Gesammelte Werke. Ricarda Huch
römischer Kaiser heiße, sagte Friedrich, so würde er nur ein Schattenkaiser mit leerem Namen ohne Bedeutung sein, wenn er die Gewalt über die Stadt Rom aus der Hand ließe. Als Hadrian im Jahre 1159 im Sterben lag, ließ er die Kardinäle schwören, nur einen solchen Papst zu wählen, der den Kampf gegen den Kaiser zu Ende führe; so wenigstens sagte und glaubte man. Die Kardinäle waren geteilter Meinung: diejenigen die den Frieden wollten, wählten Oktavian, der sich als Papst Viktor IV. nannte, die Gegner des Kaisers jenen Roland, der den verhängnisvollen Auftritt auf dem Reichstage zu Besançon herbeigeführt hatte; er hieß als Papst Alexander III. Friedrich hielt es für richtig, sich nicht selbst für einen Papst zu entscheiden, sondern ein Konzil zu berufen; in Dingen, die Gott beträfen, sagte er, stehe ihm kein Urteil zu, aber er habe das Recht, Konzilien zu berufen, wie Konstantin, Theodosius, Karl und Otto getan hätten. Persönlich beiwohnen tat er dem Konzil, das in Pavia stattfand, nicht. Nach langen Untersuchungen und Zweifeln erklärte sich die Versammlung für Viktor; die Verwerfung Alexanders wurde damit begründet, daß er sich dem Konzil nicht gestellt habe, daß er sich offen als Reichsfeind zeige, indem er sich mit Mailand und Sizilien verbündet habe, wodurch die Zwietracht zwischen Kaisertum und Priestertum verewigt werde. Da die lombardischen Städte im Augenblick wehrlos waren, blieben dem schismatischen Papst Alexander nur zwei Mächte, auf die er sich stützen konnte: das Normannenreich Sizilien und Frankreich.
Von dem Augenblick an, wo es nicht mehr durch innere Zerwürfnisse geschwächt war, blickte Frankreich eifersüchtig auf das Römische Reich deutscher Nation. Allerdings dämpfte der beginnende Gegensatz zwischen England und Frankreich die Feindseligkeit Ludwigs VII., aber sie war doch so wenig verhehlt, daß Alexander III. sich mit ihm verständigen konnte; es gelang ihm sogar, einen Frieden zwischen England und Frankreich zustande zu bringen. Damit begann das sich immer erneuernde und festigende Bündnis, dessen Spitze sich gegen Deutschland kehrte, von dem der französische König als Frucht die Übertragung des Kaisertums von Deutschland auf Frankreich erhoffte.
Der Tod Viktors IV. im Jahre 1164 gab Gelegenheit, das Schisma aufzuheben, wenn Friedrich sich zur Anerkennung Alexanders bequemte. Es ist anzunehmen, daß er dazu geneigt war. Ein Schisma führte viel Unzuträglichkeiten für das ganze Reich mit, es gehörte zu den ersten Pflichten des Kaisers, die gute Beziehung zwischen Kurie und Imperium herzustellen. Wie konnte er wissen, wie lange die Treue der Fürsten in so gespannter Lage ausdauern würde. Aber schon seit einer Reihe von Jahren herrschte ein anderer neben dem Kaiser: Rainald von Dassel. Der stolze Sachse erwog nichts als seinen Haß und seine Kraft; kein Zweifel kam ihm an, ob er in dem ungeheuren Kampfe siegen könnte. Um dem Kaiser die Möglichkeit der Versöhnung abzuschneiden, betrieb er in Eile die Wahl eines neuen kaiserlichen Papstes; es war Paschalis III. Wenn der Kaiser über die Eigenmächtigkeit des Erzbischofs verstimmt war, so war er es nicht auf lange; auch daß Rainald mit einem Bruder des Kaisers im Streite lag, wurde verziehen. Als Zeichen seiner Gunst beschenkte Friedrich seinen Getreuen mit einer Reliquie von unschätzbarem Wert, den Leibern der Heiligen Drei Könige, der Magier, wie man sie zu nennen pflegte. Der Sage nach führte der Erzbischof den wundertätigen Schatz, der seine Stadt zum heiligen Köln machte, durch die zierliche Pforte bei Sankt Maria im Kapitol heim, nachdem er sich auf Umwegen durch Hochburgund reisend vor den Nachstellungen des Papstes und Frankreichs gerettet hatte. Um seiner Politik Erfolg zu sichern, ging er nach England und brachte ein Bündnis mit König Heinrich II. zustande. Nicht nur die Verbindung einer Tochter des englischen Königs mit einem Sohne Barbarossas wurde zur Besiegelung des Bundes ins Auge gefaßt, sondern auch die Vermählung von Heinrichs Tochter Mathilde mit Heinrich dem Löwen; die Ehe des Herzogs mit Clementia von Zähringen mußte zu diesem Zweck aufgelöst werden. Auf einem Reichstage zu Würzburg im Frühling des Jahres 1165 errang Rainald einen fast erschreckenden Triumph, indem er den Kaiser und alle anwesenden Fürsten bewog, sich durch einen Eid zu verpflichten, daß sie immer an Paschalis festhalten, niemals zu Alexander übergehen wollten. Um so erstaunlicher war der Erfolg, als nicht nur der Kaiser einen so gewalttätigen Schritt mißbilligte, sondern auch ein so bedeutender und einflußreicher Mann wie der Erzbischof Wichmann von Magdeburg dagegen war. War sein Wille der Zauber, der die Herzen wendete? Das des Kaisers gehörte wieder ganz ihm. Im Hochgefühl seiner weltbeherrschenden Macht ließ Friedrich, als er in Aachen das Weihnachtsfest feierte, den Sarkophag Karls des Großen öffnen und den Begründer des Reiches durch Paschalis heiligsprechen. Aachener Goldschmiede bekamen den Auftrag, einen Schrein zur Aufnahme der Gebeine herzustellen.
Die augenscheinliche Absicht der Mailänder, ihre zerstörte Stadt wieder aufzubauen, und die Umtriebe des Gegenpapstes Alexander führten den Kaiser nach Italien; Rainald war ihm vorausgegangen, um Paschalis nach Rom zu führen. Während der Kaiser siegreich die Lombardei durchzog, kam es um Pfingsten 1167 bei Tusculum zur Schlacht. Diese stets kaiserliche Stadt hatte Rainald mit seinem kleinen Heer Kölner Ritter aufgenommen und wurde nun durch ein an Zahl weit überlegenes römisches belagert. Die Lage der Eingeschlossenen war verzweifelt, als in letzter Stunde Erzbischof Christian von Mainz mit brabantischen Soldaten heranrückte, um Tusculum zu entsetzen. Dem Heer der Römer gegenüber war ihre Zahl so gering, daß sie trotz aller Tapferkeit zu weichen begannen; da brach Rainald mit seinen kölnischen Rittern, hochedle nannte er selbst sie, aus der Stadt hervor, und die beiden kriegerischen Erzbischöfe erfochten gemeinsam einen vollständigen, einen überwältigenden Sieg. Von 30 000 Römern kehrten nach Rainalds Angabe nur 2000 zurück. Die Beute, so schrieb er seinen Kölnern, hätten seine Kölner Ritter, mit dem Siege zufrieden, den Brabantern überlassen, um ihren hohen Sinn gegenüber den Söldnern zu zeigen. Rainald hatte seine Aufgabe gelöst: er führte Kaiser und Papst nach Rom, wo Paschalis die Kaiserin Beatrix, die ihren Mann stets zu begleiten pflegte, krönte und salbte. Alexander III. war aus Rom entflohen und hatte Zuflucht in Benevent gefunden.
Friedrichs Oheim, Bischof Otto von Freising, macht in seinem Buch von den Taten des Kaisers einmal die Bemerkung, die Ärzte sagen, es sei besser zur Höhe als auf der Höhe; denn die aus vielerlei zusammengesetzte Natur bleibe nie im gleichen Zustande, strebe zur Auflösung. Was auf der Höhe angelangt sei, müsse sich abwärts bewegen. Dies Gesetz vollzog sich nach dem Siege von Tusculum mit grauenvoller Pünktlichkeit. Es war Sommer, eine Seuche brach aus und verbreitete sich, an der das Heer und seine Führer zugrunde gingen. Es starben Herzog Friedrich von Schwaben, der Sohn König Konrads III., der jüngere Welf, der an Stelle seines Vaters dessen italienische Besitzungen verwaltete, der Pfalzgraf von Tübingen, die Grafen von Sulzbach und Lippe, die Bischöfe von Prag, Verden, Lüttich, Regensburg, Augsburg, Zeitz und Speyer und, als Unersetzlichster von allen, Rainald von Dassel, der Erzbischof von Köln. Wie ein geschlagenes Heer flüchteten die Überlebenden, wie und wo ein jeder konnte, über die Berge nach Deutschland zurück.
Ausgang
In jedem Unglück, das ihn traf, offenbarte Friedrich seinen elastischen Geist. Nicht einmal seine Mienen verrieten Niedergeschlagenheit, viel weniger Verwirrung oder Unsicherheit seine Handlungen. Vielleicht war es zu seinem Heile, daß das verwegene Herz des Grafen von Dassel nicht mehr schlug und ihn nicht mehr über die Schranken, die er sich selbst gesetzt hatte, fortreißen konnte. Infolge seiner Niederlage konnten allerdings die Widerstrebenden unter den lombardischen Städten allmählich neue Kraft sammeln; aber im deutschen Reiche blieb sein Ansehen unerschüttert, und es gelang ihm, dank dem Zusammenwirken mit Heinrich dem Löwen, einen leidlichen Friedensstand zu erhalten.
Heinrichs Lebenszweck war, sein sächsisches Herzogtum zu einem geschlossenen, womöglich das nördliche Deutschland umfassenden Staat zu bilden, in dem alle Rechte in seiner Hand lägen. Fast alle Fürsten suchten zu erobern und zu erraffen, was die Gelegenheit bot; wenige hatten die Bildung eines abgerundeten Staates im Auge, und noch wenigere gingen dabei mit so durchgreifender Rücksichtslosigkeit vor wie Heinrich der Löwe. Nicht Freundschaft, nicht Gerechtigkeit noch Dankbarkeit hemmten ihn. Wahrhaft wie ein Löwe, ein blindes Geschöpf der Natur, das mit schwerer Tatze zermalmt, was vor ihm sich bewegt, ging er großmütig und unheilvoll seinen geraden Weg. Den Grafen Adolf von Holstein, seinen Gefährten in vielen Kämpfen, zwang er, ihm seine Stadt Lübeck abzutreten; dem jungen Pfalzgrafen Adalbert nahm er seine Bergfeste Lauenburg bei Quedlinburg, auf die er keinerlei Recht hatte. An den Heidenbekehrer Wizelin stellte