Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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streckend, empfing er die Abgeordneten der Stadt, die ihm den Wein als üblichen Willkommen überbrachten. Dagegen war die Kaiserin guter Dinge, dick, weiß und rot, mit Haaren von der rötlich-blonden Färbung, wie sie vielen Habsburgerinnen eigen waren. Von ihrer Vorliebe für Leckereien in Kenntnis gesetzt, überreichte der Rat ihr eine große Schale auserlesenen Konfekts, wovon sie beständig naschte, während sie in einem weltlichen Historienbuche las, danach sie verlangt hatte und das im Besitz der Welserischen Familie vorgefunden und ihr ausgeliehen war. Überhaupt suchte sie sich zu belustigen und war erfreut über die Gelegenheit, einer Geschlechterhochzeit zuzusehen, die eben in diesen Tagen stattfand. Ihr zuliebe legten die Frauen und Mädchen altertümliche Trachten an, die sonst bei den Vornehmen nicht mehr üblich waren, und sie sah allem vom Fenster aus mit lautem Vergnügen zu, in die Hände klatschend, wenn ihr etwas besonders gefiel. Die Kränzeljungfern ließ sie zu sich in das Gasthaus bitten, betastete ihre mit Seidenbändern verflochtenen Zöpfe, ob sie echt wären, und ließ sich ihre Heiratsaussichten von ihnen erzählen. Auch benützte sie die Gelegenheit, sich einen Aderlaß praktizieren zu lassen, und der Barbier, der damit betraut wurde, konnte nicht genug von ihrem fetten weißen Arm erzählen und wie zutraulich sie ihn aufgemuntert habe, fest anzugreifen, da sie nicht zimpferlich sei. Es hatte ihr in Nürnberg so wohl gefallen, daß sie die Augen mit dem Tüchlein trocknen mußte, als sie in der breiten Reisekutsche, neben ihrem wohlverpackten Gemahl sitzend, ein Büchslein voll Konfekt auf dem Schoße, zum Tore hinaus- und den Krönungsfeierlichkeiten entgegenfuhr.

      *

      Maximilian von Bayern führte mit Wolfgang Wilhelm von Neuburg viele Gespräche über den Glauben, wobei er alles das wiederholte, was er von den Jesuiten über die Wahrheit des katholischen Bekenntnisses gelernt hatte, während Wolfgang Wilhelm die lutherische Lehre so verteidigte, wie es ihm von Heilbrunner, dem Hofprediger seines Vaters, beigebracht worden war. Dabei gebot ihm der Umstand, daß Maximilian der Ältere war, eine gewisse Bescheidenheit, so daß dieser den Eindruck gewann, sein Schüler werde sachte von der Kraft seiner Beweisführung durchdrungen, und er müsse nur eine Weile zuwarten, um die Früchte seines Eifers zu ernten. Ohne daß etwas Entscheidendes geschehen wäre, reiste Wolfgang Wilhelm wieder ab. Magdalenas bewundernde und fast verliebte Blicke hatten ihm zwar wohlgetan, und obwohl sie blaß und kränklich aussah, hatte sie ihm nicht übel gefallen, da sie klug und kräftig von Charakter zu sein schien; aber er konnte das argwöhnische Gefühl nicht loswerden, als sähen sie im Grunde alle ein wenig auf ihn herab, und das verstimmte ihn, wenn es ihn auch zugleich reizte und anzog. Dachte er an seinen Vater, so wurde ihm sehr unbehaglich zumute, und er verfolgte den Gedanken an die bayrische Heirat und alles, was damit zusammenhing, nicht weiter. Zu Hause jedoch gefiel es ihm gar nicht; stets kam es zu Wortwechseln zwischen ihm und seiner Familie, wie sehr er sich auch nach seiner Meinung bemühte, nicht merken zu lassen, daß sein Gesichtskreis sich inzwischen erweitert hatte. In seiner zweifelnden Stimmung beschloß er, sich am Hofe zu Berlin umzusehen, ob sich etwa dort eine Aussicht böte, die ihm Bayern entbehrlich machte. Der Kurfürst von Brandenburg näherte sich dem Plan einer ehelichen Verbindung seiner Tochter mit dem Neuburger behutsam; denn da er sich mit der Absicht trug, öffentlich zum reformierten Glauben überzutreten, wäre ihm eine kalvinische Heirat lieber gewesen. Immerhin wurde ein festliches Essen veranstaltet, wobei sich eine engere Vertraulichkeit entfalten und die Verlobung eingeleitet werden sollte. Die Prinzessin war ein wenig schnippisch und kicherte, anstatt des Freiers Anreden schicklieh zu beantworten; dazu kam, daß die Überheblichkeit, der er hier begegnete, ihn weit mehr ärgerte als die am Münchner Hofe, wo denn doch weit mehr Anstand, Pracht und fürstliches Wesen herrschte. Er gab also zu verstehen, daß er die brandenburgischen Ansprüche an Jülich-Cleve nicht hoch anschlug und voraussetzte, der Kurfürst werde es wohl zufrieden sein, sie mit der Tochter an ihn, als den eigentlichen Erben, abzutreten. Darüber brauste der Kurfürst seinerseits auf und sagte, daß Wolfgang Wilhelms Mutter sich eigentlich durch einen Verzicht ihres Anteils an der Erbschaft begeben habe, nun wolle er das Ganze und seine Tochter noch dazu, die von polnischer, schwedischer und dänischer Seite her Anträge habe und außerdem gar nicht von Berlin fort wolle. Die Prinzessin, sagte Wolfgang Wilhelm, dürfe es sich bei ihm gefallen lassen; in Düsseldorf sei guter Wein und in Neuburg gutes Bier, während in Berlin nicht einmal das Wasser gut sei. Diese Keckheit erzürnte den Kurfürsten so, daß er, ohnehin vom Trunk erhitzt, dem neuburgischen Prinzen eine Ohrfeige versetzte, womit das Gastmahl und die Werbung ein plötzliches Ende nahmen.

      Mit dem Gefühl der Rachsucht verließ Wolfgang Wilhelm Berlin und reiste schnurstracks nach München, entschlossen, sich nunmehr Maximilian in die Arme zu werfen. Der katholischen Glaubenslehre, die ihm namentlich von dem gelehrten Jesuiten Reihing einleuchtend unterbreitet wurde, lauschte er bereitwilliger als früher, und nachdem er den Unterricht eine Zeitlang genossen hatte, erklärte er sich für überzeugt und von dem Wunsche beseelt, in den Schoß der Kirche zurückzukehren. Seine den Vater betreffenden Bedenken verstand Maximilian und verschmähte es, ihn in dieser Hinsicht zu drängen. Er möchte, schlug er vor, so schnell wie möglich den Übertritt vollziehen, weil in einer so hochwichtigen Heilsangelegenheit auch nicht ein Tag versäumt werden dürfe; aber im geheimen, damit sein Vater es nicht erfahre. Diesen solle er zunächst mit der Heirat zu befreunden suchen, was leichter gelingen werde, wenn der Gedanke an einen etwaigen Religionswechsel seines Sohnes noch gar nicht bei ihm aufgetaucht sei.

      Dementsprechend verfuhr Wolfgang Wilhelm und malte dem alten Herzog aus, welche Hilfe er von dem mächtigen bayrischen Vetter haben werde, um seinen Anspruch auf Jülich durchzusetzen, wozu noch die Aussicht komme, Magdalena werde sich zum lutherischen Glauben bekehren lassen. Er schilderte die Prinzessin als verständig und tugendhaft, so daß er, wenn sie erst seine Frau sei, sie gewiß zur Einsicht des Besseren bringen und sie seinem Wunsche sich fügen werde. Hatte Philipp Ludwig geschwankt, ob er in die gefährliche Heirat willigen sollte, so wurde er durch die Aussicht auf diese Möglichkeit zu ihren Gunsten bewegt, und eine väterliche Neigung für das Mädchen, das er und sein treuer Heilbrunner mit der reinen Religion bekannt machen würden, ergriff sein Herz; nun erst fing er auch an den irdischen Vorteilen der Verbindung Geschmack zu gewinnen an. Vor der Hochzeit freilich, sagte Wolfgang Wilhelm, müßten die Bekehrungsversuche anständigerweise zurückgehalten werden, und es wurde festgesetzt, daß die Vermählung sowohl nach katholischem wie nach evangelischem Gebrauch vollzogen werde, damit der Glaube beider Teile zur Geltung komme und keinem von beiden ein Präjudiz geschehe.

      Vorher unternahm Magdalena mit ihrem Vater eine Wallfahrt nach Altötting, um Gott zu danken, dessen weise Führung sie nun erst recht bewundern lernte; denn es zeigte sich ja, was er damit bezweckt hatte, daß er das Opfer ihrer Liebe zu Leopold von ihr forderte, weil er ihr ein weit schöneres Glück und dazu eine erhabene Aufgabe vorbereitet hatte. Auch der alte Herzog von Neuburg wiegte sich in Hoffnungen, die nur zuweilen durch aufsteigende Sorgen getrübt wurden. Eine Sicherheit hatte ihm Wolfgang Wilhelm für die künftige Bekehrung seiner Braut nicht gegeben; konnte der junge Mann nicht durch weibliche Künste und die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur sich haben verblenden lassen, daß er eine der Abgötterei verschworene Jesabel für ein frommes, verständiges Mädchen ansah? Wenn sie sich ihm widersetzte, welche Unzuträglichkeiten würden daraus entstehen, namentlich in bezug auf die Kinder, die aus der Ehe erzielt werden würden; es war ja leider nicht anders, als daß die Frauen, und namentlich solche, die mit jesuitischen Kniffen umzugehen gewohnt waren, oft den Mann umgarnten, und er würde nicht immer da sein, um Wolfgang Wilhelm durch sein väterliches Ansehen zu stärken. Indessen suchte er solche Gedanken durch sein Vertrauen auf Gott zu bekämpfen, der die Wahrheit nicht zuschanden werden lassen würde.

      Nachdem die Hochzeit in München mit großer Pracht begangen war, richtete Philipp Ludwig eine Nachfeier in Neuburg zu, die Kosten nicht scheuend, um dem bayrischen Gepränge nicht nachzustehen, wie denn weder ein Turnier noch ein Feuerwerk, noch auch eine Sauhatz fehlte. In der ersten Nacht brach aber nicht weit vom Schlosse eine große Feuersbrunst aus, die sich so gefährlich anließ, daß der alte Herzog seinen Sohn, der sich eben mit seiner jungen Frau zu Bette begeben wollte, herausklopfte, damit er sich auch wie die anderen Herren am Lösch- und Rettungswerk beteilige. Hier tat sich namentlich Prinz August, Wolfgang Wilhelms jüngerer Bruder, rühmlich hervor, und man sah mit großer Bewunderung seinen hochgewachsenen Körper und sein blondes Haupt unerschrocken zwischen Rauch und Flammen auf- und untertauchen. Philipp Ludwig und seine zur Schwermut neigende Frau standen unterdessen


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