Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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er das habe? Das sei etwas Neues und Gewaltsames, aber Wundervolles. Die Musik sei sonst eine überirdische Erscheinung unter den Menschen gewesen, vestalisch verhüllt und unnahbar; nun aber sei es ihm so gewesen, als hätte sie ihre Brust gleich einem Zauberspiegel entschleiert, und ein jeder hätte sich selbst darin erblickt, so wie Gott sich vorbehalten habe, sich zu erkennen, so daß es ihm fast verboten und schaurig vorgekommen sei. Da er nun das genossen habe, glaube er, es werde ihm kein Tonstück von der alten Art mehr schmecken.

      Schütz erklärte, daß er derartige Musik in Venedig kennengelernt habe, wo er jahrelang bei dem berühmten Meister Gabrieli studiert habe, und daß er hoffe, mit der Zeit noch größere Vortrefflichkeit darin zu erreichen. Die Musik sei bisher in der babylonischen Gefangenschaft gewesen, und er möchte sie in ihre Heimat zurückführen. Das sei schwer zu erklären und schwer zu begreifen. Er wolle die alte Musik nicht herabsetzen, keineswegs, denn sie sei eine Offenbarung Gottes gewesen; nun aber müsse der Tönebrunnen aus der Menschen Herz ausfließen und künden, was darinnen sei.

      »Mein Freund,« sagte Eggenberg, »Ihr seid nur ein bescheidener Kapellmeister, und doch seid Ihr mehr als irgendeiner von uns, wie mir scheint, den Göttern ähnlich. Ihr laßt Licht werden und zaubert tönende Geschöpfe aus dem Abgrund und verbindet die chaotischen Stimmen zu einer geregelten, in Vollkommenheit schwebenden Harmonie.«

      Das feine, von heimlicher Träumerei umdunkelte Gesicht Schützens erhellte ein gütiges Lächeln. Sein Geschäft müsse doch um vieles leichter sein als das des Herrgotts, sagte er; denn dessen Kreaturen ständen trotz seiner Allmacht in lauter Hader und Disputieren, die Disharmonien lösten sich niemals auf, und es würde damit immer schlimmer statt besser.

      »Ja, das sind Geheimnisse«, nickte Eggenberg ein wenig zurückhaltend. »Wir Menschen machen soviel Lärm auf der Erde, daß wir die Harmonie Gottes nicht vernehmen können.«

      Khlesl hatte, auch abgesehen von dem Mißglücken seines Heiratsplanes, manche Bitterkeit zu schlucken. Er hatte kraft seines Kardinalsranges das Recht, bei Tische zwischen den Erzherzögen zu sitzen; da diese aber mit Abreise drohten, wenn sie nicht über ihn gesetzt würden, was wiederum Khlesl sich nicht gefallen lassen wollte, schlug der bedrängte Hofmarschall vor, Khlesl möchte an einer anderen Tafel sitzen, wo er den unbestrittenen Ehrenplatz einnehmen würde. Hierauf ging Khlesl mit saurer Miene ein, obwohl er wußte, daß es ihm zu Despekt und Schimpf gereichen würde, und es entging ihm auch nicht, mit welcher Schadenfreude Maximilian ihn vom kaiserlichen Ehrentische aus beobachtete.

      *

      Der Krieg zwischen Venedig und dem Kaiser lockte viele berühmte Feldherren und junge Herren von Adel nach Gradisca, der die große grüne friaulische Ebene beherrschenden Festung, um die der Kampf hauptsächlich sich drehte. Während Venedig sich des berühmten Giustiniani rühmte, glänzte auf österreichischer Seite namentlich Trauttmansdorff, der seine Laufbahn in den Kriegszügen des Matthias gegen Rudolf begonnen hatte (den von Ramée hatte Erzherzog Leopold schon vor einigen Jahren geschwind und lautlos prozessieren und köpfen lassen). Neben Trauttmansdorff machten sich der Lothringer Dampierre, Marradas, Melander, besonders aber Albrecht von Waldstein oder Wallenstein bemerkbar, ein etwa dreißig Jahre alter böhmischer Edelmann, der als Vasall des nunmehrigen Königs von Böhmen Ferdinand ins Feld gezogen war. Zog Wallenstein die Scharen der Söldner an, so war er doch bei den Kameraden nicht beliebt, wenn man ihm auch zugestand, daß sein Regiment in auffallend guter Ordnung, tüchtig und leistungsfähig sei; aber er schreckte durch zurückhaltendes und hochfahrendes Wesen ab, nahm an den gemeinsamen Banketten selten teil, betrank sich niemals und schien sich überhaupt mit anderen nicht gemein machen zu wollen. Sein Reichtum ermöglichte ihm, prunkvoll gekleidet zu erscheinen und sich mit einem Troß reich ausstaffierter Diener zu umgeben. Man wußte, daß er dies Vermögen seiner Frau, einer verwitweten böhmischen Edelfrau, verdankte, die kürzlich gestorben war, ohne Kinder geboren zu haben. Sie war mehrere Jahre älter als er und nicht schön, aber leidenschaftlicher Natur und in ihren ernsthaften und tiefsinnigen Mann sehr verliebt gewesen. Das Gerücht war von ihr im Umlauf, um sich sein Herz zuzuwenden, habe sie ihre Zuflucht zu einer alten Frau genommen, die sich auf Arzneien und allerlei verborgene Künste verstanden habe, und ihm einen von derselben zusammengekochten Liebestrank eingeflößt, der aber keine Liebe, sondern eine gefährliche Krankheit in ihm erzeugt habe. Nach seiner Genesung sei er noch kälter als zuvor gegen sie gewesen, worüber jene alte Frau sehr erschrocken gewesen sei und gesagt habe, er könne kein fleischliches Herz haben, wenn es diesem Zauber unzugänglich sei. Selbst Tiere würden durch dies Mittel zur Liebesbrunst angefacht, er müsse außerhalb der Natur und mit feindlichen Geistern im Bunde stehen. Die arme Frau versuchte in frommen Übungen Trost zu finden, vermochte es aber nicht, sich der hoffnungslosen Liebe zu entreißen, und ergab sich traurig in den Tod. Zur zweiten Gemahlin wählte der junge Witwer die österreichische Gräfin Harrach, die nicht reich war, ihn aber durch ihre angesehene Familie in nahe Verbindung mit dem Erzhause brachte.

      Trauttmansdorff, der den Oberbefehl hatte, war ein Mann, der sich weniger durch Feldherrngabe als durch Kühnheit und Selbstbewußtsein auszeichnete, auch durch seine heldenhafte Gestalt und seinen stolz getragenen blonden Kopf Eindruck machte. Um einen gelungenen Ausfall zu feiern, lud er eines Tages die Offiziere zu einem Gastmahl ein, das im geräumigen Schloßhof aufgerüstet wurde. Der von Mauern eingeschlossene Platz war schattig kühl; jenseit derselben sah man das blaue Meer und die rötlichen Berge in der schwirrenden Luft kochen.

      Gleich beim Beginn des Essens entspann sich ein Streit, indem Trauttmansdorff die Gesundheit des Kaisers ausbrachte und sein Glas darauf leerte, welchem Beispiel alle mit Ausnahme Wallensteins folgten. Von Trauttmansdorff darüber zur Rede gestellt, antwortete Wallenstein kurz, daß er das Weintrinken bei der Hitze nicht vertragen könne, wogegen Trauttmansdorff mit Schärfe einwandte, er habe Wallenstein kürzlich trinken sehen, als das Wohl des Erzherzogs von Steiermark ausgebracht worden sei. Der Erzherzog von Steiermark sei König von Böhmen und sein Herr, entgegnete Wallenstein. Das sei nicht wahr, rief Trauttmansdorff, annoch habe Matthias die Oberherrschaft in Böhmen, wenn er auch Ferdinand schon habe krönen lassen. Und ob Wallenstein Matthias nicht als seinem Kaiser Gehorsam vor allem schulde? Indem er sich drohend von seinem Sitz erhob, fragte Wallenstein, ob Trauttmansdorff ihn der Lüge zeihen wolle und ob er behaupten wolle, er, Wallenstein, sei kein treuer Untertan des Kaisers?

      Dieser gefährliche Zwist wurde durch die übrigen glücklich beigelegt, und Trauttmansdorff wie Wallenstein versicherten, daß sie weder dem Kaiser noch dem Könige von Böhmen, noch sich gegenseitig dies zum Schimpf gemeint hätten. Bald jedoch entstand ein neuer Wortwechsel, indem Trauttmansdorff die Hoffnung aussprach, der nächste Krieg werde gegen die ketzerischen Rebellen im Reich gehen; der Umstand nämlich, daß die holländischen Staaten der Republik Venedig ein Hilfsheer unter dem General Grafen Johann Ernst von Nassau gesendet hatten, in dem zahlreiche Protestanten aus dem Reiche dienten, wurde als eine ungebührliche Herausforderung aufgefaßt und hatte eine gereizte Stimmung im österreichischen Heer erzeugt. Dagegen sagte Wallenstein in einer Art, als ob seine Meinung besser begründet sei als die der anderen, es werde zunächst gegen die Türken gehen, erst wenn diese gänzlich niedergeworfen wären, könne die Ordnung im Reich hergestellt werden. Trauttmansdorff war Mitglied einer kürzlich gegründeten hochadeligen Gesellschaft, deren Ziel ausdrücklich die Bekämpfung der Heiden war, von der man aber wußte oder mutmaßte, daß sie gegen die Evangelischen gerichtet und zunächst zur Unterstützung des Königs von Polen gegen Schweden bestimmt sei. Wallenstein scheine gründlich unterrichtet zu sein, sagte Trauttmansdorff spöttisch; er hätte selbst den Türken gegenübergestanden und wisse, daß sie nicht sonderlich mehr zu fürchten wären; einstweilen hätte man mit ihnen aufgeräumt. »Die Türken sind so mächtig wie je,« sagte Wallenstein mit kühler Bestimmtheit, »und solange die Türken in Europa sind, wird niemals ein sicheres Gleichgewicht bei den christlichen Staaten herrschen.« Ob er eine Weltmonarchie gründen wolle? fragte Trauttmansdorff höhnisch. Das komme wohl aus seinem Blute, denn soviel er wisse, sei Attila ein Böhme gewesen.

      Noch einmal legten sich die Offiziere zwischen die Streitenden mit dem Vorschlag, die Würfel sollten entscheiden, wer recht habe. Unter lautem Jubel tat Trauttmansdorff den höchsten Wurf, womit es für bewiesen galt, daß der nächste Krieg gegen die Ketzer gehen werde. Als dann der Würfelbecher unter allen umging, und zwar unter der Abmachung, daß der Sieger


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