Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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neckische Bäckerei zu bewundern, und schmeichelte dem Erzbischof immer wieder ab, ein neues Stück anzuschneiden, damit er sich überzeuge, ob es echt oder wirklich nur Konditorwerk sei. Es wurde nicht ohne verstohlene Späße bemerkt, daß der Erzbischof, welcher als geizig bekannt war, zwischen dem Vergnügen, seine Leckerbissen gewürdigt zu sehen, und dem Unmut, so viel davon zu verlieren, schwankte; auch wurde er gesehen, wie er einem abtragenden Diener, der von den Überbleibseln naschte, eine Maulschelle versetzte und ihm befahl, sie sorgsam zu verpacken und nach Köln in seine Residenz zu schicken.

      Bei den Turnieren trug zur Freude der Nürnberger der Pfälzer Obentraut die meisten Siege davon, ein fröhlicher Mann mit kühnen, aufrichtigen Augen, der bei den Katholiken kaum minder beliebt war als bei seinen Glaubensgenossen. Als der Kurfürst von Mainz ihm einen prächtigen Türkisring als Schwertdank zu überreichen hatte, legte er dem vor ihm Knienden die Hand auf den Kopf und sagte: »Bist du, mein Sohn, auch nicht aus demselben Weihbecken in der Kirche getauft, so doch wie ich aus dem Rheine«, was mit Beifall aufgenommen und weitererzählt wurde.

      Freilich hatte der Rat im stillen ein mühseliges Steuern und Ausbiegen, um allerlei Anstoß zu vermeiden. So ereignete es sich, daß trierische Knechte ein kleines achtjähriges Mädchen, das still für sich mit Murmeln auf der Straße spielte, in ein Wirtshaus lockten, um es für ihre schändliche Lust zu gebrauchen, und daß ein gutherziger Faßbindermeister, der dazukam und sie hindern wollte, schwer verwundet wurde. Der Rat hätte die Missetäter gern nach Verdienst bestraft gesehen, scheute sich aber doch, den feinen und großartigen Kurfürsten von Trier mit einer so häßlichen Sache zu behelligen, und überredete deshalb den Verwundeten und seine Frau, sich mit einem reichlichen Schmerzensgeld zufriedenzugeben.

      Ferner hatte man dem Herzog von Zweibrücken gestattet, seinen Hofprediger Petiscus öffentlich predigen zu lassen, trotz gerechter Besorgnis, er möchte die kalvinische Religion einzuschmuggeln versuchen; aber man hätte den Unrat lieber mit Schweigen zugedeckt als die Aufmerksamkeit darauf hingelenkt, wie es nun der kursächsische Hofprediger Hanisch tat, indem er in seinen Predigten anzüglich darüber stichelte. Auch die eigene Geistlichkeit gab manches zu schaffen, besonders der Pastor Mannich, der sich leider des Samstags zu betrinken pflegte und infolgedessen am Sonntag auf der Kanzel, die er unvorbereitet und noch nicht ganz ernüchtert betrat, allerhand Seltsamkeiten vorbrachte, besonders dem Rat dies und jenes aufmutzte, was dem niederen Volke ein beliebter Ohrenschmaus war. So klagte er jetzt, daß einem ehrliehen nürnbergischen Untertan, der sich während des Kurfürstentages auf dem Seil hatte sehen lassen wollen, dies als eine unnütze und gottlose Gaukelei verboten sei, während hernach ein angeblicher Meister aus Frankreich, der doch nur ein gemeiner Bortenwirker aus Schwaben sei, die Erlaubnis erhalten habe, indem die Ausländer stets begünstigt und die Einheimischen an ihrem Brot verkürzt würden. Mit diesem Mannich war es schwer, etwas auszurichten; denn zuweilen predigte er so herrlich, daß es allen Zuhörern durch Mark und Bein ging und man meinte, der selige Luther selbst sei zum Troste der Gemeinde wieder auferstanden.

      Gegen Ende November nahm der Kollegialtag sein Ende, nachdem die Kurfürsten den Beschluß gefaßt hatten, sich im Mai des nächsten Jahres zur Wahl eines römischen Königs von neuem zu versammeln. Noch vor diesem Zeitpunkt indessen klärte sich die Lage, indem Kaiser Rudolf an der Wassersucht erkrankte und aus dem Leben schied.

      *

      Seit Matthias König von Böhmen geworden war, entwarf der Kaiser Pläne, um sich wieder in Besitz der verlorenen Macht zu setzen, wobei sein Vertrauter der Markgraf von Ansbach war, der sich in Prag aufhielt, um die Umstände für seine Glaubenspartei auszunützen. Rudolf zeichnete ihn sichtbar aus, führte ihn in seine Kunstkammer, zeigte ihm seine Bilder und Raritäten, schenkte und versprach ihm auch manches und gewährte ihm lange Unterredungen. Die Aufforderung des Markgrafen, er solle die Prager Burg, wo er wie ein Gefangener lebte, heimlich verlassen und ihm ins Reich folgen, wo er mit Jubel und Ehrfurcht empfangen werden würde, versprach er zu erwägen. Viel lieber aber malte er sich aus, daß er nach Tirol gehen wolle, und vertiefte sich in ein Buch, das der belgische Maler Roelant Savery in seinem Auftrage angefertigt hatte und das die Gebirge dieses von ihm über alles geliebten Landes darstellte. Wenn er es durchblätterte, träumte er von dem Glück, in dieser Einsamkeit zu leben und die wilden Umrisse, an denen die zackigen Wälder hinaufkrochen und die die Wolkengeister umtanzten, als ein verschollener Beschauer in sich aufzunehmen. Ein Reisewagen stand bereit, um ihn jeden Augenblick dahin oder dorthin führen zu können; aber jeden Plan durchkreuzte ein anderer, wie er denn auch damit umging, der Witwe Heinrichs IV., Maria von Medici, seine Hand anzutragen und durch diese vornehme Heirat seinen Bruder Matthias gründlich zu beschämen.

      In einer stürmischen Winternacht stand der Kaiser vom Bett auf und verbarg sich jammernd in den dunklen Gängen der Burg; denn der Teufel, dem er sich verschrieben habe, sagte er, klopfe ans Fenster und wolle ihn holen. Wie er bald danach erkrankte und schwächer wurde, hörten diese ängstlichen Anfälle auf. Mit dem Beginn des Jahres 1612 bemerkte Rhutsky, dem die körperliche Pflege des Kaisers hauptsächlich oblag, allerlei Anzeichen, daß das Ende nicht mehr fern sein könne. Der arme Mann wußte wohl, daß er viele Feinde und Neider hatte, die nach dem Tode Rudolfs ihre Wut an ihm auszulassen versuchen würden, und machte Pläne, um mit dem Vermögen, das er zusammengebracht hatte, aus Böhmen zu entweichen; aber wenn er den alten, ins Grab sinkenden Mann ansah, wurde sein Herz weich, und er beschloß, noch einen und noch einen Tag auszuharren. Hatte der Kaiser auch in seinen schlimmen Tagen zuweilen gegen ihn getobt, auch mit Messern und Tellern nach ihm geworfen, so hatte er das doch hernach mit freundlichen Worten und Geschenken gutzumachen gesucht, ja sogar Tränen darüber vergossen. Besonders seit er das Bett hüten mußte, war er sanft und fügsam und sagte wohl, er habe sich als Knabe in Spanien nach Deutschland als nach seiner Heimat gesehnt; aber es sei die rechte Heimat nicht gewesen, und er sei froh, es zu verlassen.

      An einem Morgen im Februar erwachte Rudolf mit der Frage, ob sein Löwe noch am Leben sei; es gab nämlich eine Prophezeiung, nach welcher er zugleich mit dem Löwen, den er im Zwinger hielt, sterben sollte, und die Nachricht, daß derselbe krank sei, hatte ihn deswegen beunruhigt. An Rhutskys Verlegenheit erkannte der Kaiser, daß der Löwe wirklich in der Nacht gestorben war; er wurde aber nicht dadurch niedergedrückt, sondern sagte, er wolle die Prophezeiung zuschanden machen, fühle sich wohl und wolle aufstehen. Auch solle sogleich ein Brief an die Witwe des Kurfürsten von der Pfalz, Juliane von Nassau-Oranien, aufgesetzt werden mit Heiratsvorschlägen, weil er sich der kalvinischen Partei, als der tatkräftigsten unter den Evangelischen, verbünden wolle. Diese Wendung seiner Politik setzte seine Umgebung wohl in Verwunderung, fand aber wenig Glauben; auch kam nichts davon zur Ausführung, da der Kaiser noch am selben Vormittage verstarb, noch nicht sechzig Jahre alt, nachdem er sechsunddreißig Jahre lang regiert hatte.

      Sogleich nach seinem Tode wurde die Burg besetzt und die Mehrzahl der kaiserlichen Diener ins Gefängnis geworfen, darunter Rhutsky, indem zugleich sein Vermögen eingezogen wurde. Da Khlesl dem vieler Verbrechen Beschuldigten in bösen und höhnischen Worten die Folter androhte und er einsehen mußte, daß er von keiner Seite Hilfe zu erwarten hatte, erhängte er sich, so daß nur noch sein Leichnam gevierteilt werden konnte.

      Das überaus prächtige Trauergerüst, das zu Rudolfs Leichenfeier im Dome aufgerichtet war, kaufte der noch immer in Prag anwesende Herzog Heinrich Julius als Andenken für eine große Summe und führte es auf einem Wagen mit nach Wolfenbüttel, konnte sich aber nicht lange mehr daran erfreuen, da er schon im nächsten Jahre dem Kaiser im Tode nachfolgte.

      Dem Matthias fiel nun auch die letzte und höchste der Kronen seines Bruders zu, und im Mai begab er sich mit seiner Gemahlin zur Kaiserwahl nach Frankfurt. Unterwegs verweilte er mehrere Tage in Nürnberg, um sich auszuruhen, denn er litt gerade unter einem heftigen Anfall seiner Gicht, wovon er bis zu den Feierlichkeiten frei zu werden hoffte. Beim Einzuge in Nürnberg gab es Mißhelligkeiten: der Markgraf von Ansbach nämlich, mit dem die Stadt ohnehin nicht in gutem Einvernehmen war, behauptete, das Geleitsrecht zu haben, und pflegte beim Besuch hoher Gäste der Stadt zum Trotz gewaltsam davon Gebrauch zu machen. Darüber kam es zwischen den Nürnbergern und Ansbachern zum Streit, bei dem es mehrere Verwundungen absetzte und keiner den Sieg davontrug; wenigstens wichen die Ansbacher nicht vom Platze. Dieses Blutvergießen konnte nur als ein übles Vorzeichen ausgedeutet werden, und überhaupt machte Matthias keinen tröstlichen


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