Gesammelte Werke. Ricarda Huch
von Bremen sich weigerte, wie das auch seine Pflicht war, sperrte er ihm die Einkünfte, so daß der gute Mann, wenn er nicht verhungern wollte, sich fügen mußte. Heinrich begründete sein Ansinnen damit, daß er die von ihm eroberten, ehemals slawischen Gebiete zu eigenem Besitz habe. Es gab kaum einen unter den norddeutschen Fürsten, dem er nicht irgendein Recht oder Gebietsstück entrissen; den er nicht durch sein herrisches Auftreten gekränkt hatte. Der Führer seiner Gegner war Albrecht der Bär aus dem Geschlecht der Grafen von Askanien, der ähnliche Bestrebungen wie der Herzog fast ebenso umsichtig und nachhaltig verfolgte. Er war zu der Zeit, wo Heinrich der Stolze durch Konrad III. geächtet wurde, an dessen Stelle Herzog von Sachsen geworden, und, nachdem er wegen der Wiedereinsetzung Heinrichs des Löwen hatte zurücktreten müssen, sein heimlicher Nebenbuhler geblieben. Bei der gegenseitigen Abneigung und den gleichartigen Zielen ergaben sich beständig Reibungen. Die Erzbischöfe von Bremen und Magdeburg und der Bischof von Halberstadt gehörten zu den Fürsten, die knirschend, sprungbereit im Kreise den Gewaltigen umgaben, der sie verachtete. Er tat das, weil es seine Natur war, und weil er sich durch die Gunst des Kaisers gesichert fühlte. Wie er seit der im Beginn von Friedrichs Regierung geschlossenen Versöhnung dem Kaiser bei allen seinen Unternehmungen ein treuer Gefolgsmann gewesen war, so schützte der Kaiser ihn, ohne dem Rechte peinlich Rechnung zu tragen. Selbst in der wichtigen Frage der Investitur der Bischöfe gab er nach, so daß Heinrich das Recht erhielt, die Bischöfe von Ratzeburg, Aldenburg und Mecklenburg, später Lübeck und Schwerin, zu belehnen. Als Heinrich den Markt- und Brückenzoll von Föhring, einem Ort, der dem Bischof Otto von Freising gehörte, nach München verlegte, um dadurch diese seine Stadt zu heben, auch da, wo es sich um seinen eigenen Oheim, einen hochangesehenen Geistlichen, handelte und Heinrich offenbar im Unrecht war, entschied der Kaiser zu seinen Gunsten. Im Bewußtsein der Unnahbarkeit seiner Stellung errichtete Heinrich seiner Stadt Braunschweig den ehernen Löwen, der uns bezeugt, was für bedeutende Werke aus den deutschen Erzgießereien hervorgingen. War er rücksichtslos gegen die Geistlichen, die ihn in seinen Plänen störten, so war er doch nicht unkirchlich. Wie einer ein Siegel unter gesicherten Besitz setzt, so unternahm er im Jahre 1172, als sein Gegner Albrecht der Bär gestorben und das Fundament seines Reiches festgelegt war, eine Pilgerfahrt nach dem Heiligen Lande. Alle Welt konnte sehen, daß er sein Herzogtum ruhig in den Händen seiner englischen Frau und seiner treuen Vasallen ließ. Unter den Geistlichen, die ihn begleiteten, war der gelehrte und verehrungswürdige Abt Heinrich von Braunschweig, der in Konstantinopel durch seine Gespräche über einige Punkte, in denen die griechische von der römischen Kirche abweicht, Bewunderung erregte. In Jerusalem hielt sich Heinrich drei Tage lang auf und teilte königliche Vergabungen aus. Den Ertrag dreier Häuser, die er kaufte, bestimmte er zur Unterhaltung dreier ewig brennender Lampen in der Auferstehungskirche. Er besuchte die heiligen Orte, den Ölberg, Bethlehem, Nazareth und das wüste Gebirge, in dem Jesus nach der Überlieferung vom Teufel versucht wurde. Überall wurde er von Christen und Heiden mit Ehrerbietung empfangen und reich beschenkt. Um den wertvollen Reliquien, die er mitbrachte, eine würdige Stätte zu schaffen, baute er in Braunschweig nach Niederreißung des alten Stiftes den Dom, in dem wir jetzt sein und seiner Frau Mathilde Grabmal bewundern. Auch die Dome von Ratzeburg und Lübeck hat er gegründet; sie haben den ernsten, stolzen und dabei gemütlichen Charakter, der dem alten Sachsenlande so sehr gemäß ist. An der Umrahmung eines Portals des Domes von Braunschweig befindet sich die Vertiefung, die der Sage nach die Klaue des Löwen, den der Herzog aus dem Heiligen Lande mitbrachte, zurückließ, als er den Weg zum Grabe seines Herrn suchte.
Einige Jahre nach Heinrichs Rückkehr brach der Reichskrieg gegen das wieder erstarkte Mailand aus, und der Kaiser verlangte von seinem Vetter den üblichen Zuzug. Da geschah das Unerwartete, Unbegreifliche, daß der Herzog ihm seinen Beistand versagte. Jahrelang hatte das feste Zusammenhalten von Kaiser und Herzog so bedeutende Erfolge für beide erwirkt, daß man meint, es müsse ein schwerwiegender Anlaß zur Entfremdung vorgefallen sein; aber kein solcher ist bekannt. Daß Friedrich die Erbschaft des alten Welf, eines gemeinsamen Verwandten, angenommen hatte, die Heinrich für sich beanspruchte, scheint als Grund für solchen Abfall nicht zu genügen. War in Heinrich, der nun Schwiegersohn des Königs von England und Vater mehrerer Söhne war, das Bewußtsein der Macht so angewachsen, daß er nicht mehr ertragen konnte, einen Herrn über sich zu haben? Vielleicht war es wirklich nur das, daß er als Preis für seine Hilfe die Stadt Goslar verlangte, die dem Kaiser gehörte, und daß dieser sie ihm versagte. Auf diese Stadt mit ihrem Reichtum an Silber und Erzen glaubte er ein Anrecht zu haben, weil sie am Rande des Harzes, auf sächsischem Gebiet lag. Sie war ein Gegenstand, der die Raublust entflammen und einen Mann von so starrem Charakter so verblenden konnte, daß er selbst den Abgrund aufriß, der ihn verschlang.
Es steht nicht fest, wo die verhängnisvolle Begegnung zwischen den Vettern stattfand, ob in Chiavenna oder in Partenkirchen; der Kaiser kam aus Italien über die Berge, um die Hilfe vom Herzog zu erlangen, die den Ausschlag zum Siege geben sollte. Man erzählt sich, daß Friedrich dem Herzog zu Füßen gefallen sei, um ihn zum Nachgeben zu bewegen; es erschien den damaligen Menschen fast grauenvoll, daß der Herr der Welt vor seinem Vasallen das Knie beugte.
Der Sieg der Lombarden bei Legnano bedeutete für Friedrich das Hindernis des Schicksals, das den ins Leben Stürmenden zum Anhalten zwingt und zur Besinnung bringt. Er war groß genug, um zu lernen, daß er, wie hoch er auch stand, andere Mächte müsse gelten lassen, daß er sich vertragen müsse, wo er nicht herrschen konnte, und er handelte nach der gewonnenen Einsicht, ohne seiner Würde zu vergeben. Nach einer furchtbaren Niederlage erlitt er keine erhebliche Minderung seiner Macht, wenn er auch den lombardischen Städten die Selbstwahl ihrer Beamten zugestehen mußte, und gar keine des Ansehens. In Venedig, wo der Frieden im Jahre 1177 abgeschlossen wurde, war er der Mittelpunkt der Bewunderung. Die beiden großen Kirchenfürsten, Christian von Mainz und Wichmann von Magdeburg, hatten erreicht, daß der Kongreß nicht in Bologna stattfand, das dem Papst gehörte, sondern in der Republik, zu der der Kaiser in guten Beziehungen stand. Er unterzog sich in der Markuskirche allen Förmlichkeiten, die die Gelegenheit verlangte, um dann im Palast des Patriarchen in deutscher Sprache zu erklären, daß er geirrt habe, indem er in Angelegenheiten der Kirche mehr kraft seiner Macht als nach den Grundsätzen des Rechtes habe regieren wollen. Christian von Mainz, der sieben Sprachen fließend sprechen konnte, nämlich Griechisch, Lateinisch, Apulisch, Lombardisch, Römisch, Französisch, Brabantisch, verdolmetschte die Rede des Kaisers. Den Schluß der Festlichkeiten bildete eine Versammlung in der Markuskirche, wo der Papst den Bann über alle diejenigen aussprach, die den zwischen der Kirche und dem Kaiser, dem Kaiser und dem Königreich Sizilien und den Lombarden geschlossenen Frieden und Waffenstillstand stören sollten. Als er den Fluch ausgesprochen hatte: »Und wie diese Kerzen ausgelöscht werden, so sollen ihre Seelen der ewigen Anschauung Gottes beraubt werden«, warfen der Kaiser und alle Anwesenden die brennenden Kerzen, die ihnen überreicht worden waren, zu Boden, daß sie erloschen. Solange Alexander lebte, blieb der Friede erhalten. Er starb im Jahre 1181, ein Jahr später Christian, der große Erzbischof von Mainz, der nach wie vor den Kaiser in Italien vertrat. Die Entwicklung der Verhältnisse brachte es mit sich, daß der schneidige Bekämpfer des Papstes als sein Beschützer endete. Als die Römer im Aufstande gegen den Papst Tusculum belagerten, wo er einst seinen berühmten Sieg erfochten hatte, eilte er auf den Hilferuf desselben sofort herbei, und sein Name genügte, um die Angreifer zurückzuschrecken. Von einem Fieber ergriffen starb er bald darauf, nachdem ihn der Papst, es war Lucius III., mit den Sterbesakramenten versehen hatte. So hoch schätzte Lucius seinen Retter, daß er ein Rundschreiben an die deutschen Kirchen über seine Verdienste und seinen Tod erließ und Bestimmungen für die Feier seines Gedächtnisses traf.
Wie er einst nach einem Siege Italien gleich einem Flüchtenden hatte verlassen müssen, so kehrte Friedrich nach einer furchtbaren Niederlage wie ein Sieger nach Deutschland zurück. Er hatte auf eine unmittelbare Beherrschung der lombardischen Kommunen verzichten müssen, aber die kaiserliche Oberhoheit und ansehnliche ihr zustehende Einkünfte gesichert. Seine nächste Sorge betraf das Verhältnis zu Heinrich dem Löwen, und zwar hatte er durchaus nicht im Sinn, Rache zu nehmen für die Untreue seines Vetters, die ihn so teuer zu stehen gekommen war, sondern womöglich die frühere Gemeinschaft wiederherzustellen. Wahrscheinlich war er nicht frei von Erbitterung; aber er war gewöhnt, seinen persönlichen Gefühlen das Interesse des Reichs voranzustellen, vielleicht war unwillkürlich in seiner Brust schon beides eins geworden. Ein gedemütigter,