Colours of Life 2: Rosengrau. Anna Lane

Colours of Life 2: Rosengrau - Anna Lane


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zwinge mich dazu, sie anzusehen und ganz ruhig zu sagen: »Crys. Komm schon.«

      Der Sarkasmus verschwindet von ihrem Gesicht. »Wenn du mir keine Antworten gibst, muss ich sie mir selbst beschaffen.«

      »Je weniger du weißt, desto besser.«

      »Cynthia ist deine Mutter, oder?«

      Ich nicke.

      Crys legt die Kette behutsam wieder zurück in die Schublade. »Was ist das?« Sie schlägt die erste Seite des Notizbuches auf und hält es hoch.

      Augenblicklich verkrampft sich mein Kiefer. »Lass deine Finger davon.«

      »Was bedeuten die Striche neben Moskau?«

      »Leg. Es. Zurück.«

      »Warum, was ist damit?« Kann sie nicht einfach lockerlassen?

      »Ich will nicht darüber reden. Bitte akzeptier das.«

      Entgegen meiner Erwartung klappt sie den Mund zu und legt das Notizbuch zurück auf den Tisch. Die Enttäuschung lässt ihre Züge hart werden. Und dann geht sie. Schon wieder. Ich kann ihr nicht böse deswegen sein. Ich starre ein paar Minuten auf das Notizbuch. Ich kann es ihr nicht verübeln, dass sie Fragen hat. Nur kann ich diese Fragen nicht beantworten. Und das wird zum Problem.

      »Wieso zur Hölle kann nicht einfach alles normal sein?« Ich schüttle den Kopf, schnappe mir meine vergessene Jacke vom Stuhl und mache mich auf den Weg, aber nicht, ohne vorher kräftig die Tür hinter mir zuzuschlagen

      Cameron

      »Du wirkst so angespannt.«

      Ich kann ihren Blick auf mir fühlen. Vivien sitzt mir gegenüber, die Hand um ihre Tasse Tee gelegt.

      »Hm?«, antworte ich und zwinge mich dazu, meinen Blick wieder auf sie zu richten.

      »Wir gehen jetzt schon ein halbes Jahr miteinander aus. Und noch kein einziges Mal hast du versucht, mich zu küssen. Vielleicht würde dich ein Kuss etwas lockerer machen?«

      Ich versuche zu lächeln. Mit Vivien ist es anders als mit Eugenie. Eugenie war nett, aber etwas einfältig. Es war einfach, die Informationen zu bekommen, die Jeff benötigt hat. Das Spiel ist immer das Gleiche: Eine Zeit lang folge ich den Töchtern von einflussreichen Leuten, die gegen uns arbeiten. Dann das zufällige Treffen. Ich bin charmant, charismatisch, nett. Lange Gespräche, in denen ich ihnen erzähle, dass ich allein in einer Wohnung lebe und Vollwaise bin. Ich kriege ihr Mitleid, ihre Aufmerksamkeit, die ich so lange brauche, bis sie mir ihre kleinen Geheimnisse verraten. Bei Eugenie war es bereits nach wenigen Wochen soweit – sie hat mich zu sich nach Hause eingeladen. Ein Glas Wein und ein paar K.-o.-Tropfen später hatte ich den USB-Stick im Haus ihres Vaters gefunden. Und nie, nie hinterlasse ich irgendwelche Spuren.

      »Bei besonderen Mädchen lasse ich mir gerne Zeit«, murmle ich, nehme einen Schluck von meinem Kaffee. Lügen. Alles Lügen. Bei Crys würde ich keinen Moment zögern, wenn sie um einen Kuss bitten würde.

      »Ich bin also besonders?«, schnurrt sie und stützt ihren Kopf auf die verschränkten Finger. Ja, besonders langsam damit, mir ein paar deiner Geheimnisse zu verraten.

      »Natürlich.« Ich lehne mich nach vorne. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie der Typ hinter der Kuchentheke des Cafés, das sich am anderen Ende von Edinburgh befindet, Vivien anstarrt. Er hat recht, sie ist eine Augenweide – braune Augen, lange blonde Haare und dieses selbstbewusste Lächeln.

      »Und wieso bemühst du dich dann nicht mehr um mich? Wenn ich denn so … besonders bin?« Sie streckt ihre Hand aus und legt sie auf meine. Ich starre ihre hellrosa lackierten Fingernägel an, einen Tick zu lange, denn sie sieht meinen Blick und zieht ihre Hand weg.

      Ich hätte meine Hand auf ihre legen sollen. Aber ich kann nicht. Nicht mehr. So wie sie mich gerade ansieht, halb zweifelnd, halb enttäuscht, weiß ich, dass ich ihr nur den richtigen Satz ins Ohr flüstern müsste, und sie würde mir um den Hals fallen. Aber das werde ich nicht tun. Weil ich Crys will. Und nicht sie.

      »Besondere Dinge brauchen Zeit. Ich nehme mir gerne meine Zeit.«

      »Oh, ich bin mir sicher, du nimmst dir, was du willst.« Sie wirft ihr Haar über die Schulter zurück. Ihre Flirtversuche nerven mich. Mehr als das. Ich will gar nicht hier sitzen und muss mich davon abhalten, das auch zu zeigen.

      »Wir sollten uns mal irgendwo anders treffen.« Dann könnte ich die Sache schnell zu Ende bringen – und mich endlich um wichtigere Dinge kümmern. »Der Kaffee hier wird langweilig.«

      »Du willst zu mir?« Sie steht auf und zieht ihren Ledermantel über. »Das musst du dir erst verdienen«, säuselt sie, streicht mir kurz über meine Schulter. Dann wirft sie erneut die langen Haare zurück und stöckelt auf hohen Stiefeln aus dem Café.

      Für einen Moment schließe ich die Augen und schüttle den Kopf. Scheiße.

      »Frauen, was?« Der Typ hat sich hinter der Theke hervorgetraut. Ich lege ihm zehn Pfund auf den Tisch und ziehe mir meine Jacke über.

      »Du sagst es.«

      ***

      Neptune

      »Gott, ich gebe auf.«

      Noch nie haben sich Worte so sehr nach dem größten Hit aller Zeiten in meinen Ohren angehört.

      »Nicht Gott, nur Neptune«, entgegne ich und grinse dabei wie ein Honigkuchenpferd. Ich fühle mich wie Freddy Mercury. Als er noch nicht krank war, versteht sich. Oder wie Kurt Cobain, minus den Drogen. Einfach wie die größte Legende aller Zeiten.

      »Lass mich einfach in Ruhe arbeiten.«

      »Dann bis heute Abend, Jeff!« Bevor er es sich noch anders überlegen kann, drehe ich mich schon um und winke ihm über die Schulter hinweg zu.

      »Ich habe eine halbe Stunde gesagt!«, donnert er mit hochrotem Kopf. Seine Hände krallen sich in den Rand der Tischplatte. Ein Wunder, dass das Holz nicht splittert.

      »Bis heute Nachmittag, Jeff!«, korrigiere ich mich und schließe schwungvoll die Tür zu seinem Büro, das ich seit acht Uhr früh durchgehend belagere.

      Dumpf dringen noch ein paar Befehle an meine Ohren. Nur um den Häuserblock, blablabla. Sprich mit niemandem, blablabla. Jap, nichts davon verstanden! Die Akustik ist aber auch schlecht hier im Treppenhaus.

      Es hat lange gedauert, Carter so wahnsinnig zu machen, wie mich dieses Eingesperrtsein werden lässt.

      Küche. Zimmer. Hallenbad. Fitnessraum. Ja, ich gebe es zu. Manchmal bin ich sogar so verzweifelt, dass ich Tyler nachspioniere. Leider muss ich zugeben, dass der Typ ein Augenschmaus ist. Muskeln konnte ich noch nie widerstehen. Zu dumm, dass momentan seine die einzigen sind, die ich hin und wieder zu Gesicht bekomme.

      Mir fehlt die Bühne. Die schönen Menschen um mich herum. Die Musik. Und meine Haare erst! Was würde ich geben, mich nicht jedes Mal erschrecken zu müssen, wenn ich an einem Spiegel vorbeilaufe. Ich meine, hallo? Blond ist so was von gestern.

      Ich haste an meinem Zimmer vorbei zu dem von Crys. »Cry-y-ys!« Ich wiederhole den Singsang genau fünfeinhalb Mal, bevor sie die Tür öffnet.

      Ihre Haare sind vogelnestartig auf ihrem Kopf aufgetürmt. Die Ringe unter ihren Augen sagen mir alles. »Neptune? Was ist?« Ihre Brauen wandern zusammen, und eine Falte bildet sich zwischen ihnen. »Hast du wieder Carters geheimen Whiskey-Vorrat geplündert?«

      Ich verdrehe die Augen. »Du und ich gehen raus.«

      Crys blinzelt. »Einkaufen?« Was guckt sie so misstrauisch?

      »Nein.« Glücklicherweise nicht. Mit Crys zu shoppen macht einfach keinen Spaß. Sie ist viel zu passiv. Trägt sie das hübsche grüne Plissee-Oberteil, das ich für sie ausgesucht habe? Oder die Jeans, in der ihre Beine so unverschämt lang aussehen? Ein dickes, fettes Doppel-Nope. Stattdessen lungert sie nur in diesen grauen T-Shirts herum, die das Sexappeal eines nassen Waschlappens versprühen. »Heute kein Einkaufsbummel.


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