem er als Ziel angab, die übermäßige Gewalt der Bischöfe und Prälaten zu brechen, so nämlich, daß er die Stifte, die dem deutschen Adel zum Unterhalt dienten, nicht ausrotten, sondern reformieren, das heißt weltlich machen wolle. Da König Heinrich II. die deutschen Prälaten schützen wollte, konnte dieser Punkt nicht in das Programm der mit ihm verbündeten Fürsten aufgenommen werden, obwohl auch sie es auf einige Stifte abgesehen hatten. Albrecht Alcibiades erwähnte in seinem Manifest noch die von einem Spanier verfaßte Geschichte des Schmalkaldischen Krieges, worin von den Deutschen in herabsetzender Weise die Rede sei: »Da sollte ja jedem ehrliebenden Deutschen das Herz erkalten … daß die Deutschen, die edelste und fürnehmste Nation der ganzen Christenheit also mit Unwahrheit abkonterfeit, als ob sie irgendeine barbarische, unbekannte Nation und darin ehrliche, mannhafte und adelige Tugenden unbekannt wären.« Es wäre falsch, den Landesverrat der Fürsten damit entschuldigen zu wollen, daß Bündnisse mit fremden Mächten damals im Reich als zulässig gegolten hätten: die Fürsten wußten, daß sich der Vorwurf gegen sie erhob, sie führten Franzosen und Türken ins Reich und verwahrten sich dagegen. Einzig das entlastet sie, daß der Kaiser die Deutschen mit spanischer Macht bezwungen und vergewaltigt hatte und durch seinen Sohn den spanischen Einfluß auf Deutschland noch verstärken wollte.

      Die nun wieder vermehrte Türkengefahr richtete sich wie immer hauptsächlich gegen Österreich, und deshalb wünschte Ferdinand um jeden Preis Frieden mit den Protestanten, damit das Reich ihm Hilfe leiste. Überhaupt zeigten sich nun die üblen Folgen, die Karls Absicht, seinem Sohne das Kaisertum zu verschaffen, für ihn hatten; die Entfremdung der Brüder, die dadurch eingetreten war, ging so weit, daß manche glauben konnten, Ferdinand habe sich im Kriege auf die Seite der Protestanten gestellt. War das auch nicht der Fall, so vermittelte er doch, anstatt sie anzugreifen. Zuerst versuchte er den Kaiser zu bewegen, daß er Philipp aus der Gefangenschaft entlasse, auch Moritz und die anderen Fürsten taten noch einmal darauf bezügliche Schritte. Daß der Kaiser unerbittlich blieb, gab ihnen das Zeichen zum Losschlagen. Heinrich II. zog auf Metz, Toul und Verdun, Albrecht Alcibiades warf sich auf die fränkischen Bistümer, Sachsen und Hessen führten ihre Truppen nach dem Süden; der Kaiser hielt sich in Innsbruck auf. Es ist bemerkenswert, daß einige große Städte, nämlich Frankfurt, Ulm, Nürnberg, Straßburg sich Moritz nicht anschlossen; Frankfurt und Ulm widersetzten sich standhaft der Belagerung. Das Mißtrauen gegen Moritz und der Unwille gegen Albrecht Alcibiades waren in diesen Kreisen so lebhaft, daß sie, obwohl in der städtischen Bevölkerung die evangelische Überzeugung am aufrichtigsten und opferwilligsten war, es vorzogen, dem Kaiser treu zu bleiben. Während Ferdinand die Vermittelungsversuche fortsetzte, rückte das Heer immer näher; der Kaiser suchte nach Brüssel zu entkommen, fand aber den Weg schon versperrt. Er hatte an Moritzens Verrat, den er so sehr begünstigt hatte, durchaus nicht glauben wollen und so den richtigen Zeitpunkt versäumt. Nach der Erstürmung der Ehrenberger Klause durch Georg von Mecklenburg mußte sich der gichtkranke Kaiser zu eiliger Flucht entschließen. Wenn nicht ein feindliches Regiment gemeutert hätte und dadurch eine Verzögerung entstanden wäre, würde er seinen Gegnern in die Hände gefallen sein; er entkam bei Nacht auf zum Teil noch verschneiten Wegen über den Brenner nach Bruneck und von da nach Villach in Kärnten. Vorher hatte er Johann Friedrich die Freiheit gegeben, doch mit der Bitte, ihn einstweilen noch freiwillig zu begleiten; er dachte ihn gegen Moritz auszuspielen.

      Sofort nach dem Einzug der Sieger in Innsbruck begann ein Waffenstillstand, dem Friedensverhandlungen in Passau folgten. Die endgültigen Bestimmungen desselben sollten auf einem Reichstage festgesetzt werden. Der Kaiser indessen, tief getroffen, erfüllt von dem Wunsche, sich zu rächen, raffte sich auf, sowie der Gichtanfall überwunden war, um Metz zurückzuerobern; wie immer war es der Kaiser, der die Grenze gegen den räuberischen Nachbarn schützte. Moritz führte indessen entsprechend seinen Beziehungen zu Ferdinand seine Truppen gegen die Türken. Im Kampfe gegen die Bistümer fuhr Albrecht Alcibiades fort, das deutsche Land zu verwüsten. Die Kriegsfurie dieses Fürsten, der roh aber nicht unbegabt war, der statt aller Grundsätze und Richtlinien den Kampf gegen Pfaffen und Städte proklamierte, dessen von Haß erfüllte Kampflust zuweilen an Raserei streifte, war ein schauerliches Zeichen der allgemeinen Verwilderung. Um die Verworrenheit und das Mißtrauen aller gegen alle zu vermehren, ließ sich der Kaiser aufs neue mit dem ketzerischen Markgrafen ein, während Moritz, der Vorkämpfer der Protestanten, sich mit dem katholischen Herzog Heinrich von Braunschweig verband, um Albrecht Alcibiades, der sich nach Norddeutschland gewendet hatte, unschädlich zu machen. In der ungewöhnlich blutigen Schlacht bei Sievershausen verlor der Herzog von Braunschweig drei Söhne und Herzog Moritz das Leben. Er war nur 32 Jahre alt geworden. Es scheint nicht, daß ihm jemals ein Zweifel an der Richtigkeit seines Handelns gekommen ist, und doch bereute er im Sterben den Wildschaden, den seine Untertanen durch seine Jagdlust erlitten hatten, und setzte eine Summe aus, um sie zu entschädigen. Durch die Gründung der Schulen von Meißen, Grimma und Pforta aus den eingezogenen Kirchengütern hat er seinem Lande eine dauernde Wohltat erwiesen. Menschen, die Herrschersinn und entschlossenen Willen haben und das, was sie wollen, klug und umsichtig ausführen, kann man nicht umhin, in dieser ihrer Art zu bewundern, auch wenn ihre Zwecke nicht edel und ihre Mittel verwerflich sind.

      Nachdem Markgraf Albrecht Alcibiades geächtet und nach Frankreich geflüchtet war, kam die Ruhe der Erschöpfung über das Reich. Die Stände einigten sich über die Streitfragen, die sie trennten: die mit Weimar, Eisenach, Koburg und Gotha abgefundenen Ernestiner ergaben sich in den erlittenen Verlust und erhielten dafür mehr Geld, Bayern verzichtete auf die Pfälzische Kur, auch der noch immer schwebende Anspruch Österreichs auf Württemberg wurde aufgegeben. Anderthalb Jahre nach Moritzens Tod, im Jahre 1555, konnte zu Augsburg der Reichstag eröffnet werden, auf welchem die Befriedung der Religionsparteien endgültig vorgenommen wurde. Der Kaiser konnte sich nicht entschließen, den Protestanten, denen er bisher nur einen zeitlich begrenzten Frieden gewährt hatte, einen dauernden zuzugestehen und damit sein Ziel, die Einigung, aufzugeben; er überließ es deshalb, bereits entschlossen, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, seinem Bruder Ferdinand, den Reichstag zu leiten und so zu handeln, wie er es vor Gott verantworten könne. Trotz der allgemeinen Sehnsucht nach Frieden und der Einsicht, daß es zu einem Ausgleich kommen müsse, dauerte es doch acht Monate, bis die Verständigung erzielt war. Im Kurfürstenrat überwogen die protestantischen, im Fürstenrat die altgläubigen Stimmen, die Städte, die überwiegend protestantisch waren, traten auf diesem Reichstag sehr zurück, zum Teil weil der alte Kämpfer Jakob Sturm, der Stadtmeister von Straßburg, kürzlich gestorben


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