Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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man davon, daß der ehrgeizige Bischof nach der Kardinalswürde strebe, und nun hieß es, der Papst könne dem Wunsche des um die Kirche so hochverdienten Mannes nicht länger widerstreben. Voll Ingrimm glaubte Maximilian wahrzunehmen, wie er den Kopf bereits höher aufwerfe und sich in Kleidern und Gebärden pfauenhafter spreize als sonst, und es schien ihm keine Zeit mehr zu krummen Wegen zu sein. Entschlossen legte er Matthias seine und Ferdinands unumstößliche Forderungen vor: Ferdinand müsse durchaus so bald wie möglich in den Erblanden und im Reiche zum Nachfolger gewählt werden. Ein Kurfürstentag müsse ausgeschrieben und die Kurfürsten zur Wahl veranlaßt werden; machten die Evangelischen Einwände oder erschienen sie nicht, so müsse die Wahl ohne sie vorgenommen werden. Damit dem ungewöhnlichen Verfahren Nachdruck gegeben werden könne, müsse Matthias unverzüglich ein Heer rüsten, dann könne es ihm nicht fehlen. Nach einigem Sträuben und Wehklagen gab Matthias nach, so daß Maximilian schon den Sieg davongetragen zu haben glaubte.

      Plötzlich jedoch nahm die Sache eine ganz andere Wendung: Das Memorial, in welchem Maximilian seine Forderungen aufgezählt und begründet und welches er der kaiserlichen Kanzlei eingereicht hatte, war auf unerklärliche Weise in die Hände der Evangelischen geraten, die sich nun beizeiten gegen die desperaten Anschläge zur Wehr setzen konnten. Es litt bei Maximilian keinen Zweifel, daß Khlesl der Urheber dieses Verrates sei, und er beschloß die Niederlage mit den äußersten Mitteln zu rächen. Sein Haß nahm zu, als eine päpstliche Abordnung dem Bischof die Ernennung zur Kardinalswürde überbrachte, wodurch der Bäckerssohn zum Range der Erzherzöge erhoben wurde. Khlesl verfehlte nicht, dies seine Feinde auf glimpfliche Art merken zu lassen, wenn er auch übrigens gern beiläufig erwähnte, daß er keinen Wert auf äußerliche Auszeichnungen lege.

      Von der Ausführung des scharfen Planes, den Maximilian ausgeheckt hatte, konnte nun keine Rede mehr sein, im Gegenteil galt es am Hofe von Dresden die vertrauliche Stimmung wieder herzustellen, dessen reichstreue Politik durch das argwöhnische Memorial ein wenig erschüttert war. Deshalb wurde ein Besuch des Kaisers Matthias und seines Neffen Ferdinand in Dresden vereinbart, bei welcher Gelegenheit die Grundlagen künftigen Zusammenhaltens besprochen werden sollten.

      Dies war aus vielen Gründen eine schwere Angelegenheit für Matthias, den bald Gicht, bald Magenschwäche und Verdauungsbeschwerden plagten und der unzählige Übel für seine Gesundheit aus dem mühseligen Reisegeschäft und dem am sächsischen Hofe üblichen Vollsaufen hervorgehen sah. Ferner wurde er durch Ferdinand drangsaliert, weil der die Reise ohne Khlesl machen wollte, den Matthias gerade bei diesem Anlaß, wo wichtige Dinge verhandelt werden sollten, nicht von sich lassen wollte und der auch selbst gar nicht darauf verzichtet hätte. In seinem erfinderischen Kopf hatte Khlesl sich ausgedacht, wie dieser Besuch zum Besten seiner Politik auszunützen sei. Es hatte nämlich Erzherzog Ferdinand seine kränkliche bayrische Gemahlin inzwischen durch den Tod verloren, und bei einer neuen Verbindung konnte der Ausgleich mit den Evangelischen etwa mit berücksichtigt werden. Wenn Ferdinand die Witwe des verstorbenen Kurfürsten Christian heiratete und also die künftige Kaiserin evangelisch wäre, so, dachte Khlesl, könnte dies als ein schönes Symbol des hergestellten Einverständnisses im neugeeinigten Reiche ausgedeutet werden und recht wohl auf die beiderseitige Haltung Einfluß gewinnen. Freilich war es ungewiß, ob der ausschweifende Gedanke die päpstliche Billigung finden würde; aber vielleicht kam ihm die Anmut der dänischen Fürstin, die bereits eine feurige, wenn auch vergebliche Liebesneigung in dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt entzündet hatte, zu Hilfe, was besonders bei Ferdinands leicht entflammbarem Temperament nicht unmöglich war.

      Nachdem zuvor Ferdinands Krönung zum König von Böhmen vollzogen war, wurde die Reise angetreten, und zwar so, daß die letzte Strecke bis Dresden zu Schiff auf der Elbe gemacht wurde. An der Grenze bewillkommnete der Kurfürst die Österreicher in festlicher Weise durch eine Wasserjagd, indem das Wild durch Treiber und Hunde in den Fluß gehetzt und dort von den in ihren Schiffen befindlichen Gästen erlegt wurde.

      Ferdinand genoß die dargebotenen Lustbarkeiten, die für den Kaiser meistenteils beschwerlich waren, in vollen Zügen. Er hatte zwar von Khlesls Heiratsplan nichts wissen wollen, freute sich aber doch auf die Bekanntschaft der schönen Witwe und wurde denn auch durch ihr freies Anlächeln und rätselhaftes Blicken sofort bezaubert. Er fand, daß sie viel feiner und klüger zu reden wußte als seine Schwestern oder seine verstorbene Frau, und die anschmiegende Beweglichkeit ihres zierlichen Leibes war selbst durch den steifen Brokat ihres Kleides zu fühlen. Nachdem er mit ihr getanzt und den Druck ihrer Hand sowie die Zärtlichkeit ihrer Nähe überhaupt gefühlt hatte, schlug das Feuer ihm vollends über dem Kopfe zusammen, so daß Erzherzog Maximilian ihn mit Blicken strafte und Eggenberg für nötig hielt, ihm vor dem Schlafengehen vertraulich zuzureden. Er solle um Gottes willen die Zügel nicht so fahren lassen, sagte er, sondern bedenken, wohin das blinde Rößlein ihn zuletzt tragen werde. Was werde der Papst zu einer so verwegenen Heirat sagen, vom Erzherzog Maximilian zu schweigen, der ihm seine väterliche Zuneigung ganz entziehen werde. Ob er der Kirche und der Verwandtschaft, der ganzen katholischen Welt trotzen wolle? Die Kurfürstin meine es gewiß auch nicht redlich mit ihm, denn sie sei fest lutherisch, werde nie davon weichen. Die dänische Familie sei schön von Gesicht, aber üppig und verbuhlt; der Kurfürstin könne man ja nichts nachsagen, aber sie werde auch nicht anders sein als ihr Bruder, der König von Dänemark; solche Frauen hätten keine Beschaffenheit zur Ehe, paßten besonders nicht für das Erzhaus. Gott möge es dem Khlesl verzeihen, daß er das Feuer angelegt und angefacht habe, er habe sicherlich sein Verderben damit stiften wollen, Ferdinand solle sein Heil bedenken und dem Kardinal zum Torte die Flamme im Entstehen zertreten.

      Der kurfürstliche Wirt war in bester Laune, unermüdlich vortrinkend und laut schwörend, daß er beim Hause Österreich leben und sterben wolle. Hatte er in seiner Hauptstadt auch nicht viel Kunstwerke und Raritäten vorzuweisen, so entzückte er doch namentlich Ferdinand durch eine Sauhatz, die mitten in der Stadt auf dem Markte abgehalten wurde, wie auch ebenso durch die Musik, die zur Tafel aufspielte. Während der Kurfürst und sein Hof sich bei Tische nicht sonderlich um die Kapelle bekümmerten, horchten die Gäste zuweilen erstaunt und freudig auf, und Ferdinands Freund, Fürst Eggenberg, stand sogar mehrmals auf, brachte dem Kapellmeister ein Glas voll Wein, stieß mit ihm an und beglückwünschte ihn wegen der Kunst, mit der er die Kapelle leitete. Als der Kurfürst dies bemerkte, erzählte er lachend, dieser Kapellmeister, namens Heinrich Schütz, habe einen besonderen Wert für ihn, weil er ihn dem Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel abgejagt habe. Dieser habe den Schütz als einen talentvollen Knaben entdeckt, ihn im Gesang unterrichten lassen und später an seinen Hof gezogen. Als er gehört habe, was für ein großes Wesen der Landgraf aus dem Schütz machte, habe er sich ihn einmal schicken lassen und ihn dann ganz für sich behalten wollen, was der Landgraf Moritz sehr ungern vernommen habe. Da aber der Schütz auf kursächsischem Gebiet geboren sei und da der Landgraf ihm wohl auch nicht dauernd habe zuwider sein mögen, sei der Handel zustande gekommen, was ihn besonders freue, weil Landgraf Moritz sich bekanntlich einbilde, mehr zu wissen und zu können als andere Leute und an seinem Hofe besonders gelehrt und neumodisch eingerichtet zu sein. Er bekomme zuletzt immer, was er wolle, sagte der Kurfürst behaglich, und zwar ohne sich zu rühren. Mit Fechten und Schwitzen könne jeder etwas ausrichten, aber mit Stillsitzen den Sieg davonzutragen, sei die wahre politische Kunst, auf die sich nicht jeder verstehe.

      Als vornehmste Ergötzung wurde den Gästen eines Abends eine Komposition Schützens, nämlich ein musikalisches Gespräch zwischen Apollo und den Musen, vorgeführt. In einem Saale des Schlosses war eine kleine Bühne hergerichtet, auf welcher die Sänger auftraten, Apollo mit einem Lorbeerkranz in den blonden Locken, in goldgesticktem Wams und purpurnem Mantel, die Musen in altdeutschen Gewändern mit gepufften Ärmeln. Den Hintergrund bildeten, auf eine Wand gemalt, ein dunkelgrüner Hain und ein weißer Tempel auf sonnenbeschienenem Hügel. Zufrieden lächelnd, beobachtete Johann Georg das Erstaunen und die Bewunderung seiner Gäste während der Darstellung: Matthias und die Kaiserin weinten, Ferdinand wiegte seinen weichen Körper hin und her, und seine blauen Augen funkelten in feuchter Wonne, Fürst Eggenberg schien jeden Ton wie einen aus Wolken tauenden ambrosischen Tropfen aufzufangen und innig zu schlürfen. Am Schlusse des Spiels, das mit einer Huldigung für das Kaiserpaar endete, wurde Schütz vor die Majestäten befohlen, um ihr Lob in Empfang zu nehmen. Ferdinand klopfte ihm auf die Schulter und sagte gemütlich: »Er versteht seine Sache. Ich gebe zehn von meinen großmäuligen


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